THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 39 - 2014 POLITIK - RUMÄNIEN 23.09.2014

 

Kein Staat im Staate. Vor der Präsidentschaftswahl in Rumänien: Ponta lässt Ungarn bei "Autonomie" abblitzen

Am 2. November wird in Rumänien ein neuer Präsident gewählt. Das Basescu-Lager schickt einen Siebenbürger Sachsen ins Rennen, der "Sozialdemokrat" Premier Ponta stellt sich diesem als Verfechter des echten Rumänien entgegen. Die über 1 Mio. ethnischen Ungarn des Landes könnten dabei das Zünglein an der Waage sein, entsprechend selbstbewusst sind ihre Forderungen. Doch Ponta setzt - genauso wie sein Amtskollege Orbán in Ungarn - bei der Machtaneignung lieber auf die bewährte nationale Karte und stellt das Feindbild über einen europäisch fundierten Konsens.

V.l.n.r.: Premier und Präsidentschaftskandidat Victor Ponta, UMDR-Chef und Kulturminister Kelemen Hunor, Amtsinhaber Traian Basescu und sein Präsidentschaftskandidat Klaus Werner Johannis

Wegen der epischen Machtkämpfe zwischen dem zwischenzeitlich abgesetzten, aber wiedergewählten Amtsinhaber Traian Basescu von den Nationalkonservativen und seinem ebenso machtbewussten wie demokratierechtlich umstrittenen Gegenspieler Victor Ponta von den Sozialdemokraten, ist das Rennen um das höchste Staatsamt besonders spannend. Beide werden wahrscheinlich in eine Stichwahl gehen, andere Kandidaten treten im ersten Wahlgang vor allem an, um die Größenordnung ihrer Verhandlungsmasse für die Stichwahl zu definieren.

Rechte Mafia gegen linke Mafia?

Für Basescus Lager, der selbst nicht wiedergewählt werden kann, tritt diesmal ein Rumäniendeutscher, ein Siebenbürger Sachse, der als liberal-konservativ geltende Klaus Werner Johannis an. Er wird als wirtschaftlich erfolgreiche und konsensfähige Alternative angepriesen, der als Bürgermeister von Hermanstadt seine Reifeprüfung für eine landesweite Aufgabe abgelegt habe. Eine Botschaft, die in einem der ärmsten Länder der EU ankommen sollte. Premier Ponta wird sein aussichtsreichster Gegner sein, der nichts unversucht lässt, Johannis als reine Marionette der Basescu-Seilschaften darstellen zu lassen, so als gäbe es in seinem Lager derartige nicht.

 

Ungarn als wohlfeile Mehrheitsbeschaffer

Die Stimmen von rund 7% der 20 Mio.-Bevölkerung in Rumänien gehören bekanntermaßen ungarischen Kehlen, deren politischer Vertreter, Kelemen Hunor von der rumänischen Ungarnpartei UDMR derzeit Kulturminister an der Seite Pontas ist, dessen Partei weitere 14 Staatssekretäre und einen Vizepremier stellt und dessen Abgeordnete der Mehrheitsbeschaffer für Ponta sind, - so wie sie es mitunter auch schon für die Gegenseite waren. - Ihre Unterstützung lassen sich die Rumänienungarn regelmäßig gegen Zugeständnisse für Minderheitenrechte abkaufen. Meistens ging das gut, seit 2010 in Budapest Fidesz an die Macht kam, wuchsen die Ansprüche jedoch derart in den völkischen Himmel, dass sich die rumänienungarische Bewegung letztlich spaltete und fast in der politischen Versenkung verschwunden wäre, wenn Hunor nicht die Fäden und den Verstand behalten und Orbán letztlich zum Einlenken gebracht hätte.

Ein “Széklerland” als Preis

Hunor verlangt für die Unterstützung im Präsidentschaftswahlkampf (zumindest für eine wahrscheinliche Stichwahl) von Ponta, der mit dem rechten Lager wahrlich genug zu kämpfen hat, nichts weniger als die verfassungsrechtliche Verankerung einer autonomen Ungarnprovinz eines "Széklerlandes", das im Wesentlichen die drei jetzigen Siebenbürger Bezirke Hargitha, Covasna und Mures umfasst, 600.000 Ungarn Heimat sein soll und mit umfassenden Selbstverwaltungsrechten - bis hin zu eigenen Steuertöpfen und der Personalhoheit in der Exekutive ausgestattet sein soll. Mehr noch, der autonom gewählte Präsident der Region soll mit Stimme am Kabinettstisch sitzen, Ungarisch wäre  Amtssprache - neben Rumänisch, so Kelemen Hunor. Diese Forderungen sind angesichts einer immer noch im Raum stehenden völlig gegenläufigen Verwaltungsreform imposant, die jene Bezirke, in denen Ungarn noch die Mehrheit stellen, zerschlagen werden sollen.

Orbán kostete die Rumänienungarn fast die Macht

Die Forderung nach "territorialer Autonomie" der Székler (die übrigens nur einen besonders mythifizierten Teil der Rumänienungarn darstellen) taucht alle paar Monate auf und wird sowohl von Orbáns Fidesz als erst recht von noch rechteren Truppen in Ungarn als eine Schicksalsfrage dargestellt. Es ist die Inszenierung eines Stellvertreterkrieges zur Etablierung der neuen nationalistischen Agenda in Kernungarn - mitunter auch auf Kosten der Rumänienungarn.

Orbán versteht sich aus machtpolitischen Erwägungen mittlerweile wieder so gut mit dem zuvor zu Gunsten der Brachialseparatisten von der "Siebenbürger Volkspartei" geschnittenen Hunor, dass er die Nominierung eines Präsidentschaftskandidaten seitens des radikalen Flügels mit der Drohung des Mittelentzugs zu verhindern wusste. Die Székler Hardliner fühlten sich von Orbán erpresst, doch den interessiert der politische "Erfolg" - und der ist mit Hunor, der momentan an einem längeren Hebel sitzt als seine separatistischen Gegenspieler, wahrscheinlicher als mit den selbst von Budapest gesponsorten Székler "Befreiungskriegern".

Ponta lässt Ungarn abblitzen - vorerst

Ponta zeigte Hunor am Freitag die kalte Schulter. Er sei für "Autonomierechte im Einklang mit der bestehenden Verfassung und den europäischen Normen." "Ich bin nicht für irgendeine Form von Autonomie für exklusive Ungarnregionen". Sprich: Sprach-, Kultur- und lokal begrenzte Selstbestimmungsrechte: Ja, - ein Staat im Staate: Nein. Ponta ist dabei kein Ungarnhasser, wie ihm immer wieder unterstellt wird, sein Kalkül ist ganz praktisch und bedient sich dabei des in Rumänien ebenso wie anderswo schnell auflodernde nationale Sentiment. Er will sich als "Präsident aller Rumänen" profilieren, dem das Wohl des ganzen Landes wichtiger sei als partikulare, gar ethnisch definierte Interessen. Damit, so die Rechnung, gewinnt er mehr Stimmen als er bei einem Verlust der "Ungarn" verlieren würde. Die "Ungarn" als Feinde Rumäniens kämen ihm dabei also - vorerst - gelegen.

Mit den nächsten Verfassungsänderungen kommt die Stunde der Rumänienungarn

Hunor und sein UDMR könnten sich dafür später wieder rächen. Im Zuge der Auseinandersetzungen mit Amtsinhaber Basescu, hatte Ponta die Befugnisse des Staatspräsidenten (wie auch jene des Verfassungsgerichtes) empfindlich zu Gunsten der Regierung und der Parlamentsmehrheit beschneiden lassen. Die Ungarn hatten dies fast immer mitgetragen. Wird Ponta selbst Präsident, wird er versuchen, sich wieder mehr Machtbefugnisse zuzuschanzen - dann bräuchte er womöglich die UDMR-Abgeordneten wieder als Stimmvieh und könnte nur schwer erklären, warum er für seinen Interessen die Verfassung mehrfach ändern lässt, die Interessen seiner Koalitionspartner dabei aber unberücksichtigt bleiben sollte. Hunor wäre auf diesem Wege durchaus kompromissbereit - Orbán weniger. Denn der sieht die Rumänienungarn in erster Linie als Storylieferanten für den Traum von einer nebulösen Nationalen Einheit und als handfeste Wählerreserve. Schließlich haben Hunderttausende von ihnen den ungarischen Pass und damit eine Art Doppelloyalität geschenkt bekommen.

Absurde Machtspiele jenseits europäischer Realität

 

Dass die Durchsetzung der in der EU verankerten Grund- und Menschenrechte automatisch auch die sog. Minderheitenrechte (als Teil auch ethnisch unteilbarer Rechte) einschließt, machte obige Spielchen mit nationalen Wallungen eigentlich absurd und obsolet, genauso wie die Bedeutung von nationalen Grenzen. Doch ohne diese Ab-Grenzung funktionieren die Feindbilder der Ewiggestrigen nicht mehr und ihre nationalistisch durchwebten Ideologien würden einstürzen, sie stünden vor ihren Völkern nackt da. Das ist der Hauptgrund, warum Gestalten wie Orbán und Ponta, aber natürlich auch die Separatisten der Székler oder Katalanen, die nationale Karte immer wieder ausspielen müssen und dabei die europäische Realität und das Potential einer Gemeinschaft mit gleichen Rechten ignorieren.

red. / cs.sz. / m.s.

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