THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 39 - 2014 MEDIEN 27.09.2014

 

Zu wenig heile Welt: RTL erhält Rekordstrafe in Ungarn, auch aus politischen Motiven

Der bei der Regierung derzeit besonders "beliebte" TV-Marktführer RTL Klub hat von der staatlichen Rundfunkaufsicht NMHH eine Geldbuße von fast 40 Mio. Forint, rund 175.000 EUR abgefasst. Grund ist die "inakkurate Darstellung von Drogenkonsum" in der Virtual Reality Soap "Budapest Tag und Nacht". Die moralische Entrüstung der Behörde ist nur ein Vorwand im Orbánschen Medienkrieg.

Setfoto von “Budapest Tag und Nacht” bei RTL Klub.
Das Retorten-Produkt ist der Medienbehörde zu ungezügelt.

Dort wurde das Abgleiten einer jungen Frau in die Drogenabhängigkeit thematisiert, wobei der "Charakter intensive psychotische Erlebnisse, moralische Erniedrigung, zerstörte Beziehungen, körperliche Ausgelaugtheit und Kontrollverluste erleidet", heißt es in der Erklärung der NMHH. All das aber wurde den Zuschauern "ohne eine Darstellung der Gegenwelt und interpretatorische Einordnung" zugemutet, vor allem aber fehlte eine "Kritik am Kauf, dem Handel und dem Konsum von Drogen", was 52 Zuschauer zu einer Beschwerde bewegte.

Die Sendung hätte zudem nur nach 21 Uhr und mit entsprechendem Altershinweis gesendet werden. Wie man mit dieser Argumentation künftig die Ausstrahlung von z.B. Hänsel und Gretel (Vernachlässigung der Aufsichtspflicht, Nächtigen im öffentlichen Raum, Freiheitsberaubung, Selbstjustiz, Mord etc.) oder "La Traviata" (Prostitution, illegals Glücksspiel etc.) straffrei halten will?! - Zumindest sollen ab neuem Jahr alle Sendungen aller Sender mit einem Altershinweis versehen werden.

 

Strafen für Verstöße gegen den Jugendschutz, die "unangemessene" Darstellung von Gewalt und sexuellen Szenen in Doku-Soaps oder auch dem ungarischen "Big Brother" hatte RTL immer wieder bekommen, allerdings noch nie in einer derartigen Größenordnung für einen einzelnn Sachverhalt. Mehr noch, die NMHH will RTL nun auch vor Gericht bringen, wegen "fehlender Übermittlung von angeforderten Daten, unkorrekter Alterseinstufung sowie unrechtmäßiger Produktplatzierung".

Höhe und Art der Bestrafung folgt sowohl der ideologischen Law-and-Order und "heile Welt"-Vorgabe der Medienstrategen der Orbán-Regierung, ist aber auch eine Folge des derzeitigen "Krieges" zwischen der Regierung und RTL rund um die extra auf den Sender zugeschnittene enorme Mediensteuer (40% auf die Nettowerbeeinnahmen). Premier Orbán hatte damit das Ziel ausgegeben, dass "RTL auf die eine odere andere Weise bald in unserer Hand" sein werde (der Mitbewerber TV2, früher ProSiebenSat1, wurde bereits an Fidesz-nahe Kreise verkauft). Sein Kanzleramtsminister meinte, der Sender "belügt und betrügt die Zuschauer und den Staat", das "kann er in Deutschland machen, aber nicht in Ungarn". RTL hat seit der Bekanntgabe der Mediensteuer seine Nachrichten massiv auf Meldungen und Hintergrundberichte über Korruption und die strukturierten Raubzüge seitens der Regierungspartei zugeschnitten, was durchaus Eindruck hinterlassen hat.

 

Entgegen den Behauptungen der Orbán-Freunde, übt die NMHH über das neue Mediengesetz auch direkte, politische Zensur aus, schränkt also die Pressefreiheit auf Basis des Mediengesetzes ein. Dafür wird vor allem der dehnbare Artikel 13 genutzt, der Nachrichtensendungen eine "ausgewogene Berichterstattung" vorschreibt, womit vor allem die neonazistische Jobbik immer wieder Richtigstellungen und ein Verbot der Charakterisierung als rechtsextrem verhinderte. Die Anwendung des Zensurparagraphen führte soweit, dass ein Sender genötigt wurde, bei jeder Erwähnung der Partei Jobbik, deren Position zum Thema einzuholen und in der Sendung zu berücksichtigen, womit die Medienbehörde der Partei praktisch kostenlose Werbezeiten verschaffte. Die aktuelle NMHH-Chefin, Mónika Karas kündigte bei Amtsantritt an, dass die Medien "nationalen Interessen" zu dienen hätten.

Die Mediensteuer erboste auch den regierungsnahen Oligarchen Simicska, der sich einem Übernahmeversuch seiner Mediengruppe (Magyar Nemzet, Hír TV, Class FM, Lánchíd Rádió etc.) durch Orbán-Favoriten gegenübersah. Mehr zu dieser Auseinandersetzung hier.

red.

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