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(c) Pester Lloyd / 51 - 2014   POLITIK   15.12.2014

 

Ungarn verklagt USA: Generalstaatsanwalt ermittelt gegen US-Gesandten

Die Generalstaatsanwaltschaft unter der Leitung des Orbán-Vertrauten Péter Polt hat die von der Chefin des Finanz- und Zollamtes NAV, Ildikó Vida, auf Verlangen von Premier Orbán eingebrachte Anzeige gegen den US-Gesandten André Goodfriend zum Anlass genommen, eigene Ermittlungen wegen "Verleumdung zum persönlichen Schaden" einzuleiten.

Zwischen NAV-Chefin Vida und ihrem Chef, Fidesz-Minister Varga, passt kein Blatt Papier, schon gar kein Fetzen.

Damit wird die persönliche Klage Vidas zum "öffentlichen Interesse" qualifiziert, d.h., der Staat Ungarn springt Vida bei, im Grunde verklagt Ungarn auf eigenem Boden die USA, denn Goodfriend ist zur Zeit deren höchster Repräsentant im Lande. Orbán nimmt die Sache also persönlich. Die Korruptionsvorwürfe gegen Vida bleiben unbehandelt, Ungarn fordert damit eine weitere Reaktion der Amerikaner heraus.

Als offizielle Begründung für den Schritt gab man an, dass der Angriff auf eine so hochgestellte Amtsperson vom Staat untersucht werden müsse, weil sonst die Glaubwürdigkeit und Arbeitsfähigkeit der staatlichen Institutionen untergraben würde. Goodfriend hatte in einer TV-Sendung von persönlicher Involvierung der mit einem US-Einreiseverbot belegten Vida (darin auch alle weiterführenden Links) in Korruption und Amtsmissbrauch gesprochen.

 

Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt dabei jedoch außerhalb internationaler Abkommen, denn Goodfriend unterliegt diplomatischer Immunität. Aufgrund der vertraglichen Verpflichtungen müssten die Ermittlungen deswegen gleich wieder eingestellt werden, das Außenministerium hätte lediglich die Möglichkeit, eine Ausweisung anzuordnen oder die USA um Aufhebung des Diplomatenstatus´ zu bitten. Ein Verfahren in Abwesenheit ist nicht vorgesehen.

Mit dieser Kausalitätsumkehrung bestätigt die ungarische Anklagebehörde die zunehmenden Vorwürfe der Parteilichkeit, denn es wäre - aus öffentlichem Interesse - geboten gewesen, die gegen Vida gerichteten Vorwürfe, die laut Goodfriend "auf persönliche Beteiligung" hinweisen und mit "detaillierten Beweisen an die ungarischen Behörden" untermauert worden sein sollen, zu untersuchen. Ein begründeter Anfangsverdacht lag spätestens damit vor, eigentlich jedoch schon vor über einem Jahr, als Ex-NAV-Inspektor Horváth seine Aufdeckungen vorlegte, in denen deckungsgleiche Fälle geschildert worden sind. Man zog es jedoch vor, Horváth systematisch zu kriminalisieren und ihn als Agenten ausländischer Mächte einzustufen.

Justizministerium und Staatsanwaltschaft verstecken sich hinter der Behauptung, dass es keine Anhaltspunkte und schon gar keine konkreten Indizien oder gar Beweise für die Anschuldigungen gibt. Eine zweiseitige Notiz der US-Botschaft, die im Außenministerium auftauchte, wurde als zu allgemein und von Fidesz als "wertloser Fetzen" kategorisiert, von konkreteren Dokumenten will man bei der Regierung nichts wissen und leugnet ihre Existenz.

 

Der Generalstaatsanwalt hat außerdem eine formale Anfrage an seinen amerikanischen Kollegen gerichtet, und um Auskunft gebeten (allerdings nicht im Rahmen eines Rechtshilfegesuchs), aber keine verwertbare Antwort bekommen, worauf man sich ausruht. Allerdings ist die Beweiserbringung im Zusammenhang mit dem Präsidentendekret über Einreiseverbote gar nicht vorsgehen. Nur eine Visabeantragung seitens Vida würde eine Begründung erbringen, so die Auskunft des US-Gesandten. Diese fand nicht statt. In Summe handelt es sich also um eine ziemlich durchsichtige Charade, die Ungarn als Opfer darstellen soll und dafür zu sorgen hat, dass die Details tatsächlich gar nicht an die Öffentlichkeit kommen können.

Dass eigene Ermittlungen der obersten Staatsanwaltschaft zu nichts führen oder gar nicht erst vorgenommen werden, bzw. die beschuldigten die Möglichkeit erhalten sich durch "interne Ermittlungen" selbst frei zu sprechen, wie es das NAV tat, ist heute Standard bei Verdachtsmomenten gegen Partei- und Staatsstrukturen oder -personen. Nach Meinung von Kritikern und Staatsrechtlern ist damit ein weiteres Merkmal eines "Mafiastaates" erfüllt.

red.

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