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(c) Pester Lloyd / 10 - 2015    WIRTSCHAFT      02.03.2015

 

Fluch oder Segen? Seltene Koalitionen bei TTIP-Debatte in Ungarn

Die derzeit mit den USA und Kanada verhandelten Freihandelsabkommen, TTIP das bekannteste davon, aber auch TISA und CETA, waren vorige Woche Thema einer Parlamentsdebatte in Budapest. Dabei ergab sich eine interessante Koaltion der Willigen zwischen Fidesz und den Parteien der Vorgänger Orbáns, die sich sonst schon aus Prinzip bekämpfen. Die Grünen äußern sehr grundsätzliche Bedenken, werden aber als Verschwörungstheoretiker abgetan.
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Die ungarische Regierung, namentlich Außenwirtschafts- und Außenminister Szijjártó, äußerte, dass die Regierung "nur dann die EU-US-Abkommen unterstützt, wenn sie den nationalen Interessen Ungarns dienen." Diese Maßgabe scheint aber mit wenigen Einschränkungen schnell erreichbar, denn Szijjártó erklärte lediglich, dass sichergestellt sein müsse, dass Ungarn seinen GMO-freien Status behalte und die EU nicht "in Gänze" seine Zuständigkeiten bei der Handelsaufsicht für Mais, Geflügel, Schweine und Rinder aufgibt, - eine Bemerkung, die eher versteht, wer die Interessenslagen der Fidesz-Günstlinge kennt.

 

Szijjártó erklärte weiter, dass Freihandelsvereinbarungen an sich etwas Gutes seien, die EU könne nur "stark bleiben" (laut Orbán ist sie schwach und dem Untergang geweiht?!), wenn sie sich "internationalen Kooperationen nicht verschließt". Die Verhandlungen sollten aber transparent gestaltet werden. Auch sollte die EU darauf achten, nicht "zwischen die Stühle integrierter Freihandelszonen zu geraten", denn die USA versuchten, mit den pazifischen Staaten eine Kooperation zu schmieden, die jene gegenüber der EU bevorzugt.

Sonstige Bedenken führte die Regierung nicht an, vielmehr freut man sich auf von "Experten" behauptete Anstiege in den Handelszbeziehungen zu den USA (15-20%), ein BIP-Plus von jährlich 0,2 bis 0,3 Punkten sowie der Schaffung von 20.000 bis 30.000 Jobs in Ungarn. Diese Zahlen lieferte Ungarns EU-Kommissar Tibor Navracsics, Fidesz und zitierte sie aus einer zugänglichen Studie der EU-Kommission.

Die größten Kritiker von TTIP und Co. in Ungarn sind die Grünen (LMP). Sie bemängeln nicht nur die Geheimniskrämerei bei den Verhandlungen und den undemokratischen Beschlussprozess für ein für die Bürger so wesentliches Vertragswerk. Für sie ist es vor allem die Möglichkeit, dass künftig "off-shore-Gerichte" (also Schiedsgerichte außerhalb der nationalen oder europäischen Rechtsprechung) über Belange "der Umwelt und der Gesundheit der Menschen" in EU-Ländern befinden könnten und das unter dem Label "Investorenschutz" verbergen. "Für kleine Unternehmen im Karpatenbecken" sowie für die Umwelt bedeuteten TTIP ein klares Handicap, während die Multis im Vorteil seien.

 

Während die sozialdemokratische MSZP die Offenlegung von Verhandlungsprotokollen und Studien verlangt und die "widersprüchliche" Haltung der Regierung kritisiert sowie die Einbeziehung von NGO´s und "normalen Bürgern" verlangt, zeigt die sich sonst als soziales Gewissen des Landes verkaufende DK (Ex-Premier Gyurcsány) wieder ihr neoliberales Gesicht. Ihr Vertreter Csaba Molnár sagte, dass die Partei "das TTIP-Abkommen vollständig unterstützt", denn damit würden jährlich 120 Mrd. EUR mehr Wirtschaftswachstum auf den Kontinent kommen. Auch Zsuzsanna Szelényi, als "Unabhängige" für "Együtt" (eine Gründung von Ex-Premier Bajnai) im Parlament, behauptet, TTIP würde "Europa auf einen Wachstumspfad" und "Wohlstand auf den Kontinent" bringen. Jobbik und LMP würden Verschwörungstheorien" verbreiten.

Für die neonazistische Jobbik ist TTIP "der letzte Schritt" des Prozesses, der Ungarns "Unabhängigkeit beendet und das Land zu einer Kolonie" mache. Sollten "multinationale Konzerne" von Staaten "am Profitmachen gehindert werden", könnten sie diese Staaten verklagen. So könnte Ungarn wegen der Weigerung der Einführung gentechnischer veränderter Pflanzen und Lebensmittel verklagt werden. Ungarn würde seine Souveräntität verlieren.

cs.sz.
 

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