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(c) Pester Lloyd / 26 - 2015   WIRTSCHAFT     22.06.2015

 

Gasmafia in Ungarn: Veröffentlichte Dokumente zu MVM-MET-Deals bestätigen Amtsmissbrauch und Untreue

Am Montagmorgen veröffentlichte ein Oppositionsabgeordneter Dokumente, die den bisher größten Raubzug von Günstlingen der Regierungspartei an öffentlichen Geldern belegen. Mehr als eine Viertelmilliarde Euro wurden durch ein schwindelerregendes Konstrukt aus staatlichen und privaten Energiehandelsfirmen abgeleitet. Die Beteiligten stellten das Geschäftsmodell mittlerweile ein, denn schon warten neue, weit größere Herausforderungen...

26met (Andere)
Das “Né” verbirgt Orbáns genialer Kopf. Übrig bleibt das “MET-Land”. Zufall oder ein Freudscher Wink?

In der vergangenen Woche verkündete der Vorstandsvorsitzende der staatlichen Ungarischen Elektrizitätswerke, MVM, seinen Rücktritt. Offiziell ging der 2010 von der Fidesz-Regierung eingesetze Csaba Baji "in gegenseitigem Einvernehmen", die Spatzen pfeifen jedoch von den Dächern, dass er entfernt wurde. Zum Einen galt er als "Simicska-Mann", also als Vertrauter des bei Orbán in Ungnade gefallenen Oligarchen, zum Anderen hat sich die Aufgabenstellung des Unternehmens so verändert, dass der ehemalige Vorstandschef der GDF Suez in Ungarn Fehl am Platze war.

 

Die MVM ist zentrale Drehscheibe der der so konsequenten wie riskanten Verstaatlichungen im ungarischen Energiesektor. Das Unternehmen ist nicht nur Betreiber des AKW Paks, der größten Kohle- und Gaskraftwerke, Erdgaslagerstätten und Pipelines, sondern kaufte - auf höchste Order - in den vergangenen Jahren Stück um Stück auch die Gashandelstöchter der westlichen Multis auf, um den Weg für den staatlichen "Non-Profit"-Anbieter ENKSZ zu bereiten.

Für die Umsetzung dieses Quasi-Einzelhandelsmonopols im Energiesektor braucht MVM keinen Energiespezialisten, sondern einen Politiker an der Spitze. Vor allem auch, weil es gilt, das seit vier Jahren bewährte Geschäftsmodell im "grauen" Gasmarkt zu sichern, das einschlägigen Fidesz-Netzwerken beachtliche Profite einbrachte. Deren Strukturen reichen sehr, sehr nah an Orbán heran und beruhen auf der Gewährung exklusiver Kaufverträge, Pipelinezugänge und Lagerkapazitäten (erteilt durch das Entwicklungsministerium) für Lieferanten, die Erdgas billiger anbieten als es auf dem Weltmarkt bzw. bei Gazprom eigentlich kostet. Dieses Gas strömte übrigens aus Österreich nach Ungarn, auch dort wurde also mitverdient.

Die Differenz führte jedoch nicht zu günstigeren Preisen für die Kunden oder einem höheren Gewinn des Staatsbetriebes, sondern wurde über den protektionierten Partner MET in off-shore-Gefilde abgeleitet. Eigner von MET sind u.a. die teilstaatliche MOL, Ex-MVM-Manager, einschlägige ungarische Geschäftsleute, u.a. Orbán-Spezi Garancsi mit 10%, aber auch russische Geschäftsleute sowie der EX-MOL-INA-Manager Benjámin Lakatos, der ebenfalls als Orbán-nah gilt. Ob und in welchem Maße Orbán von dem Deal profitiert, ist praktisch unmöglich nachzuweisen. Garancsi wird als sein Strohmann behauptet, freilich nicht verifizierbar, wenn auch sehr wahrscheinlich. Orbáns gehäufte "Privataufenthalte" in der Schweiz, dem Sitz der MET-Holding, die er teilweise inkognito im Nachtzug bereiste, sind Indizien, mehr allerdings nicht.

Diese Geschäftspraktiken und die teuren Erwerbungen brachte das bis dato profitable Unternehmen MVM im vergangenen Jahr erstmals in die roten Zahlen, es musste also bezuschusst werden, was nun als zusätzliche Argument für die Ruhigstellung Bajis angeführt wird.

Linke und liberale Oppositionsparteien bemühten sich seit über zwei Jahren, das MVM-MET-Geschäftsgebahren anhand der Verträge öffentlich zu machen, um diesen "Jahrhundertschwindel" belegen zu können. Im März verdonnerte ein Gericht die MVM bzw. deren Handelstochter MVMP, die sich auf "Geschäftsgeheimnisse" zurückzog, letztinstanzlich, die Dokumente, zumindest teilweise offenzulegen, ein Gebot des Gesetzes zur Informationsfreiheit - auch wenn es eingeschränkt ist.
Dennoch schob man die Herausgabe weiter auf.

26gazlopas (Andere)
Titelthema auf der Webseite der oppositionellen MSZP: Der große Gasraub. Ein dankbares Thema für die themenarmen “Sozialisten”, die sich 2010 selbst durch Korruption und Amtsmissbrauch, Lügen und Stümperei (bis heite) aus dem Rennen nahmen. Es schwingt also auch heimliche Bewunderung mit, wie systematisch, abgesichert und dreist die Nachfolger operieren...

Doch erst seit heute Morgen, auf Initiative eines MSZP-Abgeordneten, sind die Dokumente einsehbar. Eigentlich sollten sie Verschlussache für Abgeordnete bleiben. Fein säuberlich sind unter der Überschrift: "Geheimnisse der Energiepreissenkungen" die Geschäftszahlen und Vertragsklauseln der MVM(P)-MET-Deals ablesbar bzw. herleitbar https://rezsicsokkentes.wordpress.com/  Auf der Webseite der MSZP sind die Dokumente auch in Gänze zum Herunterladen bereit gestellt.

Sie bestätigen die bereits Anfang des Jahres durch investigative Journalisten zu Tage geförderten Strukturen und Summen (Alle Details, verständlich aufbereitet in:
MET - Die Gelddruckmaschine eines Mafia-Staates), die Tatbestände von Amtsmissbrauch bis Untreue am Rande des Landesverrats erfüllen. Allein 2012/2013 entzogen die - gesetzlich und amtlich gestützten - Preisspielereien der öffentlichen Hand Gelder in Höhe von mindestens 250 Mio. EUR, 2011 waren es rund 35 Mio. EUR. Von der Größenordnung ist das nur noch vergleichbar mit dem Diesel-Heizöl-Skandal der 90er Jahre, der in einem finsteren Mafiakrieg endete. Heute läuft alles "zivilisierter" ab.

Im vergangenen Jahr lief das Geschäftsmodell aus, weil Russland die Preise anpasste und alternative Gasrouten entstanden, vor allem aber, weil bei der EU
wettbewerbsrechtlicher Staub aufwirbelte und Untersuchungen auslöste. Worum es den Playern nun gehen wird, ist die Sache klein und möglichst unter dem Tisch zu halten, damit der "Verdienst" auch genossen werden kann. Die MET hat sich mittlerweile andere Geschäftsfelder - auch außerhalb Ungarns - gesucht, Kraftwerke aufgekauft und ist mit der Magyar Telekom, Tochter der teilstaatlichen Deutsche Telekom, eine Kooperation eingegangen.

 

Außerdem scheint es für die durchaus lernfähige Fidesz-Mafia nicht geboten, auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen, denn immerhin beginnt mit dem Ausbau des AKW Paks II und der "Verwertung" des 10 Mrd. EUR-Kredits aus Moskau ein neues Kapitel, gegen das sich die MVM-MET-Geschichte wie ein Sandkastenspiel ausnimmt. Das System ist dasselbe, die Russen liefern die "Ressourcen", halten den Mund und kassieren mit. Ausführung ist Sache der Ungarn. Beim Paks hat man dafür gesorgt, dass kein vorwitziger Abgeordneter oder rechtsstaatlich resversuchte Gerichte vor der Zeit Dokumente offenlegen können.

Vorsorglich hat man das Volk schon einmal darauf vorbereitet, dass die im Wahljahr forcierte Preissenkungen bei der Energie
womöglich nicht dauerhaft sein könnten. Natürlich ist das Schuld der EU und der gierigen Multis...

red.

 


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