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(c) Pester Lloyd / 07 - 2017    GESELLSCHAFT      19.02.2017

Eine Demütigung für Orbán: Olympia 2024 in Budapest vor dem Aus

UPDATE 22.02., 22:34 Uhr: Orbán zieht Notbremse: Ungarn beerdigt Pläne für Olympia 2024 in Budapest

Die Absage von Olympia 2024 ist so gut wie sicher: sie muss aber wie ein Sieg Orbáns aussehen... - Was der ungarische Potentat in seinem Machtselbstverständnis überhaupt nicht gebrauchen kann, ist eine Bürgerbewegung, die eines seiner Prestige-Projekte in Fragte stellt und damit demonstriert, dass das Volk irgendeinen opponierenden Einfluss auf seine Politik haben könnte. Schon gar nicht ein Jahr vor den anstehenden Wahlen. Ungarns Zivilgesellschaft wird dafür sehr teuer bezahlen...

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266.151 Mittelfinger gegen Orbáns Olympia-Traum. Dafür wird Budapest, wird die Zivilgesellschaft in Ungarn sehr teuer bezahlen müssen... - generalpräventiv.

Daher stellt allein die Übergabe von 266.000 Überschriften der NOlimpia-Bewegung in Budapest, die immerhin rund 20% der hauptstädtischen Wahlberechtigten repräsentieren, eine politische Herausforderung - ähnlich den Demos gegen die Internetsteuer - dar, die Aktionen erfordert, die klar stellen, wer im Lande das Heft des Handlens in Händen hält. Für Orbán ist das eine Art Generalprävention.

Noch am Freitag traf sich Orbán deshalb mit Budapests Oberbürgermeister Tarlós, ebenfalls Fidesz, der bereits angekündigt hatte, dass - sollten "die Budapester so gegen Olympia sein", er durchaus einen Antrag in die Stadtverwaltung einbringen könnte, um die Sache abzusagen. Gleichzeitig nannte er die Opposition "Verräter", schließlich seien zuvor viele selbst für Olympia gewesen und nun nur dagegen, weil die Regierungspartei dafür ist.

Orbán bremste Tarlós ein wenig ab, er will am Mittwoch - nach einer Kabinettssitzung - entscheiden, wie es weitergehen soll. Er wird abwägen müssen, ob die Aussicht auf die intransparente Verteilung von Milliarden von Euro für eine Olympia-Ausrichtung verlockend genug sind, dafür das Risiko einer riesigen Oppositionsbewegung in Kauf zu nehmen, die sich um bald mehr Dinge als Olympia kümmern und entsprechend destruktive Fahrt aufnehmen könnte.

 

Die Gruppe nennt sich ja nicht von ungefähr: Momentum und hatte bereits erklärt, sich als Oppositionspartei für die Wahlen 2018 formieren zu wollen.

Optionen, die Bewegung technisch zu stoppen hat er genug. Ein Wink an die Wahlkommission und es würde Monate dauern, bis die Anzahl der Unterschriften rechtlich bestätigt ist, danach könnte man der Fragestellung für ein Referendum so lange Steine in den Weg legen, bis es zu spät ist, denn bereits am 11. September findet in Lima der IOC-Kongress statt, auf dem der Ausrichter bekannt gegeben wird.

In den USA frohlockt man bereits, dass "die USA einer erneuten Ausrichtung der Spiele einen Schritt näher gekommen sei" und man nun "nur noch Face to Face Paris gegenüber stehe", so USA-Today heute. Rom und Hamburg sind durch Bürgermeister- bzw. Bürgerentscheide bereits vorher ausgestiegen, die Menschen dort äußerten ähnliche Zweifel wie die Budapester: zu teuer, zu korrupt, zu sinnlos, zu unberechenbar. Paris ist dabei, weil man vor den richtungsweisenden Wahlen andere Sorgen hat als eine Anti-Olympia-Bewegung anzuschieben und den Amis kann man ja offenbar alles verkaufen...

Orbán wird so entscheiden wie es seinen Interessen entspricht, sollte er Olympia kippen, wird er sich als lupenreinen Demokraten präsentieren, der "den Volkswillen" vertritt, wie er es immer behaupte. sei es gegen die EU oder gegen Flüchtlinge, wo man den Volkswillen nach seinem Willen formt, - nun eben gegen Olympia. Da muss man ihn einmal auch gegen den eigenen Willen hinnehmen, damit die Ordnung erhalten bleibt.

Nichts wäre schlimmer, wenn Olympia stattfindet, er und sein Fidesz bis dahin aber abgewählt würden. Ebenso peinlich und sehr wahrscheinlich: Sollte er die Bewerbung gegen den Willen der Budapester durchziehen, um dann in Lima zu erfahren, dass er den Zuschlag nicht erhält.

Seine Günstlinge werden den Verlust verschmerzen müssen und können, immerhin haben sie das Land längst unter sich aufgeteilt und halten sich an EU-Mitteln und Steuergeldern schadlos, mit dem
AKW Paks startet ohnehin bald ein weiteres 12-Milliarden-Euro Projekt mit entsprechendem Umwegrentabilitätspotential...

Die mit der Berwerbung beauftragte und
fürstlich ausgestattete staatliche Budapest 2024 Nonprofit Zrt. hat bereits - vorfläufig - seine Aktivitäten suspendiert, "bis Klarheit herrscht wie es weitergeht". Die Olympia-Botschafter von Ex-Ministern, über einen Habsburger bis zum Zwack-Eigner sind auf Tauchstation.

Alle Auftragsvergaben, Werbeverträge wurden umgehend eingefroren, denn "ohne die einhellige Unterstützung durch Politik und Gesellschaft sowie die Stadt Budapest, habe man ohnehin keine Chance, das IOC zu überzeugen." Natürlich, das IOC duldet zwar jede korrupte Schweinerei im Umfeld der Olympischen Spiele - will aber wenigstens fröhliche Menschen und schöne Bilder. Olympia in Budapest 2024 könnte indes ziemlich hässlich werden...

 

Offiziell müsste die - vollständig Fidesz-kontrollierte - Wahlkommission binnen 45 Tagen feststellen, ob ausreichend gültige Unterschriften gesammelt wurden, - es sieht aber so aus als ob man sich das Auszählen sparen könne, wenn Orbán Mitte der Woche den Daumen senkt.

Die Frage ist nur noch das "Wie?" - Denn natürlich sieht Ungarn eine Absage als eine persönliche Niederlage Orbáns, was immer er ausposaunen lässt.

Er braucht also Ablenkung, neue Feinde, Schlachten und Opfermythen, um von dieser Demütigung (denn nur als solches sieht Orbán den Vorgang) abzulenken. Die Flüchtlinge, die "Soros"-NGO´s, die EU sowieso werden dafür herhalten, - Ungarn und das zarte Pflänzchen Zivilgesellschaft wird teuer für diese Unbotmäßigkeit gegenüber dem Großen Vorsitzenden bezahlen, dem man so sozusagen den repräsentativen und monetären Höhepunkt seiner Herrschaft versaut hat. Das steht einmal fest. Die Anti-NGO-Gesetze liegen schon in der Schublade...

red.


46pllogo (Andere)
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