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(c) Pester Lloyd / 41 - 2017      GESELLSCHAFT       09.10.2017

"Wir Ungarn sind eben so": Orbán begrüßt Gewalt gegen Flüchtlinge

Im kleinen Dorf Őcsény im südlichen Komitat Tolna konnte die Welt vor einigen Tagen erleben, was Orbán aus seinem Land und seinen Bürger gemacht hat. Hier sollten in einer Pension einige Flüchtlingskinder mit ihren Müttern, bereits mit anerkanntem Asylstatus, ein paar unbeschwerte Tage verbringen, privat finanziert. Wohlgemerkt: Kinder. Der Mob wurde gewalttätig und erhielt noch Zuspruch vom Regierungschef.

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Die braven Bürger von Öcsény zelebrieren ihre traditionellen Werte... MTI

Was sich abspielte, als diese Nachricht das Dorf über die kleinen Besucher erreichte, ist so beschämend wie bezeichnend: Auf einer Einwohnerversammlung, bei der fast jeder Dritte Bewohner der 2.000-Bürger-Gemeinde teilnahm kam es zu Schreiduellen und zunächst verbalen Angriffen auf den Besitzer des Gästehauses Zoltán Fenyvesi, der den Urlaub zusammen mit der NGO Migration Aid organisierte. Geplant waren vor allem Entspannung und ein paar Ausflüge in die Umgebung. 

Fenyvesi kam nicht zu Wort, er wurde niedergeschrien. Am gleichen Abend wurde die Scheibe seines Wagens eingeworfen und die Reifen zerstochen. Er bekam Briefe mit Morddrohungen, die sich auch gegen die Besucher richteten. Bürgermeister János Fülöp ist aus Todesangst zurückgetreten. Er resümierte die Versammlung enttäuscht. Die Teilnehmer hätten gebrüllt "diese Einwanderer sind Tiere, das sind keine Menschen, sie sind Terroristen, sie werden alles zerstören und unsere Kinder vergewaltigen", fasst er die heftigsten Wortmeldungen zusammen.

Dabei gäbe es in seinem Dorf "auch richtige Probleme", so Fülöp. "Die Post und die letzte Bankfiliale wurden geschlossen. Wir haben keinen Arzt mehr hier und Feuerholz ist auch keines da.", doch "die Leute reden heute nur noch über illegale Einwanderer". Fülöp war elf Jahre Bürgermeister und ist fassungslos. "Die sind doch nicht alle kriminell oder islamische Fanatiker. Die sind doch vom ungarischen Staat anerkannt und untersucht worden." 

In Presseartikeln versuchten sich die "besorgten Bürger" zu verteidigen und behaupteten, sie wollten nicht glauben, dass "diese Leute nur für ein paar Tage herkommen" und außerdem "könnten sie Krankheiten einschleppen". Einige wollten Interviews mit anderen Bürgern verhindern, "die arbeiten doch alle für Soros, das weiß man doch" und auch "dieser Fenyvesi (Pensions-Besitzer) ist so ein Soros-Agent." Dann ließen sie eine Petition kreisen, die "ein für alle mal den Aufenthalt von Flüchtlingen in Őcsény untersagt."

Fenyvesi ist entsetzt und ratlos. Er habe hier schon arme Zigeuner-Kinder untergebracht, warum nicht auch Flüchtlingskinder. "Sie sagten mir, sie würden mir den Kopf abtrennen." erzählt er gegenüber 444.hu. Was sie mit seinem Auto machten, nennt er "Terror". Er entschied, die Sache abzublasen als er "die Angst in den Augen der Mütter" sah.

Doch hier endet die Geschichte nicht. Eigentlich fängt sie hier erst an verständlich zu werden. Denn einige Tage nach diesen Ereignissen, am 2. Oktober, ergriff Orbán öffentlich Partei für die Dorfbewohner. Auf die Frage eines Journalisten, wieso die Einwohner so radikal auf Kinder reagieren, denen vom Staat Asyl gewährt wurde, verzog Orbán keine Miene und antwortete: “Ich kann daran nichts Falsches finden. Die Menschen wollen keine Einwanderer. Sie wollen sie nicht in ihrem Land und nicht in ihrem Dorf. Sie sind so oft belogen worden, dass sie nicht glaubten, dass nur Kinder kommen würden. Die ungarischen Menschen lieben Kinder und sie sind auch bereit, Hilfesuchenden beizustehen. Aber sie wurden so oft belogen, dass sie sich gesagt haben: am Anfang kommen nur Kinder, doch dann auch ihre Eltern..."

 

Ein 444.hu-Reporter fragte Orbáns Kabinettschef Lázár auf einer Pressekonferenz, ob die fremdenfeindliche Regierungspropaganda vielleicht etwas mit den Vorfällen in Őcsény zu tun haben könnte. "Ach nein", so Lázár, "Meiner Meinung nach nicht. Ich denke, die ungarische Gesellschaft ist einfach so."

Ähnliches wie in Őcsény geschah im Vormonat auch in Esztergályhorváti, auch dort hat der "Volkszorn" einen Aufenthalt von anerkannten Flüchtlingen verhindert. Die Vorgänge erinnern fatal an die Selbstjustiz gegenüber Roma in
Gyöngyöspata 2011, die Märsche der "Garden" und dem sich anschließenden Serienmord an Roma 2008/09, sie erinnern, zumindest vom Mechanismus der Aufstachelung auch an antijüdische Pogrome aus Ungarns Geschichte. Der Sündenbock ist nur ausgetauscht. Heute sind es Flüchtlinge.

Als Orbán eine Internetsteuer einführen wollte, gingen 100.000 Menschen auf die Straße, für die CEU-Uni noch 80.000, für Menschenrechte schon weniger, kaum noch einer für die Demokratie. Und für die Flüchtlingskinder von Őcsény?

red.


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