Ein unabhängiger Parlamentarier, der der Macht trotzt: Wie Ákos Hadházy zum Symbol des Antikorruptionskampfes in Ungarn wurde.
Ákos Hadházy ist vieles: Tierarzt, Ex-Fidesz-Mitglied, Whistleblower, Parteigründer, Einzelkämpfer im Parlament. Vor allem aber ist er seit mehr als einem Jahrzehnt eine der markantesten Figuren des politischen Widerstands in Ungarn. Als einer der ersten Insider, der öffentlich über den systematischen Machtmissbrauch unter Viktor Orbán sprach, gilt er heute als moralisches Gewissen der Opposition – mit einem Preis, den nur wenige bereit wären zu zahlen.
Zuletzt macht er durch wöchentliche Besetzungen der Erzsébet-Brücke in Budapest der Regierung Druck.
Vom Tierarzt zum Kommunalpolitiker
Geboren 1974 in Debrecen in eine calvinistische Familie, studierte Hadházy Veterinärmedizin in Budapest, mit Forschungsaufenthalten in Gießen. Seit 2009 betreibt er eine Tierklinik in Szekszárd. 2004 trat er der Fidesz-Partei bei, 2006 wurde er Kommunalpolitiker. Doch seine Loyalität endete 2013 abrupt, als er öffentlich enthüllte, dass Tabakverkaufsrechte in Szekszárd parteipolitisch vergeben wurden – ein Skandal, der als „Trafikmutyi“ in die ungarische Politikgeschichte einging.
„Ich konnte nicht länger mit gutem Gewissen Teil dieses Systems sein“, erklärte er gegenüber HVG.
Aufbruch mit der LMP und Kampf gegen die Korruption
Nach dem Bruch mit Fidesz schloss sich Hadházy der grünen Partei Lehet Más a Politika (LMP) an, wurde später deren Co-Vorsitzender. Mit seinem Portal korrupcioinfo.hu und wöchentlichen Pressekonferenzen deckte er unermüdlich Fälle von Filz, Missbrauch von EU-Geldern und Vetternwirtschaft auf – oft mit solider Beweislage.
Sein politisches Mandat ab 2016 nutzte er weniger für Parlamentsreden als für investigativen Aktivismus: Ein Abgeordneter als Rechercheur. Seine kompromisslose Haltung machte ihn parteiintern zur Reizfigur – 2018 verließ er die LMP nach innerparteilichen Konflikten und sogar einem tätlichen Angriff durch einen Parteikollegen.
Unabhängig, unbequem, unaufhaltsam
Im Jahr 2022 trat Hadházy als gemeinsamer Kandidat der Opposition im 8. Budapester Wahlbezirk an – und gewann mit über 54 % der Stimmen, obwohl Fidesz landesweit erneut die absolute Mehrheit errang. Ein politisches Zeichen: Die urbane, kritische Bevölkerung vertraut ihm weiterhin.
Doch Hadházy verweigerte demonstrativ seine Vereidigung im neuen Parlament. Seine Begründung: „Dieses Parlament ist das Produkt eines unfreien Wahlsystems.“ Die Regierungsmehrheit antwortete prompt mit einem Gesetzesvorschlag, der als „Lex Hadházy“ bekannt wurde – Abgeordnete, die den Eid nicht rechtzeitig ablegen, sollen künftig ihr Mandat verlieren.
Politik mit Stil
Ákos Hadházy steht für einen Politikstil, der in Ungarn Seltenheitswert hat: aufrichtig, faktenbasiert, institutionenkritisch – ohne parteipolitisches Kalkül. Er sucht nicht die Macht, sondern die Wahrheit. Und genau das macht ihn gefährlich für das bestehende System.
Er ist keiner, der sich einfügt. Keiner, der Rücksicht auf Parteiräson nimmt. Er ist – wie einst Václav Havel – ein Dissident im Parlament.
Hadházys politisches Wirken ist ein Stachel im Fleisch der ungarischen Machtelite. Seine Standhaftigkeit mag ihn Freunde gekostet haben, doch sie verschafft ihm Glaubwürdigkeit in einer politischen Landschaft, in der diese oft Mangelware ist.
Steckbrief: Ákos Hadházy | Info |
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Geboren | 4. März 1974, Debrecen |
Beruf | Tierarzt, spezialisiert auf Onkologie |
Partei | Fidesz (bis 2013), LMP (2014–2018), seitdem parteilos |
Mandat | Abgeordneter für Budapest VIII. Wahlbezirk |
Familie | Verheiratet, vier Kinder |
Bekannt durch | Aufdeckung des „Trafikmutyi“-Skandals |
Zitate:
„Die Korruption ist kein Nebeneffekt, sie ist das System.“
„Wer schweigt, macht sich mitschuldig.“
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