(c) Pester Lloyd / 28 - 2009 POLITIK 12.07.2009 _______________________________________________________
Retkes, der Retter?
Ungarns Liberale haben einen neuen Vorsitzenden, der provoziert gleich einen Machtkampf mit Fraktionschef Koka
Attila Retkes ist, wie erwartet, der neue Parteivorsitzende der ungarischen
Liberalen, SZDSZ. Auf dem Parteitag am Sonntag erhielt er auf Anhieb 228 Stimmen der 448 Delegierten und somit die erforderliche absolute Mehrheit. Seine
Gegenkandidaten Badacsonyi und Weinek erhielten 106 und 72 Stimmen. Retkes hat nun die Aufgabe, das parlamentarische und letztlich politische Überleben der einstigen Wendepartei sicher zu stellen.
Auf der Versammlung wurd zudem der gesamte Vorstand der Partei neu gewählt.
In einer ersten Rede verhielt sich Retkes demütig bis unterwürfig gegenüber den Wählern, räumte eine Reihe von Versäumnissen ein und entschuldigte sich für die
zum Teil hochmütige Art mancher liberaler Führer.
Koka hat nichts von Rücktritt gesagt
Die Partei ist intern zerstritten und liegt,
durch ihre lange Koalition mit den Sozialisten, in Umfragen derzeit bei vernichtenden 2%. Eine seiner ersten Amtshandlungen wird daher die Ernennung eines neuen Fraktionschefs sein. Der
bisherige Ex-Wirtschaftsminister János Koka hat besonders zur Flügelbildung in der Partei beigetragen.
Der will aber gar nicht zurücktreten und
erklärte noch am Sonntag: "die Fraktion ist derzeit die einzige funktionierende Institution der Partei." Das Management der Krise dürfte nicht durch Personalien
behindert werden. Retkes konterte, dass sich die Fraktion zu einem "Staat im Staate" entwickelt habe, die "irreparablen Schaden für die Partei" angerichtet
hat. Wie auch immer der Machtkampf am Ende ausgeht, formal sitzt natürlich der Parteichef am längeren Hebel, beschädigen kann ein solches internes Scharmützel den Neuen allemal.
Die Wahl des 36jährigen Musikwissenschaftlers und Kulturpolitikers Attila Retkes
bedeutet einen moderaten Richtungswechsel des sonst eher linksliberalen SZDSZ hin zur nationalen Mitte. Schon im Vorfeld rief er den "Nationalliberalismus" des
19. Jahrhunderts eines József Eötvös und Ferenc Deák (der Helden des “Ausgleichs” mit Österreich) als Grundprinzip des Handelns einer liberalen Partei
im 21. Jahrhundert an. Er weiß, dass man in Ungarn nicht ohne patriotische Gesinnung, große Namen und den Hinweis auf das ruhmreiche Ungarntum
wahrgenommen werden wird. Also wieder ein Trick? Retkes rief weiter dazu auf, "eine patriotische Partei zu werden, die auch die Interessen der Ungarn hinter
den Grenzen", vertritt. Das war ein Gruß an die Konservativen. Noch etwas schwammig umreisst Retkes das Bild der neuen Liberalen Ungarns: "Die neuen
Freien Demokraten werden eine Partei für Menschen sein, die unbhängig, verantwortlich, freiheitsliebend sind und Verantwortung für ihre Familien, sich
selbst und ihre Umwelt handeln." Extremsiten haben keinen Platz, dagegen aufrichtige Demokraten.
Es ist durchaus möglich, dass der Neue bei den Liberalen bald einen Coup landet
und die Kooperation mit den Sozialisten beenden wird. Allerdings könnte das auch den Niedergang seiner Partei beschleunigen. Stimmt man für Neuwahlen, ist man
schneller aus dem Parlament, tut man es nicht, bleibt man der MSZP-Appendix, der man nicht mehr sein wollte. Da beißt sich die liberale Katze kräftig in den Schwanz.
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(c) Pester Lloyd
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