(c) Pester Lloyd / 14 - 2011
POLITIK 04.04.2011
KOMMENTARE
Am Scheideweg
Europäische Grüne trafen sich in Budapest
Die Welt nach Fukushima - das war das zentrale Thema der europäischen Grünen, die sich zu einem Treffen ihrer Fraktion im EU-Parlament am Wochenende in Budapest
eingefunden haben. Doch auch die Entwicklungen in Ungarn kamen bei dem Treffen zur Sprache, Kritik am Mediengesetz und an autoritären Tendenzen der neuen
Verfassung wurde laut, Daniel Cohn-Bendit wandte sich in einer persönlichen Ansprache direkt an Viktor Orbán und forderte ihn zur Umkehr auf den Weg der Demokratie auf.
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Die Ereginisse in Japan sind der Wendepunkt in der Atom- und Umweltpolitik, ebenso wie
es 9/11 für die Sicherheitspolitik war. Zu diesem Schluss kamen rund 300 Grüne, die sich am Wochenende in Budapest trafen. Die Antwort auf das Desaster in Japan könne nur die
Wende hin zu einer grünen Energiepolitik. Als Gastredner trat auch ein ungarisches Regierungsmitglied vor die Versammlung, Péter Olajós, Vizestaatssekretär im Ministerium
für Nationale Entwicklung, von dem auch der 9/11-Vergleich stammte. Er sieht indes eher im Erdgas die Zukunft, das nun eine "Renaissance" erlebe und behauptete, dass die
Entwicklung der "grünen Energie" ein wichtiger Punkt auf der Agenda der Regierung sei, - was nur insofern stimmt, solange sie nicht die Kreise der Atomindustrie stört, die in
Ungarn absolute Priorität behält. Olajós wies zurecht, aber zu unrecht entschuldigend auf die hohe Energieabhängigkeit des Landes von russichem Gas hin. Bis 2020 sollen im "grünen
Sektor" 200.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, behauptet der Politiker.
Mehr Aktuelles zur ungarischen Atom- und Energiepolitik und der Lage der Erneuerbaren in diesem Beitrag
Benedek Javor von der ungarischen grün-liberalen Partei LMP ("Politik kann anders sein"),
die mit 7,5% den Einzug ins Parlament schaffte, meint, bis 2050 könnte man in Ungarn den Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtproduktion auf bis zu 80% erhöhen.
Rebecca Harms, erinnerte die ungarische Regierung bei der Gelegenheit daran, dass der Störfall im AKW Paks von 2003 (Stufe 3 auf der siebenstufigen INES-Skala) noch nicht
vergessen ist und ein "Warnzeichen" für Mitteleuropa gewesen ist. Auch Mitglieder ungarischer NGO´s nannten die ungarischen Pläne zum weiteren Ausbau von Paks "nicht
zeitgemäß".
Die Grünen übten weiter Kritik am ungarischen Mediengesetz und möchten sich nicht mit der Einigung zwischen Regierung und EU-Kommission abspeisen lassen. Nach wie vor sei
das Gesetz nicht mit den Regeln der Demokratie vereinbar, sagte wiederum Rebecca Harms, Fraktionsvize der europäischen Grünen. Weiterhin bereite der Entwurf zur neuen Verfassung Sorgen. "Wie groß auch immer der Wahlerfolg des Fidesz war, die Partei sollte
dennoch nicht glauben, dass sie nun eine Verfassung allein nach den eigenen Vorstellungen und Werten schaffen kann." In der derzeitigen Form stellt die Verfassung jedenfalls einen
demokratischen Rückschritt dar. Ungarn befindet sich an an einem Scheideweg, so auch das Motto der Veranstaltung. Besonders persönlich erklärte sich Daniel Cohn-Bendit zum
"Stand der Demokratie in Ungarn". In seiner Rede wandte er sich direkt an Viktor Orbán, auch die Ereignisse in Gyöngyöspata spielten eine Rolle darin. Ein sehenswertes Stück:
Erste Reaktionen auf die unerbetenen Einmischungen von ausländischen "Gutmenschen"
gibt es bereits, während die rechten Blogs und einflussreichen Hasswebseiten Cohn-Bendit als Pädohpilen darstellen, sprach Parlamentspräsident Kövér von einer "Hysterie" gegen das
Mediengesetz und gegenüber Ungarn, ein Begriff, dessen sich die Verteidiger der Orbán-Administration - wie abgesprochen - häufiger bedienen.
red.
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