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(c) Pester Lloyd / 18 - 2011  POLITIK 02.05.2011

 

Sozialisten stehen im Regen

Maiaufmärsche von Parteien und Gewerkschaften in Ungarn

„Weg mit Orbáns Regime“, so lautete die Kernaussage bei der gestrigen politischen Demonstration der Ungarischen Sozialistischen Partei, MSZP, zum 1. Mai. In strömendem Regen versammelten sich rund 2.000 MSZP-Anhänger im Stadtwäldchen. Die Gewerkschafter wurden konkreter und bemängeln die Beschneidung von Arbeitnehmerrechten.

"Alle Demokraten Ungarns" sollten zusammenarbeiten, um „das despotische Regime Viktor Orbáns zu stürzen“; ein Regime, „das sich durch Aussichtslosigkeit und Unfähigkeit zu regieren kennzeichnet“, sagte Parteichef Attila Mesterházy. “Weg mit dem Orbán-Regime!” rief er den geschätzt 2000 Anhängern zu, die sich trotz strömenden Regens ins Stadtwäldchen aufgemacht hatten.

MSZP mit partiellem Realitätsverlust

Ein besonderes Highlight in seiner Rede war die völlig realitätsferne Ansage, dass die Linke vor einem Jahr den Wahlgewinnern ein Land übergeben habe, das „fit“ war, um die Wirtschaftskrise zu überstehen. „Auf internationaler Ebene hatte sich Ungarn ein gutes Renommée aufgebaut und als stabile Ökonomie erwiesen." Heute dagegen protestieren tausende Ungarn für den Schutz von Grundrechten, Pressefreiheit, ihre Renten.

Mesterházy sagte weiter, dass Orbán die Wahlen vom letzten Jahr, zwar als "Revolution" darstellt, in Wirklichkeit aber "Millionen zu den Verlierern" gehören und nur ein paar Zehntausend sich zu den Gewinnern zählen könnten. Nach dem Regierungswechsel sei der Forint verfallen, Arbeitsplätze sind abgebaut worden und man habe im ersten das Quartal schon das Defizitziel des Gesamtjahres überschritten, während Hunderttausende wegen "eines unfairen Steuersystems" mit weniger Einkommen auskommen müssten als zuvor, so die Analyse des Parteichefs, die eine Menge Wahrheit enthielte, wenn sie um die Mitwirkung der Sozialisten an dieser Situation erweitert würde. Stattdessen kündigte Mesterházy an, nicht zuzulassen, dass "Ungarn das Armenhaus Europas" werde.

Sekunden der Selbstkritik

Am Rande versuchte sich Mesterházy mit etwas Selbstkritik, man habe auch Fehler gemacht. Diese führte er aber nicht auf Strukturfehler oder gar eine grundsätzlich verfehlte Politik zurück, sondern putze seine Partei an Einzelpersonen ab, die mittlerweile "entfernt" seien. Dazu lächelte Premier Gyurcsány, der eigentlich mächtige Mann und gleichzeitig potentielle Spaltpilz in der MSZP milde vom Rande der Bühne. Dennoch - und schon war es vorbei mit der Sekunde der Selbstkritik - gäbe es zur Zusammenarbeit der gesamten demokratischen Opposition keine Alternative, um Orbáns Regierung abzulösen.

Aktuelle Umfragen verdeutlichen, dass es den Sozialisten nicht im geringsten gelingt, verlorenen Boden bei der Wählergunst wieder gut zu machen. Zwar nimmt der Rückhalt für die Regierungspartei minimal ab, das aber nur zu Gunsten der Nichtwähler bzw. Unentschlossenen.

Selbstentsorgung - Feb 2011
Was macht eigentlich die ungarische Opposition?
http://www.pesterlloyd.net/2011_05/05opposition/05opposition.html

Der Pferdefuß der Demokraten - Feb 2011
Gyurcsány will schon "wieder" Ungarn retten
http://www.pesterlloyd.net/2011_08/08gyurcsanyRede/08gyurcsanyrede.html

Vereinte und getrennte Gewerkschaften

Zum ersten Mai versammelten sich neben der sozialistischen Partei traditionell auch die Gewerkschaften des Landes zu ihren Maiaufmärschen. Im Stadtwäldchen hielt der unabhängige LIGA-Dachverband ein Meeting ab. LIGA-Chef István Gaskó kritisierte die "Verschlechterung" der Arbeitnehmerrechte durch Maßnahmen der Regierung. Er mahnte an, dass es z.B. beim Streikrecht dringend Nachbesserungen bedarf. Es könne nicht sein, dass Provinzgerichte bereits zum dritten Mal berechtigte Arbeitskämpfe beim Busbetrieb Volán unterbunden haben.

Auch die Anhebung der gesetzlichen Probezeit von 3 auf 6 Monate bringe die Arbeitnehmer in eine schlechtere Position und befördere Kündigungen, auch die Abgeltung von Überstunden durch Freizeit statt Mehrgehalt sieht Gaskó als negativ. Außerdem gäbe es "sehr schlechte Anzeichen" für weitere Änderungen im Arbeitsrecht. Er bevorzuge das Gespräch mit der Regierung, führe das zu nichts, werde man sich "wieder anderer Methoden bedienen". (Interessante Hintergründe zu dem kürzlichen Vier-Augen-Gespräch von Gaskó und Premier Orbán finden Sie in diesem Beitrag.)

Zwanizg verschiedene Teilgewerkschaften organsierten am Sonntag einen Aufmarsch in der südungarischen Stadt Pécs. Federführend dabei war die Lehrergewerkschaft PDSZ, die durch eine geplante Anhöhung der Wochenstunden für Lehrer um bis zu 30% derzeit besonders alarmiert ist. Deren Chefin Erzsébet Nagy sagte, dass man sich die "blutsaugenden Maßnahmen der Regierung nicht gefallen lassen wird." und man daher heute die Einigkeit der Gewerkschaften demonstrieren wollte.

 

Nagy ging im Gegensatz zu Gaskó in ihrer Kritik weiter und beklagte nicht nur den Abbau von Arbeitnehmerrechten, die sie auf dem Niveau eines "Entwicklungslandes" sieht, sondern die "Aushölung demokratischer Werte" insgesamt. Auch der MSZP-Vorsitzende Attila Mesterházy besuchte, neben der Parteikundgebung in Budapest, die Veranstaltung der traditionell eher der Linkgen nahestehenden Gewerkschaften in Pécs.

Auch die rechtsextreme Partei Jobbik hielt - auf der Hajógyári Insel in der Budapester Donau - eine Kundgebung ab. Die grün-liberale LMP traf sich zu einem Mai-Picknick am Donauufer, das aber mehr oder weniger ins Wasser fiel.

Premier Viktor Orbán beging den 1. Mai mit einer Ansprache im TV, wo er das letzte Jahr wiederum als “Erfolgsgeschichte” beschrieb.

Stefano Solaro / red.

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