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(c) Pester Lloyd / 24 - 2011  WIRTSCHAFT 14.06.2011

 

Billionen für die Staatskasse

Rentenbeiträge drücken Ungarns Schuldenquote auf 77% des BIP

Die Beiträge aus der rückverstaatlichten, früher obligatorischen privaten Rentenversicherung, die in diesen Tagen an den Staat überwiesen worden sind, summieren sich auf 2.950 Milliarden Forint (2,9 Billionen Forint), teilte die staatliche Finanzaufsicht PSZÁF mit. Damit wird der Staatshaushalt enorm entlastet, was aber auch nötig ist. Außerdem will man weiter alles Eliminieren, was Schulden macht, vor allem die “Faulheit”.

Die bis 12. Juni überwiesenen Beiträge machen umgerechnet ca. 11,14 Mrd. EUR. bzw. 7,5% des BIP aus, eine gigantische Summe. Rund 96,7% der Versicherten haben das "Angebot" der Regierung zur Rückkehr in ein staatliches System angenommen. Die anderen gut 100.000 nehmen Ausfälle beim Alterseinkommen von um die 70% in Kauf. Ihr Verbleib bei privaten Versicherern wurde nämlich mit der Streichung des staatlichen Rentenanspruches bestraft, doch von der Beitragspflicht sind sie dennoch nicht befreit. Dagegen sind Prozesse anhängig, die allerdings im Ausland ausgefochten werden müssen, da das ungarische Verfassungsgericht für budgetrelevante Fragen von dieser Regierung "befreit" worden ist, bis die Staatsschuldenquote bei 50% des BIP angelangt ist.

Überholen ohne einzuholen? Premier Orbán am Pfingstwochenende am Parlament
in einem Rennwagen in Fidesz-Farben...

Am Rande seines gestrigen Aufenthalts in Serbien kündigte Ministerpräsident Orbán an, dass mit 1. Juli "die Schuldenquote des Staates in einem Schritt von 81% auf 77% des BIP gesenkt" werde. Weiterhin werde man alles bekämpfen, was das Haushaltsdefizit nach oben treibe. (siehe dazu auch: Krieg der Schuldenkrake: Befreiungsschlag, Teil 2: Ungarn schnürt weiteres Reformpaket) Ungarn wird es nicht mehr zulassen, dass gesunde Menschen vor der Altersgrenze in Ruhestand gehen, "wir können keine Sozialhilfe mehr zahlen", der Staat wird nur noch Gehälter für öffentliche Arbeit zahlen. "Geht alles gut, sind wir bald am rettenden Ufer, wenn nicht, dann haben wir ein echtes Problem." so Orbán vor serbischen Journalisten, die fragten, warum auch in seinem Land so viel demonstriert wird.

Die Regierung wird mit den Geldern aus den privaten Rentenkassen in erster Linie "Budgetlöcher stopfen", wie der Finanzminister freimütig zugab. So sollen rund 530 Milliarden Forint die defizitäre Rentenkasse auffüllen und absichern, andere Mittel werden verwandt, um sich aus teuren PPP-Projekte auszukaufen, Staatsbeteiligungen zu begradigen, allgemeine Schuldenzahlungen vorzunehmen sowie die Schulden im öffentlichen Transportwesen und damit insgesamt die Zinslast für Staatsbetriebe wie Staatskasse reduzieren.

 

Das freut erst einmal die Ratingagenturen, vergrößert aber vor allem mittelfristig den Handlungsspielraum der Regierung und macht Gelder frei, die man in jedem Falle noch gut gebrauchen kann, ob tatsächlich zur Erfüllung von Wohltaten für das Volk oder zum Stopfen von Löchern, die beim Weit-Hinaus-Lehnen zwangsläufig hinten aufreißen müssen, wird man sehen.

Auch, ob und wie die hereinregenden Milliarden auf das Defizitziel angerechnet werden, steht noch offen, immerhin müsste Ungarn ja - wenigstens in diesem Jahr - sogar einen deutlichen Überschuss ausweisen, beharrt aber gegenüber der EU auf dem Defizit von 2,94% des BIP. Möglich, dass die Rentenbeiträge als Sonderposten am Budget "vorbeigebucht" werden, möglich auch, dass die Buchungen zeitlich versetzt vorgenommen werden, um einen Teil des Segens noch ins Jahr 2012 zu retten.

Die Ansprüche der Beitragszahler werden individuellen Rentenkonten zugeteilt, man darf gespannt zusehen, mit welchen Geldern sie bei Fälligwerdung gedeckt werden. Jeder Forint sei sicher, verkündet eine installierte Rentensicherheitsbeauftragte, die nicht viel mehr als eine gefönte Sprechblase des Ministerpräsidenten ist. Die bisherigen Projektionen des Ministers für Wirtschaft und Nationaloptimisums, György Matolcsy, stützen sich auf traumhafte Wachstumsraten von dauerhaft über 5%, hunderttausende neue Arbeitsplätze und eine nie dagewesene Steuermoral.

Den Gerüchten, die Kürzung des Arbeitslosengeldes von 270 auf 90 Tage, könnte auf 180 Tage entschärft werden, trat Wirtschaftsminister Matolcsy entgegen, gleichzeitig verkündete Innenminister Pintér, dem seit kurzem neben der Polizei auch die Befehlsgewalt über den (öffentlichen) Arbeitsmarkt übertragen wurde, Übergangsregelungen beim Arbeitsrecht, die für mehr "Flexibilität" sorgen sollen.

 

Ungarn will die rückgeholten Frührentner und gefakten Invalidenrentner, Langzeitarbeitslose und die ohnehin arbeitsfaulen Roma zu einem riesigen Arbeitsheer machen, - ein nicht nur interesssantes, sondern sehr gefährliches Experiment, vor allem im Hinblick auf unerwünschte Wechselwirkungen mit dem ersten Arbeitsmarkt und unter dem unzeitgemäßen und nicht erst seit heute sträflich sentimentalen Aspekt eines würdigen Umgangs mit den eigenen Bürgern.

red.

 

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