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(c) Pester Lloyd / 05 - 2012      POLITIK 30.01.2012

 

Kongresswochenende

Opposition in Ungarn sucht Mittel und Wege gegen Orbáns Allmacht

Drei der fünf im ungarischen Parlament vertretenen Parteien hielten am Wochenende Kongresse bzw. Versammlungen ab. Die grün-liberale LMP setzt ihre Sinn- und Strategiesuche fort, die Demokratische Koalition von Ex-Premier Gyurcsány will, als wäre nichts geschehen, die neue Mitte-Links-Brücke sein und Jobbik ruft zum Endkampf ums Vaterland auf. Alle drei Parteien zeigten, dass die parlamentarischen Alternativen für eine Ablösung Orbáns eher dünn bis kreuzgefährlich sind, das Wahlvolk sollte sich besser außerhalb umschauen.

DK: Gyurcsány-Partei hielt ersten Parteitag ab

Die Demokratische Koalition (DK), die aus der Abspaltung der gleichnamigen Plattform aus der MSZP hervorgegangen ist, sich Mitte-Links positionieren will, aber in erster Linie als Bühne für die politischen Ambitionen von Ex-Premier Ferenc Gyurcsány dient, hielt am Samstag ihren ersten Parteitag ab, bei dem auch der Vorstand gewählt wurde. Darin finden sich ehemalige Funktionsträger der früheren Regierung, aber auch der Publizist József Debreczeni, das ehemalige Mitglieder der Liberalen (SZDSZ), Tamás Bauer.

In seiner Grundsatzrede vor rund 2000 Delegierten und Anhängern nannte Gyurcsány die Wiederherstellung eines modernen, demokratischen Ungarns als Hauptaufgabe. Die Bürger wollten den "antidemokratischen Nationalismus Orbáns" nicht, sondern eine westlich orientierte Republik. Er wolle Brücken bauen zwischen den politischen Gräben, sagte Gyurcsány, bis heute nicht einsehend, dass er selbst immer noch die größte Hürde für eine Aktionseinheit der demokratischen Opposition darstellt. Unter dem Applaus seiner Anhänger forderte Gyurcsány, dass ein neu gewähltes Parlament die neue Verfassung revidieren müsse, "Orbán ist ein kranker Mann", so Gyurcsány. Der Ex-Premier, dessen Politik und Attitüde als einer der Gründe gesehen werden kann, dass es Fidesz zu einer Zweidrittelmehrheit der Mandate brachte, griff die Regierungspartei auf so ziemlich jedem Politikfeld an.

Hinsichtlich seiner eigenen Rolle bedauerte er lediglich, dass er viele Reformen nicht umsetzen konnte, weil ihm damals dazu der Rückhalt der Bevölkerung gefehlt habe, dabei müsse man aber sehen, dass das Fidesz nach heutigen Umfragen eine noch geringere Zustimmung habe, als er damals. Die betont staatsmännisch gehaltene Rede war zusammengesetzt aus Selbstrechtfertigungen und Fundamentalkritik, Gyurcsány stellte indeirekt den Anspruch auf Oppositionsführerschaft. Die DK hat derzeit knapp 4.000 Mitglieder, knapp 5% würden ihr bei Wahlen die Stimme geben. Ihr Programm ist mit "Zurück nach Europa!" überschrieben.

Gyurcsány hatte letzte Woche für Aufsehen gesorgt als er medienwirksam zu "ganz normalen Bürgern" in einen Miskolcer Plattenbau gezogen war. Sein monatelanger Eiertanz bis zur endgültigen Spaltung hatte die MSZP lange gelähmt, sie ist auch bis heute nicht wirklich zu einer Eneuerung fähig gewesen. Dass sich ausgerechnet derjenige, der die Partei fast in den Abgrund riss, nun in einer neuen Partei als oppositioneller Strahlemann präsentiert, während er seine ehemalige politische Heimat sich selbst überlässt, sagt viel über den moralischen Zustand dieses Menschen aus, der für die große Mehrheit der Ungarn dauerhaft unwählbar ist und damit der größte Wahlhelfer Orbáns bleibt.

Selbsternannte Heilsbringer: Zur Spaltung der "Sozialisten" in Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/2011_42/43mszpDKP/43mszpdkp.html

Der Orbán der Linken - Gyurcsány will die Opposition in Ungarn beherrschen
http://www.pesterlloyd.net/2011_20/20gyurcsMSZP/20gyurcsmszp.html

Der Pferdefuß der Demokraten - Gyurcsány will schon "wieder" Ungarn retten
http://www.pesterlloyd.net/2011_08/08gyurcsanyRede/08gyurcsanyrede.html

 

LMP ringt weiter mit sich selbst

Die grün-liberale Partei LMP ("Eine andere Politik ist möglich") hat am Sonntag Benedek Jávor (Foto) zum neuen Chef der Parlamentsfraktion ernannt. Der 39jährige ist einer der Mitgründer der Partei. Er löst András Schiffer ab, der sich aufgrund schwerwiegender Differenzen über die Parteistrategie Mitte des Monats von allen Führungsämtern zurückgezogen hatte. Außerdem rückte Bernadett Szél ins Parlament auf, weil ihre Parteikollegin Virág Kaufer ihr Mandat niedergelegt hatte, um sich "anderen Protestformen" zu widmen.

Auf ihrem Parteikongress versuchte die LMP ihre Strukturen zu festigen und Ruhe in die Leitungsorgane zu bekommen. Seit den Wahlen 2010 befindet sich die Partei in einer Sinn- und Strategiesuche, die sich vor allem in der Frage, ob und mit wem Koalitionen für einen angestrebten Machtwechsel eingegangen werden sollen. Schiffer stand für eine strikte Abgrenzung von der MSZP, trotzdem Gyurcsány die Partei mit seiner Demokratischen Koalition (DK) verlassen hatte. In den letzten Wochen versuchte man, sich durch öffentlichkeitswirksame Aktionen ins Gespräch zu bringen, die Umfragewerte der Partei hatten sich nach 7,5% bei den Wahlen zwischenzeitlich auf unter 4% verschlechtert, lagen zuletzt aber wieder bei 8-9%.

Auch der sonntägliche Kongress zeigte, dass die LMP weiter eigensinnig darauf bedacht ist, ihre Exklusivität unter den neuen Oppositionsparteien zu betonen, ohne erkennen zu lassen, wofür das letztlich gut sein soll. So lehnt die LMP eine Teilahme an dem von der überparteiliche Szolidaritás-Bewegung initiierten oppositionellen Runden Tisch - nach Vorbild der Umwälzungen 1989/90 - ab, weil daran auch die MSZP sowie die DK teilnehmen. Außerdem teilte man mit, dass man auch zu den nächsten Wahlen "eigenständig" antreten werde, gemeinsame Kandidaten mit MSZP und DK werde es nicht geben, es wurde wiederholt, dass man nicht bereit sei, "die Politik der MSZP von vor 2012 zu rehabilitieren".

Mit neuen Bewegungen wie der Bewegung 4K! (die allerdings auch die Gründung einer Partei anvisiert) strebe man eine engere Kooperation an. Damit bleibt die LMP letztlich doch der Schiffer-Linie treu, wonach eine Koalition mit der parlamentarischen Linken aus Gründen der politischen Hygiene ausgeschlossen wird, man nach Wahlen aber "selbst mit dem Teufel" paktieren werde, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen, wie es der abgesägte Schiffer einmal formulierte. Aussagen, die für die Wähler eher verwirrend sind. Die wichtigste Aktion der LMP ist derzeit die Durchführung einer Reihe von bindenden Referenden gegen die aktuelle Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung, anhand derer sie ihre Mobilisierungsfähigkeiten demonstrieren und testen kann, denn die Hürden dafür liegen sehr hoch.

Weg frei für Referenden gegen Sozialabbau in Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/2012_02/02lmpreferenden/02lmpreferenden.html

Das Volk als letzte Hoffnung - Wie die Partei LMP die Einparteinherrschaft in Ungarn überwinden will
http://www.pesterlloyd.net/2012_01/01lmp/01lmp.html

Im Interview: Péter Kónya, Gründer der Bewegung Szolidaritás über die Zersplitterung der Opposition, die Runden Tische und warum keine der heutigen Parteien mit seiner Unterstützung rechnen kann.

Im Interview: András Istvánffy, Gründer und Frontmann der 4k! "Vierte Republik",
die eine "neue linke und patriotische" Partei werden will.

Keine Umarmung: Die linke Opposition in Ungarn bleibt uneins, Diskussion LMP-MSZP
http://www.pesterlloyd.net/2011_48/48lmpMSZP/48lmpmszp.html

 

Keine Demokraten - und stolz darauf: Jobbik-Neujahrstreffen

Die neofaschistische Partei Jobbik hielt am Wochenende ein "Neujahrstreffen" ab. Vor mehreren tausend Anhängern hielt Parteichef Gábor Vona eine Rede, in der er ein weiteres Mal vor der "Kolonialisierung" Ungarns warnte und seine Anhänger darauf einschwor, sich auf einen "Kampf um die Freiheit des Landes" zu präparieren. Er sagte, die Jobbik sei weder "kommunistisch, noch faschistisch, aber wir sind auch keine Demokraten". Er führte aus, dass die Wirtschaftskrise eine Krise der "freiheitlichen Demokratien" ist, die "in den nächsten ein bis zwei Dekaden unausweichlich in einen bewaffneten Konflikt" münden müsse. Dann käme es darauf an, auf welcher Seite man steht. Jobbik, als "die Kraft der ungarischen Selbstverteidigung" müsse dann vorbereitet sein.

Der Westen und die anderen politischen Kräfte in Ungarn seien "ultraliberal", Ungarn könne daran nur verlieren und würde als eine Art Bundestaat in Europa untergehen. Fidesz sei mit seiner Wirtschaftspolitik gescheitert und selbst nur Teil des Systems. Orbán und Gyurcsány bekämpften sich zwar, hätten aber letztlich gemeinsam das Land zerstört. Er deklarierte den Willen zur "Machtübernahme" und forderte wieder einen "Systemwandel", außerdem müsse eine Volksbefragung zur EU-Mitgliedschaft abgehalten werden. Er empfehle eine Umorientierung nach Osten, die Türkei und Russland könnte solche starken ökonomischen Partern der Zukunft werden.

Jobbik, die "Partei für eine bessere Zukunft", orientiert sich von den Inhalten und im Auftreten an den faschistischen Pfeilkreuzlern der Horthy-Szalasy-Zeit und ist ein Produkt der ideologisch zugespitzten Grabenkämpfe der letzten Jahre. Fidesz versucht durch Themenwahl und Auftreten sowie eine "Teile und herrsche"-Politik einen Teil der Wähler zu sich zu ziehen, so wie man das bereits im bürgerlichen Lager erfolgreich bis zur heutigen totalen Hegemonie praktizierte, bei der derzeitigen Performance der Regierung entwickelt sich diese Taktik jedoch zu einem gefährlichen Bumerang.

Im Sog der Aufmärsche der von Jobbik gegründeten "Garde" in von Roma bewohnten Dörfern kam es in den Jahren 2008/09 zu einer Serie von Mordanschlägen mit sechs Toten. Jobbik will - nach dem Vorbild der Horthy-Zeit - landesweite "Milizen" aufbauen, um die "Zigeunerkriminalität" bekämpfen, Funktionäre verlangten auch schon "Geburtenkontrolle". Jobbik fährt einen offen rassistischen, antisemtischen, Kurs, Abgeordnete der Partei verbrannten kürzlich öffentlich eine EU-Flagge.

Jobbik legte als einzige Oppositionspartei seit den Wahlen 2010 in der Wählergunst deutlich zu. Während man bei den Parlamentswahlen knapp 17% der abgegebenen Stimmen erhielt, sehen Umfragen die Partei mittlerweile bei 22-25% und zumindest gleichauf mit den "Sozialisten" der MSZP.

Ungarischer Europaabgeordneter verbrennt Europafahne
http://www.pesterlloyd.net/2012_03/03jobbikdemo/03jobbikdemo.html

Jobbik-Parteitag in Ungarn: Attilas Enkel - Nov. 2011
http://www.pesterlloyd.net/2011_44/44jobbikparteitag/44jobbikparteitag.html

Ungarn auf Abwegen? - Jobbik ist kein Phänomen, sondern ein Produkt
http://www.pesterlloyd.net/2010_17/17jobbik/17jobbik.html

Ernte eingefahren - Bürger von Gyöngyöspata machen Neofaschisten zum Bürgermeister
http://www.pesterlloyd.net/2011_29/29gyoengyospata/29gyoengyospata.html

Vollständig und für immer: Jobbik will Macht in Ungarn ergreifen und droht mit Sturz des Systems
http://www.pesterlloyd.net/2010_03/03jobbik/03jobbik.html

red.

 

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