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(c) Pester Lloyd / 15 - 2012     WIRTSCHAFT   11.04.2012

 

Ausbesserungsarbeiten

"Lohnkompensation" soll Schäden der Flat Tax in Ungarn reparieren

Wieder versucht die ungarische Regierung ihr unsoziales Steuersystem durch milde Gaben aus dem Haushalt erträglich zu machen. Doch der Fehler steckt im System und ist nicht, wie behauptet, Teil einer Übergangsphase. Die Details zeigen, dass noch mehr Bürokratie auf die Unternehmer zukommt und auch EU und IWF sind von dem anhaltenden Chaos l´hongaraise nicht begeistert.

Nachdem das Gesetz über staatliche Zuzahlungen zur Lohnkompensation für diejenigen Arbeitnehmer, die durch die neue Flat Tax, die Anhebung der Sozialversicherungsbeiträge um einen Prozentpunkt sowie den Wegfall von Steuerfreibeträgen nominale Einbußen (reale haben fast alle in den unteren und mittleren Einkommensschichten) erleiden, nach langem Hin und Her verabschiedet wurde, brachte die Regierung dieser Tage eine Ausschreibung über 21 Milliarden Forint (ca. 70 Mio. EUR) auf den Weg.

Um diese Gelder können sich Unternehmen bewerben, um ihren Angestellten einen Lohnzuschuss von rund 2-3% aus der Staatskasse zu verschaffen. In Frage kommen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums "450.000 bis 650.000" Arbeiter und Angestellte mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von unter 216.806 Forint (knapp 730.- EUR brutto). Nach den Angaben des Statistischen Zentralamtes dürften rund 70% aller versicherungspflichtig Beschäftigten in Ungarn zu der Gruppe gehören. Ursprünglich wollte man alle Angestellten bis 300.000 Forint brutto einbeziehen, was aber die budgetären Möglichkeiten nicht hergeben.

Den Lohnzuschlag gibt es aber nur unter strengen Bedingungen, die die meisten Arbeitgeber entweder nicht erfüllen können oder wollen:

- so muss nachgewiesen werden, dass alle Angestellten der betroffenen Gehaltsgruppe eines Unternehmens eine betriebsseitige Lohnerhöhung von mindestens 5% erhalten haben

- es kommen nur Unternehmen in Betracht, deren Angestelltenzahl im Vergleich zum Vorjhar mindestens gleich geblieben ist

- die Zahl der Teilzeitbeschäftigten bzw. auf Mindestlohn angemeldeten Angestellten ein Fünftel des Gesamtpersonalbestandes nicht übersteigen. Gleichzeitig dürfen diese im Vorjahr nicht mehr als 215.000 HUF brutto pro Monat verdient haben.

- Steuerschulden sind ein weiterer Ausschlussgrund

Arbeitgeber haben lediglich 30 Tage Zeit für die Beantragung, die Auszahlungen (beziehungsweise Gutschriften bei den Arbeitgeberanteilen an den Kosten der Sozialabgaben) sind für Juli und September vorgesehen, in einer ersten Runde werden seit Jahresbeginn bereits 100 Mrd. Forint, rund 330 Mio. EUR auf ähnliche Weise verteilt, auch im öffentlichen Dienst wurden bisher rund 75% aller Angestellten mit Summen zwischen 5.000 und 18.000 Forint pro Monat für ihre Ausfälle "entschädigt".

Dass die Flat tax nicht nur die unteren Einkommensschichten benachteiligt und die Besserverdiener überproportional belohnt, ohne, dass von dort mehr Leistung oder eine Reinvestition in die Gesellschaft (Konsum, Investition) zu bemerken wäre, sondern auch die Staatseinnahmen spürbar verringert (im Vorjahr um ca. 600 Mrd. Forint, rund 1,7 Mrd. EUR) blieben auch IWF und EU nicht verschlossen. Die Kritik daran ist Teil des Defizitverfahrens, durch das Ungarn zu substantiellen, strukturellen und nachhaltigen Maßnahmen gezwungen hinsichtlich einer seriösen Haushaltspolitik gezwungen werden soll.

Die ständigen Ausbesserungsarbeiten und ad-hoch-Maßnahmen sowie viele zweifelhafte "unorthodoxe" Maßnahmen erfüllen die Anforderungen der EU an eine zuverlässige und zukunftsfähige Haushaltspolitik, wie sie im Fiskalpakt nochmal verschärft wurden, in keiner Weise, was die ungarische Regierung nicht einsehen mag. Die offizielle Version lautet, dass die Flat tax sowohl für den Wirtschaftsstandort attraktiv ist, als auch Leistung belohnen und Arbeitsplätze schaffen soll. Alle sollen Steuern zahlen, dafür prozentual viel weniger als zuvor. So werden auch die Einkünfte von Frührentnern besteuert, Sozialhilfeempfänger zur Arbeit gezwungen, die wiederum versteuert wird, auch wenn sie der Staat selbst bezahlt. Der Effekt ist jedoch nur eine weitere Verarmung breiter Gesellschaftsschichten und eine wachsende soziale Unausgewogenheit. Unterschätzt werden auch die Auswirkungen mangelnder Perspektiven, die die Ärmsten verbittert und die Besten vertreibt. Die Regierung bezeichnet dies alles lapidar als eine Übergangsphase, die man aushalten müsse.

In diesem Zusammenhang hat der IWF in einem aktuellen Berich auch das Forex-Ablösemodell als unsozial und wirtschaftlich schädlich erkannt. Mehr dazu in diesem Beitrag.

Zum Thema:

Trotz obiger Fakten, behauptet die Regierung weiterhin, dass die Gehaltseinkünfte der Angestellten unter ihrer Politik stetig steigen. Diese offensichtliche Lüge haben wir hier auseinandergenommen.

Zur ständig wachsenden Armut und der realen Einkommenssituation in Ungarn finden sich Zahlen- und Situationsbeispiele in diesem Beitrag.

Mehr zum Auseinanderdriften zwischen Arm und "Reich" in diesem Beitrag.

Die Flat tax, die eigentlich keine ist, haben wir hier näher analysiert.

Spürbare Lohnerhöhungen aus Sondersteuern gibt es für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens.

cssz.

 

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