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(c) Pester Lloyd / 23 - 2012     KULTUR 08.06.2012

 

Staatsbasar

Das Burgviertel in Budapest wird aufgepeppt, nach Vorgaben der Regierung

Die ungarische Regierung hat nun ihre Pläne für den Ausbau und die Renovierung des sogenannten Burgmarktes konkretisiert. Das Gelände im Burgviertel, das jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben wurde, soll sich durch die Umgestaltung und den Neubau zahlreicher Cafés, Restaurants und Kunstgalerien in das hochpreisige Ambiente des UNESCO-Weltkulturerbe einfügen. Der Staat macht die Nutzungsvorgaben, die EU bringt das Geld ein, der Raum für Urbanität und freie Kulturentfaltung wird gleichzeitig systematisch eingeschränkt.

Projektion der neuen / alten Anlage zu Füßen des prächtigen Budaer Burgberges.

Bereits im „Neuen Széchenyi Plan“ von 2011 war der Umbau des Areals vermerkt, jetzt wurden die genauen Pläne und Vorhaben von der Regierung bekannt gegeben. Demnach soll der historische Komplex, der zuvor lange vernachlässigt worden war, radikal umgestaltet werden, um dem gesamten Burgviertel ein neues, (touristen)-freundlicheres Antlitz zu verleihen.

 

Geplant sind unter anderem die Einrichtung von Galerien, einem Literaturtheater, einem Restaurant, mehrerer Kaffeehäuser sowie Läden, die traditionelle ungarische Produkte anbieten. Im Zuge des Projekts, dem nationale wirtschaftliche Priorität zugeordnet wurde, soll auch die Infrastruktur um die Burg herum völlig neu gestaltet werden, um eine bessere Eingliederung in die Innenstadt zu erreichen. Zu diesem Zweck wird etwa ein unterirdisches Parkhaus errichtet, auch eine weitere Seilbahn soll die Verbindung zwischen Uferbereich und Burgviertel erleichtern, zuvor war sogar an eine Fußgängerbrücke und Glasschwebebahn zwischen Pester Donauufer und Burg gedacht, da hatte die UNESCO aber nachvollziehbare Einwände, der Finanzminister ohnehin.

Für die Realisierung werden etwa 8,5 Mrd HUF (ca. 28 Mio EUR) veranschlagt, die zu hundert Prozent aus EU-Fördermitteln stammen. Die Arbeiten sollen im Herbst diesen Jahres beginnen und bis 2014 abgeschlossen sein.

„Die Hauptstadt bekommt so ein neues Juwel in ihrer Krone und Budapest wird danach noch spektakulärer sein als es jetzt bereits ist“, sagte der verantwortliche Regierungskommissar Ferenc Zumbok. Bereits zu früheren Zeiten war der 1875 bis 1883 erbaute Basar eine Art royale Einkaufsmeile mit dutzenden Geschäften, die in den Säulengängen angesiedelt waren. Auch die Promenade war derzeit ein beliebter Anlaufpunkt für Sissi, die wohl berühmteste ungarische Königin.

Ein Staatssekretär präsentierte schon im letzten Herbst die neuen Pläne mitten in den Ruinen des verwahrlosten Burgbasars.

Einen ähnlichen Glanz erhoffen sich wohl auch die Offiziellen in Budapest von ihrem Prestige-Projekt, vermutlich jedoch eher, um zahlungskräftige Touristen anzulocken. Für die angemessene Präsentation des neuen Kulturzentrums für die Oberschicht soll daher auch die angrenzende Gartenterrasse umgestaltet werden. Ein barocker Garten, ein neo-barocker Garten, ein Garten im Renaissancestil und ein englischer Garten bilden dann einen weiteren Anziehungspunkt für die große Budapester Attraktion. Nach typischer Regierungsrhetorik brüstet man sich damit, dass die historischen Gebäude durch den eigenen Einsatz nicht privaten Investoren überlassen werden müssen. Dass die Gelder zur Rettung des Kulturerbes jedoch nicht aus dem eigenen Haushalt stammen, sondern von der sonst wenig geliebten EU stammen, bleibt bei der Argumentation eher nebensächlich.

Vor einigen Jahren noch war in dem Gebäude ein angesagter Jugendclub untergebracht und auch alternative Künstler nutzten die leerstehenden Teile des Areals. Doch die damaligen Verantwortlichen für den Burgmarkt schoben notwendige Restaurierungsarbeiten immer weiter auf, bis der baufällige Komplex schließlich komplett dicht gemacht werden musste. Insofern sind staatliche Investitionen in das Baudenkmal von Miklós Ybl, der unter anderem auch die Budapester Oper entworfen hat, durchaus zu begrüßen. Die Regierungspläne lassen jedoch vermuten, dass für junge, unkonventionelle Kunst an der prominenten Stelle in Zukunft kein Platz mehr sein dürfte.

 

Das verwundert jedoch kaum, angesichts des Kulturkampfes, den Viktor Orbán in den letzten Jahren gegen alles vermeintlich Linksintellektuelle oder -alternative führt (eine ganze Reihe von Beispielen dazu hier). Das beste Druckmittel gegen ungeliebte Kulturschaffende ist natürlich die staatliche Kulturförderung, deren Gelder unter Fidesz vor allem nach „nationalen Interessen“ vergeben werden. Zahlreiche Führungswechsel in großen Kulturinstitutionen des Landes folgen einer ähnlichen Linie. Doch vor allem die kleinen alternativen Begegnungsstätten leiden unter der mangelnden Finanzierung und den sonstigen Repressalien und fühlen sich nicht selten in ihrer Existenz bedroht. Nur das aktuellste Beispiel ist hier das Sirály in der Király utca, ein bekannter Treffpunkt der linken Kulturszene, das auf Grund von behördlichen Auflagen im Moment auf unbestimmte Zeit geschlossen ist.

Mit Abschluss der Restaurierung des Vár-Bázár wird Budapest also wieder um eine Attraktion reicher sein, die dann in den großen Reiseführern Erwähnung findet. Ihren Charme als internationale Metropole bezieht die ungarische Hauptstadt jedoch nicht nur aus ihren zahlreichen Baudenkmälern und Weltkulturerben. Wird sich die Regierung in ihrer Kulturförderung weiterhin darauf besinnen, Vielfalt, gewachsene Lebendigkeit, alternative Urbanität, letztlich also auch Freiheit zu bekämpfen, dürften früher oder später auch die Touristen bemerken, dass dieser Stadt etwas fehlt.

Tim Allgaier / red.

 

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