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(c) Pester Lloyd / 24 - 2012     WIRTSCHAFT 11.06.2012

 

“Die Krise ist vorbei...”

Zentralbank geht von Rezession in Ungarn aus, Minister glaubt an eigene Märchen

Die Ungarische Nationalbank wird sehr wahrscheinlich ihre BIP-Prognosen für 2012 und 2013 senken müssen, sagte Notenbankchef András Simor. Der Wirtschaftsminister glaubt öffentlich, dass spätestens im nächsten Jahr, "das ungarische Märchen" wahr wird und lässt Jubelmeldungen versenden. Diesen widerspricht sogar ein Ex-Orbán-Minister. Die Währungsreserven sollen - zunächst - unangetastet bleiben.

“Die Krise ist vorbei...” behauptet Minister Matolcsy (siehe weiter unten). Ob das diejenigen, die Dank Flat Tax, Steuer- und Abgabenerhöhungen immer weniger Geld zum Leben haben auch so sehen? Immerhin, das Feuerwerk am 20. August bleibt für die Zuschauer kostenlos. Vermutlich.

Derzeit wird ein BIP-Wachstum von 0.1% für 2012 und 1.5% für 2013 prognostiziert. Simor sagte bei einer Veranstaltung von lokalen Wirtschaftsverbänden am Donnerstag, dass die neuesten Daten darauf hindeuten, dass Ungarn in diesem Jahr in eine Rezession rutschen wird und das Wachstum im nächsten Jahr nur sehr verhalten sein wird. Er fügte hinzu, dass die Senkung der Prognose unvermeidlich wäre in Anbetracht der jüngsten Daten, die einen Rückgang der Industrieproduktion im April zeigte. Simor nähert sich damit jedoch lediglich den EU bzw. OECD-Prognosen an, letztere gehen bereits länger von einem BIP-Minus 2012 aus.

 

Die ungarische Industrieproduktion ist im April nämlich um 3,1% gegenüber dem Vorjahr gesunken, teilte das Amt für Statistik (KSH) mit. Ebenfalls einen Rückgang um 2,4% zeigen die Daten für den Monatsvergleich von März zu April. Die Produktionsentwicklung ist im ersten Quartal 2012 zum ersten Mal seit dem Krisenjahr 2009 wieder negativ. Analysten hatten aufgrund der Eröffnung des Mercedes-Werks in Kecskemét zuvor mit einem positiven Trend gerechnet, doch Produktionsverlagerungen anderer großer Player, u.a. Nokia, verhinderten hier das Plus, ganz abgesehen vom desolaten Zustand des “Rückgrats” der ungarischen Wirtschaft, dem Mittelstand.

So sieht die Kommunikation zwischen Regierung und Zentralbank in Ungarn aus. Ein Schnappschuss vom einzigen Treffen in zwei Jahren. Orbán war schon weg.

Insbesondere die Schuldenkrise in der Eurozone sei für die Situation verantwortlich, gab Simor an, denn diese bremse die Exporte Ungarns ab. Die Kreditvergabe und dadurch der Zufluss neuen Kapitals sei geschwächt worden, die Rückzahlung der Staatsschulden ist schwieriger geworden, Importe und damit Investitionen sind immer teurer wegen eines schwachen Forints und die Kreditwürdigkeit Ungarns habe auch gelitten, meinte er weiter. Simor betonte die Wichtigkeit einer Einigung mit EU und IWF, denn ein Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union würde die Kreditkosten senken und erheblich zum Wachstum beitragen.

Er fügte noch hinzu, dass „das ungarische Bankensystem klar im Nachteil sei im Vergleich zu anderen in der Region sowie in ganz Europa ist, weil es das einzige ist, das mit Verlust arbeitet... Es ist offensichtlich, dass ein solches Bankensystem nicht für weitere Investitionen besonders attraktiv ist. Die Regierung ist gezwungen weiter zu sparen, um die Staatsverschuldung einzudämmen. Dies hat jedoch negative Auswirkungen auf die Binnennachfrage, so dass Exporte der Motor für ein zukünftiges wirtschaftliches Wachstum sein müssen.“

Nationalwirtschaftsminister Matolcsy als Fee, die Krisen einfach wegzaubern kann...
Gefunden auf:
vastagbor.blog.hu

Ganz anders kommuniziert die Regierung die wirtschaftliche Entwicklung. Das Nationalwirtschaftsministerium veröffentlicht Jubelmeldungen am laufenden Band, so bekommen Medienvertreter eine regelrechte Serie von "Positiven Entwicklungen in Ungarn" geliefert, die freilich mehr aus der freien Interpretation verschiedener Indizies und Stimmungsbarometer bestehen als aus harten Fakten. Oft wird auch direkt gelogen, in dem z.B. ein Bruttolohnanstieg als "steigende Einkommen" bezeichnet werden oder Sozialhilfeempfänger, die in lokale Beschäftigungsprogramme gedrängt werden als "neue Arbeitsplätze" verkauft werden. Für Wachstumsmaßnahmen, das stellte Orbán kürzlich klar, “haben wir kein Geld”.

Minister Matolcsy bei CNN:

 

Die Regierung versucht derzeit hektisch durch weitere Steuererhöhungen und neue Steuern, die erwartbaren neuen Lücken im zu optimistisch formulierten Staatshaushalt zu stopfen. Siehe unseren Bericht aus dem Parlament. Es wird dabei immer deutlicher, dass nicht "Nachhaltigkeit und strukturelle Reformen", wie von der EU-Kommission behauptet, zur Einstellung des Defizitverfahrens führten, sondern der politische Wille, Ungarn davonkommen zu lassen, auch, um über einen so möglich gewordenen erneuten IWF-Hilfskredit eine weitere Destabilisierung von Währung und Land zu vermeiden.

Immerhin versicherte das Büro des Regierungssprechers, dass die Nationalbank „die exklusive Autorität über die Währungsreserven hat und die Regierung keine Intention hat diese anzurühren, da die Unabhängigkeit der Zentralbank nicht in Zweifel zu ziehen sei.“ Gabor Scheiring, von der LMP hatte die Regierung gebeten, die Öffentlichkeit über das optimale Niveau der Währungsreserven des Landes, und ob die Regierung die Absicht hat, diese zu nutzen, zu informieren. Denn ein Streit um die Kontrolle der Reserven könnte ein Faktor für Verzögerungen der Verhandlungen für die IWF-Finanzhilfen sein. Seiner Auffassung nach hat die Regierung die Idee Teile der Reserven zu nutzen, nicht aufgegeben.

Vollkommen entgegengesetzt zur Einschätzung des Nationalbankchefs waren die Statetemens von Wirtschaftsminister Matolcsy, als er am Freitag bei CNN ankündigte, dass Ungarn auf dem besten Weg sei. Die Daten und Indikatoren zeigten nach oben, spätestens im kommenden Jahr werde Ungarn das wettbewerbsfähigste Land der Region sein. Dank der umfassenden Reformen werden Schulden abgebaut, die Löhne steigen, Arbeitsplätze sprießen an allen Ecken des Landes, kurz: "das ungarische Märchen wird wahr..." Dass es sich um ein Märchen handelt, diese Einschätzung teilen die meisten Lands- wie Fachleute mit dem Minister.

 

Kritisch zu Wort gemeldet hat sich, nach einem abgesägten Fidesz-Staatssekretär, mittlerweile auch ein Minister der ersten Orbán-Regierung. Attila Chikán war von 1998-1999 Wirtschaftsminister und wurde danach bis 2003 Rektor der Corvinus Wirtschaftsuniversität in Budapest. Er ist auch Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Auf einer Konferenz in der vergangenen Woche warf er der Orbán-Regierung vor, dass deren Vermischung von Ideologie ("Befreiungskampf") mit Wirtschaftspolitik das Land in eine "falsche Richtung" gebracht habe, was "sehr ernste Konsequenzen" haben wird.

Das schlimmste daran sei, so Chikán, dass die Regierung es vermieden habe, den Menschen reinen Wein einzuschänken und weiter an "unrealistischen Zukunftsszenarien" festhalte. Viel zu spät habe die Regierung erkannt, dass man den klein- und mittelständischen Unternehmen Kapital zur Verfügung stellen muss und in Forschung und Entwicklung zu investieren habe. Stattdessen habe man viel Zeit mit der Schaffung eines funktionsunfähigen Steuersystems vergeudet.

PK / TA / red.

 

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