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(c) Pester Lloyd / 25 - 2012     POLITIK 18.06.2012

 

Vom Täter zum Opfer?

Korruptions-Prozess gegen Ex-Vizebürgermeister von Budapest

Am Kecskeméter Gericht wird an diesem Dienstag die erste Anhörung im Korruptionsfall um den ehemaligen stellvertretenden Bürgermeister Budapests, Miklós Hagyó, ein Ex-Mitglied der MSZP, stattfinden. Es geht um Scheinverträge und systematische Vorteilsnahme im Zusammenhang mit den Budapester Verkehrsbetrieben (BKV). Außer Hagyó gibt es noch 14 weitere Beschuldigte. Die Verteidigung stilisiert Hagyó derweil zum Opfer von Politjustiz.

Miklós Hagyo auf Hofgang. Hier noch als gut situierter Inspizient einer Haftanstalt, kurz darauf als Insasse.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen, vor allem aber Hagyó als für die Aufsicht Verantwortlichem, systematische Veruntreuung öffentlicher Gelder durch erfundene oder unvorteilhafte Verträge vor, die der BKV Schäden in Höhe von 1,5 Mrd. HUF (5,5 Mio. EUR) verursacht haben. Hier mehr Details zu den Vorwürfen.

Hagyó und seine Komplizen sollen zwischen 2007 und 2009 Verträge zu ihrem persönlichen Vorteil geschlossen haben, darunter Beraterverträge ohne Beratung, Lieferverträge ohne Lieferungen, Kick-back-Zahlungen, unrechtmäßige Abfindungen- und Pensionszahlungen und - als Höhepunkt - die Überreichung von Schmiergeld in einem Handykarton. Das System Hagyó gilt als regelrecht besiepielhaft für die gesamte “Gyurcsány-Ära”, mit ihrer Missiwrtschaft und etlichen Fällen von Bereicherung. Diese werden seitdem gezielt und kontinuierlich von der politischen Gegenseite, den heutigen Machthabern, ausgeschlachtet und als Kennzeichen der gesamten “Linken” u.a. auch durch einen fern der Justiz installierten Sonderkommissar aufgearbeitet, wiewohl die Orbán-Truppe mittlerweile selbst eine stattliche Liste Fragwürdigkeiten aufzuweisen hat.

 

Hagyó kam, nachdem die Vorkommnisse bekannt wurden, zunächst in Untersuchungshaft und wurde dann bis Juni letzten Jahres unter Hausarrest gestellt. Weiterhin wird ihm Erpressung vorgeworfen. Bis März 2010 war er noch Chef der BKV-Aufsicht, bis er abdanken musste und ihm seine Parteimitgliedschaft aberkannt wurde.

Der langjährige Oberbürgermeister von Budapest, Gábor Demszky von den mittlerweile “verschwundenen” Liberalen, ärgerte sich zwar über Hagyó hielt aber so lange an ihm fest, bis die erdrückenden Beweise auch seine Partei hinwegfegten und auch die politische Karriere des einstigen Dissidenten Demszky beendete.

Die Stadt Budapest hat die Oberaufsicht über den Verkehrsbetrieb inne, der Großteil der Finanzierung kommt jedoch vom Staat. Neben jahrelanger Misswirtschaft hat vor allem das skrupellose Handeln der Stadtvertreter um Hagyó, der als Stellvertreter des damaligen OB Demszky explizit für die Aufsicht über die BKV verantwortlich war, dazu beigetragen, dass die BKV heute nahe dem finanziellen Kollaps steht. Die gerichtliche Aufarbeitung der Vorfälle dürfte noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Bis Dezember sind noch weitere 28 Verhandlungstage angesetzt und vor Ende des Jahres ist nicht mit einem Urteil zu rechnen, ließ das Gericht mitteilen.

Peinlicher Manipulationsversuch der Verteidigung

 

Die Verteidigung des Ex-Politikers hat indes eine Kampagne gestartet und den Hagyó-Prozess zum Testfall für den Zustand des Rechtsstaates in Ungarn stilisiert. In einer umfangreichen Aussendung wurde dargestellt, wie der Prozess auf Anweisung der Obersten Richterkammer (mit Fidesz-Leuten besetzt) wegen “vorgetäuschter Überarbeitung” des eigentlich zuständigen Gerichtes dem Gericht in Kecskemét und damit einem Richter zugeteilt wurde, der ein verwandschaftliches Nahverhältnis zu einem Fidesz-Lokalpolitiker hat.

Auch die lange U-Haft Hagyós wird als unrechtmäßig und der Angeklagte insgesamt mehr als Opfer denn als Täter dargestellt, an dem eine gelenkte Presse und gesteuerte Justiz ein politisches Exempel statuieren sollen. Die Verteidigung versucht also, die auch internationale Kritik an der durchaus politisch motivierten Justizreform der Regierung, zu Gunsten ihres Mandanten ins Feld zu führen.

Eine kritische Beobachtung des Prozesses hinsichtlich seiner Rechtsstaatlichkeit scheint allerdings geboten, jedoch nur aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dieser Regierung, nicht aufgrund der peinlich-aufdringlichen Manipulationsversuche von Hagyós Entourage auch gegenüber dieser Zeitung. Dem Angeklagten bleibt nur zu wünschen, eine selbstkritische Einstellung zu seinem Handeln zu finden und die Einsicht, dass er sich den ganzen Prozess - ob fair oder nicht - durch redliches Verhalten, sprich, Pflichterfüllung in der Vergangenheit hätte ersparen können.

red. / ms.

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