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(c) Pester Lloyd / 21 - 2012     WIRTSCHAFT 24.05.2012

 

Die Strohehefrau

Vetternwirtschaft in Ungarn - Neues aus Felcsút: Frau Orbán und Familie Flier

Neue Details zum Felcsúter Lehnswesen liefert die parteiunabhängige Antikorruptionswebseite atlatszo.hu (Durchblick). Vor allem die geschäftlichen Aktivitäten von Frau Anikó Lévai, der Gattin des ungarischen Premiers, stehen jetzt im Fokus der Nachforschungen. In Summe lässt sich bestätigen, was die noefaschistische Partei Jobbik längst für sich ausschlachtet: Nationalkonservative und Sozialliberale in Ungarn scheinen doch vom selben Schlag zu sein...

Urbi et Orbi - Die Familie Orbán beim Papst. Hat zwar - vordergründig - nichts mit dem Thema zu tun, außer vielleicht: "Weisheit ist bei den Bescheidenen." - Neues Testament, Sprüche 11,2, andere Familienfotos haben wir aber derzeit nicht auf Lager...

Wie berichtet, erfreute sich der Fidesz-Bürgermeister der Heimatgemeinde von Ministerpräsident Orbán eines sprunghaften Antsiegs von Landbesitz über Pachtzuteilung über den staatlichen Bodenfonds, während sämtliche anderen Landwirte leer ausgingen. Auf den Namen des Vaters des Ministerpräsidenten (bzw. eine ihm gehörende GmbH) läuft ein historisches Palais, das offenbar bald zu einem Luxushotel umgebaut wird und das auf das Hollywood-Publikum des nahegelgenen Etyeker Filmstudios, dessen Boss auch ein Orbán-Freund ist, ausgerichtet ist. Einzig der Premier selbst scheint am Hungertuch zu nagen, wie seine öffentlich einsehbare Vermögenserklärung beim Parlament offenbart. Der Arme hatte bis vor kurzem sogar noch Kredite abzuzahlen. Doch seine “beste Ehefrau von allen kümmert sich rührend um den verarmten Gatten.

Die Mutmaßung, dass der Felcsúter Bürgermeister, der gleichzeitig Präsident der örtlichen Puskás-Fußballschule, sozusagen dem kleinen FC Chelsea Orbáns, ist, nur als Strohmann für die Orbán-Familie dient, bekommt neue Nahrung, nachdem auch die geschäftlichen Verquickungen der Ehefrau des Premiers genauer recherchiert wurden. Anikó Lévai ist am Unternehmen der befreundeten Familie János Flier beteiligt, das ebenfalls kürzlich fast 400 Hektar Land aus dem Bodenfonds anpachten durfte und damit rund zehnmal mehr als der Schnitt bei den sonstigen Vergaben erhielt.

Flier beackert - nach Angaben Einhimischer - aber auch das Land von Lévai, die selbst rund 80 Hektar in und um Bicske und Felcsút ihr eigen nennt. Die Korruptions-Watcher merken an, dass Lévai in ihrer Vermögenserklärung angab, nicht der Nutznießer der für diese Flächen erhaltenen EU- und anderen Agrar-Subventionen zu sein, sondern die Pächter. Sie sagt darin jedoch nicht, wer das ist, obwohl sie gesetzlich zu dieser Offenlegung verpflichtet wäre. Fliers Frau ist die lokale Fidesz-Vorsitzende und scheiterte einmal in der Bürgermeisterwahl 2010. Ihre Tochter, die einen Job im Landwirtschaftsministerium hat, gewann ebenfalls gerade 88 Hektar.

János Flier machte seine ersten geschäftlichen Erfolge übrigens mit der Herceghalmi Kísérleti Gazdaság Co, einem früheren Staatsbetrieb, der - natürlich rein zufällig - unter der ersten Orbán-Regierung privatisiert worden ist. Sein dortiger Mitinhaber, Sándor Bognár, verkaufte nur zehn Tage nach der Privatisierung 50 Hektar an: Orbáns Frau. Die Bauern im Ort berichten, Lévai musste damals 100.000 Forint pro Hektar zahlen (damals rund 240 EUR), den anderen bot man die gleiche Fläche für das Dreifache an.

Der "Nationale Bodenfonds" wurde offiziell eingerichtet, um die in staatlichem Besitz befindlichen Ackerflächen an "junge ungarische Familien" zu vergeben, ihnen einen guten Berufsstart zu ermöglichen und die kleinteilige Landwirtschaft zu fördern (hier mehr zur neuen Landwirtschaftsstrategie). Er dient auch explizit dazu, um "Spekulation mit ungarischem Land und den Aufkauf durch westliche Unternehmen" zu verhindern. Die Ausschreibungsbedingungen und Bewertungskriterien für die Pachtverträge wurden von Anfang an kritisiert, sie seien so undurchsichtig, dass dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet würde. So ist es dem zuständigen Beamten ein leichtes zu behaupten, dass “alles rechtens” verlief. Wie sich aber heraustellt - übrigens längst nicht nur an diesen prominenten Beispielen - wird der Fonds als Versorgunseinrichtung für verdiente Parteimitglieder und ihr Umfeld missbraucht, womit sich auch diese Regierung - ganz wie es Jobbik unkte und politisch ausschlachtet - ihren Vorgängern immer mehr annähert, der Unterschied scheint nur zu sein, dass die Aktivitäten diesmal vorsorglich vom Recht gedeckt werden.

 

Derzeit tobt im ungarischen Parlament ein heftiger Kampf zwischen Regierungsparteien und Opposition über die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zu Untersuchung der “Fidesz-Oligarchie” (O-Ton Jobbik), bei denen plötzlich Sozialisten und Neonazis kooperieren, während die Regierungspartei seine Einrichtung mit Händen und Füßen verhindern und von einer “politischen Kampagne” reden.

Mittlerweile gibt es Dutzende Verdachtsfälle von Amtsmissbrauch, Vetternwirtschaft und Korruption, die von der Vergabe von Standortgenehmigungen für Einkaufscenter über eine anonyme ministerielle Kommission, über wundersame Auftragsvermehrungen bei einer dem Innenminister nahestehende Sicherheitsfirma bis hin zu mutmaßlich geschobenen EU-Milliarden-Aufträgen für ein Firmenkonsortium eines Ex-Finanzamtschef im Fidesz-Dunsktreis reichen, die sogar bereits die EU-Ermittler von OLAF auf den Plan riefem. Auch die Häufung auffallend parteilicher “Landnahmen” werden aus vielen Landesteilen dokumentiert, von PR-Aufträgen für einen vorbestraften Fidesz-Funktionär durch die Medienbehörde und Außenwerbeaufträgen für einen Fidesz-nahen “Werbefachmann” ganz zu schweigen.

Die sozialliberalen Vorgängerregierungen wurden geradezu zum Synonym für systematischen Machtmissbrauch zum Eigennutz und beschäftigen bis heute Dutzende Gerichte, möglich, dass sie sich diesen Titel bald teilen müssen.

 red.

 

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