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(c) Pester Lloyd / 39 - 2012   POLITIK 25.09.2012

 

Zwei Prognosen und ein Hilferuf

Nur noch 41% der Ungarn wollen wählen gehen

Die von der Regierungspartei beschlossene verpflichtende Wahlregistrierung könnte, laut einer aktuellen Umfrage, ein weiteres Viertel weniger Wähler bedeuten, wo doch ohnehin nur rund die Hälfte der Bürger zur Wahl gehen wollen. Trotz allem sieht sich der Chef der MSZPschon als Wahlsieger und zeigt einen Realitätssinn, der ihn glatt für eine Regierungskarriere empfiehlt. Da der Hungerstreik nichts gebracht hat, wendet sich Ex-Premier Gyurcsány nun hilfesuchend an die EU.

Das neue ungarische Wahlsystem nach dem Zeichner Dave Granlund.

Wahlregistrierung könnte ein Viertel weniger Wähler bedeuten

Laut der letzten Wahlumfrage erklärten rund 54% der Wahlberechtigten, an den nächsten Parlamentswahlen 2014 teilnehmen zu wollen. Eine aktuelle Erhebung des als seriöse einzustufenden Institutes Ipsos zeigt jedoch, dass sich derzeit nur 41% der Walhberechtigten zur Wahl registrieren wollen, was, laut einem neuen Gesetz der Fidesz-Regierung verpflichtende Voraussetzung zur Teilnahme ist. Allerdings wissen derzeit auch erst rund 70% aller Bürger, was es mit der Registrierung auf sich hat.

Bleiben die erhobenen Zahlen so, würde sich die Wählerbasis um rund ein weiteres Viertel reduzieren, Ipsos veranschlagt in etwa gleich starke Verluste für alle Parteien. Während andere Politologen eher die vermehrte Abwesenheit von Wechsel- und Protestwählern vermuten, was den etablierten Parteien entgegenkäme, geht Ipsos auch vom Fernbleiben sog. Gewohnheitswähler aus, was den ersten Effekt ungefähr ausgleichen könnte. Die Vorwahl-Registrierung wurde von der Regierungspartei mit der Begründung eingeführt, dass sie wegen des ebenfalls neuen Wahlrechts für Auslandsungarn mit ungarischen Pässen notwendig geworden sei. Kritiker sehen darin jedoch eine Einschränkung der verfassumgsmässigen Rechte des Souveräns, um bildungsferne Schichten und "Risikogruppen" von der Wahl fern zu halten.
Hier alles Wichtige zu dem Thema.

Die Umfrage zur Parteienpräferenz ergibt unter der gesamten wahlberechtigten Bevölkerung 19% für das Regierungsbündnis Fidesz-KDNP (+2 zum Vormonat), MSZP kommt auf 15% (+1), die neofaschistische Jobbik auf 8%, LMP 7%, die DK, eine MSZP-Abspaltung von Ex-Premier Gyurcsány auf 2%. 52% aller Befragten finden keine der im Parlament vertretenen Partei wählenswert. In der Sonntagsfrage käme Fidesz derzeit auf 40%, die MSZP auf 36%, Jobbik auf 17%, LMP auf 5%, DK auf 4%. Während die Regierungspartei sich damit ungefähr stabilisert, im Vergleich zur Wahl 2010 aber rund 14 Punkte einbüßt, man aber kaum einen Protesteffekt durch das Gesetz zur Wahlregistrierung messen kann, kann sich die MSZP seit ihrer historischen Niederlage um 15 Punkte steigern, ohne dafür substantielles dafür getan zu haben, außer sich intern zu streiten und nach außen zu schimpfen. Jobbik steht bei Ipsos so schwach da, wie lange nicht, hatten die Neofaschisten ja bereits Werte von weit über 20% vozuweisen. Die LMP kämpft um ihre parlamentarische Existenz, der Einzug der DK ist weiterhin fraglich.

Sozialisten sehen sich schon als Wahlsieger

 

„Ob mit oder ohne Wählerregistrierung, das ungarische Volk wird Fidesz vertreiben, genau wie es das im Laufe der Geschichte mit jeder politischen Macht getan hat, die auf Lügen aufgebaut war.” Das prophezeite der Vorsitzende der oppositionellen Sozialistenpartei, Attila Mesterházy, am vergangenen Samstag für die Wahlen im kommenden Frühjahr, erwähnte aber nicht, dass die letzte Vertreibung aus nämlichen Grunde genau seine Partei traf.

Die Sozialisten, so Mesterházy weiter, die die größte Oppositionspartei darstellen, werden dann als Sieger vom Platz gehen. Denn die Fideszpartei, so begründete Mesterházy seine forsche Prognose, „verliert an Selbstvertrauen und ist sich selbst nicht mehr sicher, dass sie die Wahl gewinnen wird.” Schließlich könnte die Regierungspartei keine befriedigende Erklärung dafür liefern, warum die Einführung der Vorregistrierung von Wählern www.pesterlloyd.net/html/1238wahlregister.html nötig war, obwohl das Wahlsystem in Ungarn in den letzten 22 Jahren reibungslos funktioniert hat. Hinzuzufügen wäre, vor allem für die "Sozialisten"...

Die sozialistische Partei bereitet sich, wie Mesterházy andeutete, schon auf den Regierungswechsel vor. „Wir werden den Fehler vermeiden, den wir 2006 gemacht haben, als wir im Wahl- und Regierungsprogramm verschiedene Dinge sagten”, versprach er. Vom 4. bis 5. Oktober wird die Partei ein Treffen in Westungarn abhalten um weitere Programnpunkte zu besprechen. Die Frage nach einem Spitzenkandidaten und die nach strategischen oder taktischen Wahlbündnissen, die als Grundsatzfrage für einen erfolgreichen Angriff auf die Regierungsmehrheit gilt, wird dort jedoch noch nicht - offiziell - geklärt sein. Immerhin will man "Programmatisches" besprechen, was an sich schon eine Neuheit wäre. Mit dem Realitätssinn, den der Parteichef kommuniziert, empfiehlt er sich immerhin auch für eine Karriere beim Fidesz, sollten die Genossen seiner irgendwann überdrüssig werden.

Mehr zum Zustand der Opposition insgesamt
Mehr zur Lage der MSZP
Überlegungen von Ex-Premier Bajnai zum Machtwechsel
Zur Rolle von Ex-Premier Gyurcsány innerhalb der Opposition

Gyurcsány will Europa um Hilfe gegen Wählerregistrierung anrufen

 

Wie Ex-Premierminister Ferenc Gyurcsány bereits bei seinem einwöchigen Hungerstreik gegen die gesetzlich vorgeschriebene Vorregistrierung von Wählern betont hatte, erfordern dramatische Probleme auch dramatische Maßnahmen. Doch da eine Woche Fasten  anscheinend nichts geholfen hat, kündigte die kleine Oppositionspartei Demokratische Koalition (DK), der Gyurcsány vorsteht, weitere "dramatische Maßnahmen" an. Sie wollen, wie sie in einem Statment erklärten, beim Grundrechtekommissar der EU, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und der Venedig-Kommission Beschwerde über das Gesetz zur Wählerregistrierung einreichen und die Institutionen bitten, einen solchen Eingriff in das geltende Recht zu verhindern. Das neue Gesetz, das die Vorregistrierung von Wählern bei der Wahl im kommenden Frühjahr vorschreibt, , ist, laut DK, nichts als „eine abscheuliche und betrügerische Methode, die Macht der Orbán-Regierung gegen den Willen der Wähler aufrecht zu erhalten.” „Schließlich”, so erklärte der Sprecher der Partei, „ist die Teilnahme an Wahlen ein Grundrecht, das nur  beschnitten werden darf, wenn es nötig ist, um ein anderes Grundrecht zu schützen.” Die Sperrung der Vorregistrierung 15 Tage vor der Wahl, werde aber zweifellos vielen Bürgern das Recht nehmen, ihre Stimme abzugeben.

red. / e.g. / m.b.

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