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(c) Pester Lloyd / 44 - 2012   WIRTSCHAFT 29.10.2012

 

Überholen auf der rechten Spur

Ungarn will den Ikarus als "Nationalbus" wiederbeleben

Die Regierung Orbán plant und werkelt seit Monaten an der Errichtung eines staatseigenen Busherstellers. Die berühmte Marke Ikarus soll dabei wieder zu alten Ehren kommen, im Rahmen eines "Nationalen Busprogrammes" und unter der Ägide der staatseigenen Rába Werke. Ob das Projekt effizient umzusetzen sein wird, spielt weniger eine Rolle, Hauptsache es ist "Made in Hungary" und die Umsätze bleiben in der "Familie"...

Der Ikarus, wie er noch immer zu Abertausenden die Straßen Osteuropas bevölkert, hier eine in Polen angesiedelte Variante...

Ein großes Geheimnis waren die Pläne des "Nationalen Busprogrammes" freilich nicht mehr, denn der Einstieg des Staates beim Spezialfahrzeug- und LkW-Achsenhersteller Rába vor zwei Jahren, die kürzliche Erhöhung der Anteile auf über Dreiviertel (genau 76,8%) sowie die immer wieder erfolgte Verschiebung von dringend nötigen Busanschaffungen seitens der größten inländischen Nutzer Volánbusz und BKV, hatten eben diesen Grund. In einer der letzten Aussendungen der in Györ ansässigen Rába Werke hieß es dann auch beiläufig, dass man Fahrzeuge für den öffentlichen Nah- sowie den Regionalverkehr als neue strategische Produkte mit in die Fertigungspalette aufnehmen wolle.

 

Rába hatte sich schon einmal um 2000 mit einem selbstgefertigten Bus am Markt beworben, war damit aber gescheitert und zahlte viel Lehrgeld. Bei Spezialfahrzeugen, von Feuerwehrautos bis Munitionstransportern für die Armee, vor allem aber Achsen und anderen Teilen für LkW, hielt man sich über Wasser. Rába kommt dabei zu Gute, viele Mitarbeiter in den Reihen zu haben, die früher bei Ikarus arbeiteten, dem führenden Bushersteller im gesamten Ostblock und in den Achtzigern sogar einem der größten Bushersteller der Welt, dessen Nachlass in Form von Karosserie- und Zulieferbetrieben bei unterschiedlichen Eigentümern noch immer über das Land verteilt ist.

Und eben diese Marke soll nun, in Verschmelzung mit Rába wieder erstehen. Man sei dazu bereits in Verhandlungen mit dem Markeninhaber, der zufällig ein guter Bekannter der Regierung ist, nämlich der Nationaloligarch Gábor Széles, der bei diversen "Privatisierungen" seine Hände im Spiel hatte. Gleich nach der Wende schnappte er sich Videoton, (Videoton Székesfhérvár ist Orbáns Lieblingsmannschaft und Spielerpool seines Privatclubs in Felcsút) und hat es mit denen zu Militäraufträgen und einem Werk in der Ukraine gebracht. Mitte der 2000er kaufte Széles dann mit seinem Unternehmen Muszertechnika in einer Kooperation mit Renault-Iveco die privatisierte Ikarus von der französisch-italienischen Investmentgurppe Irisbus zurück.

Premier Orbán und Regionaloligarch Széles im Gespräch

Széles wusste immer die Nähe zur Politik zu nutzen, er war nicht umsonst Vorstand der konservativen Wendepartei MDF und überholte, als diese - wie alles rechts der Mitte - von Fidesz aufgesogen wurde, Orbán auf der rechten Spur. 2006 kaufte er die Tageszeitung Magyar Hírlap, die er zu einem grimmigen nationalistischen Hetzblatt umgestaltete, in dem u.a. der Orbán-Freund und Fidez-Mitgründer Zsolt Bayer, sozusagen der "Stürmer Orbáns", regelmäßig seine - auch antisemitischen - Tiraden absetzen darf. Die "Friedensmärsche" pro Orbán werden von Széles als Mitinitiator öffentlich unterstützt, beim ersten lief er noch in der ersten Reihe mit, beim letzten konnte er nur gerade nicht, weil er auf den Malediven weilte. Genauso nachtragend und kleinlich wie Orbán bei seinen Widersachern ist, so dankbar und großzügig zeigt er sich den Treuen. Mit ihm, so darf man sicher sein, wird sich die Regierung bald handelseinig sein. Dabei geht es nicht nur um Namen und Marke, sondern vor allem um Know How und Patente.

Ikarus reüssiert seit Széles Übernahme in diversen Firmenkonstrukten mit neuen bzw. adaptierten Modellen in Lateinamerika und den USA, die ungarischen Fabriken wurden versilbert oder zu Zulieferern umgewandelt. Ansichtsexemplare neuer Modelle von O- und Omnibussen schickte man zwar auch ins Rennen um Aufträge beim Budapester Nahverkehr, doch in Ungarn stellte man in den letzten Jahren praktisch nicht einen kompletten Bus her, merkt zu dem Thema recht süffisant die ungarische Wirtschaftszeitung HVG an.

Im Lande gibt es zwei bis drei qualifizierte Bushersteller, die seit Jahren auf große öffentliche Aufträge warten und auch entsprechend gebückt um diese buhlten. Hoffte man doch, nach der systematischen Ausplünderung des öffentlichen Nahverkehrs durch die Vorgängerregierungen nun auf geordnete Bahnen und den unvermeidlichen Sanierungsschub. Doch der technisch längst gebotene Austausch von tausenden, veralteten Bussen wurde immer wieder aufgeschoben, weil das Budget aus äußeren und hausgemachten Gründen keinen Forint dafür hergab. In diesem Jahr wurden bisher in Ungarn 33 neue Busse zugelassen, selbst das kleine Estland schaffte dreimal mehr, in der Slowakei waren es fast 200. Dass das künstlich etwas zurückgehalten wird, liegt also auf der Hand.

Ein neuees Ikarus-Modell von 2010 auf Präsentationsfahrt durch Budapest

Mit großem Aufwand wird nun der nationale Ehrgeiz der Regierung einen neuen Buss fabrizieren, womöglich auf Kosten vieler Arbeitsplätze bei anderen Herstellern und auf Kosten des Wettbewerbs. Ob die "Nationalbusse" besser und billiger werden als die der privaten Konkurrenz, darf angezweifelt werden, die neue Regierung ist es schließlich auch nicht geworden. Doch die Mehrkosten haben einen politischen Zweck und werden ohnehin vom Bürger getragen, daher sind sie in den Augen der Machthaber zu rechtfertigen.

 

Intern wird sogar über eine Kooperation mit Volvo aus Schweden gesprochen, was die Geschichte nur noch absurder machen würde. Aus "strategischen Gründen" will die Regierung einen "nationalen Bushersteller", holt sich dazu aber nicht ungarische Spezialisten, sondern ausgerechnet einen ausländischen "Multi" ins Boot? Die ganze Busgeschichte könnte am Ende nur der Anfang einer ganzen Telenovela "Orbáns Wunderland" werden, denn bei Banken, Wurstfabriken und der Gasversorgung hat man nämlich ganz ähnliche Ambitionen wie bei der Busherstellung, nicht zu vergessen auch der fliegende Nationalbus, die neue "globale, nationale" Fluglinie, die in nur wenigen Wochen aus dem Boden gestampft werden soll. So gesehen wäre der Ikarus nicht nur für Busse, sondern für die gesamte hochfliegende Planwirtschaft der Orbán-Regierung die passende Marke.

cs.sz. / red.

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