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(c) Pester Lloyd / 46 - 2012   NACHRICHTEN 14.11.2012

 

Studenten an der Leine

Bildungsreform: Ungarn droht neues Vertragsverletzungsverfahren der EU

Diesmal geht es um die "Höhere Bildung", also Reformen rund um das Hochschulwesen und Universitäten. Trotz vorheriger Mahnungen hält die Regierung am Leinenzwang für Studenten bzw. Absolventen fest und verstößt damit gegen eine der größten europäischen Errungenschaften: die Freizügigkeit. Das lässt die EU nicht durchgehen, vieles anderes der "großen" Bildungsreform indes schon...

Budapest. Februar 2012. Studenten protestieren gegen die Bildungspolitik von Hoffmann und Orbán.
“Es ist meine Zukunft!” steht auf einem Transparent. Die Proteste sind derzeit abgeflaut,
viele resignieren, viele gehen schon zum Studium ins Ausland...

Ein Brief mit einer begründeten Stellungnahme und Aufforderung zur Klärung, die offizielle Vorstufe zum Vertragsverletzungsgefahren, geht in einigen Tagen auf den Weg von Brüssel nach Budapest. Darin wäre eine ganze Liste mit "Bedenken" zu finden. Ungarn hat dann 10 Wochen Zeit für eine Antwort. Hauptkritikpunkt der EU ist die gesetzliche Regelung, wonach Studenten mit Beginn des Studiums einen Vertrag unterzeichnen müssen, der sie nach ihrem Abschluss zwingt, mindestens die doppelte Zeit ihrer Ausbildung in Ungarn zu arbeiten, andernfalls würden ihnen die Gesamtkosten der Ausbildung in Rechnung gestellt.

Die EU sieht darin einen Verstoß gegen das EU-Grundrecht auf Freizügigkeit innerhalb der EU. Dazu hatte es vor Monaten bereits Gespräche zwischen der EU und der Bildungsstaatsekretärin, Rózsa Hoffmann gegeben (siehe Links unter dem Text). Diese hatte im Februar in Brüssel erklärt, dass die Regelungen "niemanden in seiner Bewegungsfreiheit einschränken" würden, denn sie hätten ja die freie Wahl, einen Studentenkredit aufzunehmen oder "ihre Familien ihre Ausbildung bezahlen zu lassen". Niemand würde "in Ungarn einbetoniert."

Die "Schollenbindung" hat die Regierung mit der Begründung eingeführt, nicht für die Ausbildung zahlen zu wollen, um dann die jungen, klugen Köpfe ans Ausland zu verlieren. Ausreichend und adäquat bezahlte Arbeitsplätze für Absolventen gibt es in Ungarn noch weniger als in anderen EU-Ländern. Das Gesetz hat nun zur Folge, dass viele Ungarn gleich im Ausland studieren gehen, um der staatlichen Gängelung auszuweichen.

Die Regelung ging außerdem einher mit einer massiven Kürzung staatlich finanzierter Studienplätze, etliche "nationalwirtschaftlich" als "nicht nützlich" einsortierte Studiengänge sollen ausgetrocknet werden, während eine staatliche Kaderuniversität mit üppigen Mitteln ausgestattet wurde. Auch die Hochschulautonomie hinsichtlich Personal, Finanzen und Fakultätsfreiheit wurde aufgehoben.

 

Übrigens wurden gerade auch die Schulen verstaatlicht, einschließlich des kompletten Durchgriffs auf Lehrpläne und Lehrer, einschließlich antisemitischer Schriftsteller wie Wass und Nyirö im Literaturkanon des Rahmenlehrplans und vormilitärischer Ausbildung wie in der DDR. Doch dafür zeigt sich die EU nicht zuständig, das ist “Ländersache”. Auch die strukturelle Segregation der Romakinder in Sonderklassen spielte auf EU-Ebende noch keine Rolle, obwohl das auch eine Frage von Grundrechten ist.

Pikanterweise fällt die Problematik Reisefreiheit für Absolventen in den Arbeitsbereich des Kommissars für Arbeit und Soziales, der vom Ungarn László Andor betreut wird und der sich schon desöfteren des Vorwurf des "Landesverräters" gefallen lassen musste, u.a. als es um die Aufnahme eines Defizitverfahrens ging. Andor kann sich bei den Regierenden also weiter beliebt machen.

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red

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