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(c) Pester Lloyd / 49 - 2012   WIRTSCHAFT 07.12.2012

 

Kampfpreis

Ungarn senkt die Gas- und Strompreise um 10% - warum?

Ja, ist denn heut´ schon Weihnachten? Viele Konsumenten wird die von der Regierung heute angekündigte Preisreduktion bei Gas und Strom ab 2013 von immerhin rund 10% freuen. Es ist schließlich die erste Maßnahme dieser Regierung, die auch den unteren Einkommensschichten eine Entlastung bringt. Doch mit dieser "Sozialmaßnahme" will die Regierung vor allem die ausländischen Energiekonzerne aus dem Geschäft drängen, ein ziemlich riskantes und womöglich sehr teures Spiel.

Premier Orbán kämpft für sein Volk...

Orbáns Kabinettschef begründet den ungewöhnlichen Schritt damit, dass in den Jahren der "sozialistischen Herrschaft", gemeint sind die Jahre 2002 bis 2010, die Energiepreise für private Endkunden um insgesamt 200% gestiegen seien und eine ungarische Familie im Schnitt rund 20% ihres Einkommens für Gas und Strom berappen muss, während eine deutsche dafür nur rund 6% des verfügbaren Einkommens ausgeben muss. Nun könnte man meinen, das liegt an den zu niedrigen Löhnen in Ungarn, doch laut Lázár liegt es an den zu hohen Energiekosten. 3,8 Millionen Familien werden "gleichmäßig von den Preissenkungen profitieren", 76% davon heizen mit Gas, was die Belastung besonders hoch macht, es gäbe nur noch einige "kleinere technische Fragen zu klären". Nur rund 70% der Stromkunden werden auch in den Genuss des Nachlasses kommen.

Die "Kleinigkeiten" von denen Lazár spricht, sind folgende: da derzeit noch rund ein Viertel, mit dem Kauf der E.ON-Gastöchter bald mehr als die Hälfte der Nahversorgung mit Gas in staatliche Hände fällt, entgehen dem zentralen Budget rund 23,5 Milliarden Forint (ca. 83 Mio. EUR) pro Jahr, wie das Wirtschaftsportal in einer ersten Schätzung mutmaßt. Diese Gelder müssen irgendwo anders beschafft werden, sonst fliegt das Defizitziel davon. Ungarn hat dieses Geld nicht.

Eine andere "Kleinigkeit" betrifft die Energiekonzerne, die rund 90 Milliarden Forint (317 Mio. EUR) pro Jahr an Einbußen hinnehmen sollen. Das entspricht nicht von ungefähr den geschätzten Gesamtgewinnen, die im ungarischen Gas- und Stromeinzelhandel realisiert werden. Doch damit entgeht dem Staat auch Mehrwert- und Körperschaftssteuer, 2013 entfällt übrigens zeitgleich die Krisensondersteuer für Energieunternehmen, bzw. wird in eine höhere Köreperschafts(Robin-Hood-Steuer) umgewandelt, die natürlich mit geringeren Einnahmen auch geringer ausfällt. Wohlweislich hat man mit der Erschließungssteuer den Energikonzernen eine neue umsatzunabhängige, weil nach Metern berechnete Bürde auferlegt.

Kurz: der Staat will die überweigend ausländischen Gesellschaften, die das Liefergeschäft in Ungarn beherrschen,vergraulen und so leichter sein Ziel erreichen, die Endversorgung der Konsumenten mit Energie in die eigenen Hände zu nehmen und "auf non-profit-Basis" zu führen, wie es schon vor Monaten als "nationalstrategisches Ziel" ausgegeben wurde.  In einem Nebensatz bestätigte Lázár mit der Preissenkung auch, dass der Rückkauf der E.ON-Gastöchter finalisiert ist und auch die strategischen Reservelager für Erdgas in staatlichen Besitz (MVM) übergehen.

 

Wäre das geschafft, gibt es da noch eine "Kleinigkeit": "Ungarns Energieliefersystem steht unter starkem Druck. Die Investitionen wurden stark zurückgefahren..." analyisiert das Wirtschaftsfachblatt Portfolio. Doch ein so komplexes System, wie das der Gas- und Energieversorgung braucht ständige Investitionen und hohes technisches Know how, beides wäre aber dann von der budegtären Konjunktur und den wirtschaftlich irrationalen Sprüngen politischer Entscheidungsträger abhängig, was böse Überraschungen von Lieferausfällen bis hin zu sprunghaften Preissteigerungen führen kann, irgendwann führen muss.

Der ungarische Energiemarkt hat schon eine Menge erlebt, vom Staatsmonopol über die Liberalisierung einschließlich staatlicher Profitgarantien, dann wieder Regulierung, Kompensationszahlungen und Robin-Hood-Steuer, nun also wieder Preisdiktat und Quasi-Rückverstaatlichung. Die 10% gibt es sozusagen als Aktions-Bonus dazu, sind eine Art Einführungspreis für die neue Planwirtschaft und ein Kampfpreis gegen die Konkurrenz. Die bisherige wirtschaftliche Performance dieser Regierung gibt wenig Anlass zu hoffen, dass sie diesen so sensiblen und wichtigen Bereich kostendeckend managen wird. Allerdings gab die Performance der privaten Anbieter weder preislich noch technisch ein viel beruhigenderes Bild ab.

Die Regierung redet sich die Welt einfach schön und überlässt anderen komplexere Überlegungen und Zweifel. Sie werde dafür sorgen, dass die Gas- und Stromlieferanten ihre Einbußen nicht auf die Konsumenten umlegen (hat ja schon bei den Banken prima geklappt...) und die Einnahmeausfälle durch den 10%igen Preisnachlass für fast vier Millionen Haushalte würden durch ein Steuerplus durch höheren Konsum wieder wett gemacht. Das hatte man damals bei der Flat tax auch geglaubt und sich schwer geirrt. Der zuständige Staatssekretär gestand vor Presseleuten ein, dass es bis jetzt noch keine "finale Finanzanalyse zum Einfluss auf den Staatshaushalt" gibt. Er "glaubt" aber, "die Einflüsse werden positiv sein". Na dann.

cs.sz.

 

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