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(c) Pester Lloyd / 06 - 2013   POLITIK 04.02.2013

 

"Dialog" gegen Paralyse

Abtrünnige Grüne in Ungarn gründen neue Partei und streiten mit der alten

Die Gründung der Partei "Dialog für Ungarn" ist nun beschlossene Sache und die Rest-LMP will "ihre" Mandate zurück. Es ist nach MSZP/DK, Jobbik/MIÉP bereits die dritte Spaltung einer oppositionellen Parlamentspartei in dieser Legislaturperiode. Benedek Jávor, der abtrünnige Gründe, spricht daher sowohl von einer Krise des Landes als auch einer Krise der Opposition. Ein klares Programm und die Offenheit für eine Allianz sollem beiden begegnen.

Die designierte Doppelspitze von “Dialog für Ungarn”, Benedek Jávor und Timea Szabó.

Es wäre nur fair und richtig, wenn die acht aus der LMP ausgetretenen Parlamentarier auch ihre Mandate zurückgeben, schließlich repräsentieren sie nun nicht mehr die politische Richtung, für die sie kandidiert haben und gewählt worden. So richtet es der Gruppe um Ex-Fraktionschef Benedek Jávor, die letzte Woche die Spaltung der Partei wegen dogmatischer Kooperationsverweigerung betrieb, eine LMP-Sprecherin aus, über das Fernsehen. Sie verkennt, verständlich beleidigt, dass auch in Ungarn ein Mandatar nur sich und seinem Gewissen, das bestenfalls aus seinen Wählern besteht, verpflichtet ist. Gescheitert sind auch die Gespräche, die aus praktischen Erwägungen einen weiteren Zusammenhalt wenigstens der Fraktion zum Ziel hatten. Am Ende sollte es nur um einen neuen Namen gehen, aber das Tischtuch ist tief zerschnitten, es führt kein Weg zurück. Möglicherweise verliert nun sogar die Rest-LMP (sieben Mann) im Parlament den Fraktionsstauts.

Am Wochenende gab es den Vorgründungskongress der Partei "Dialog für Ungarn", Bendek Jávor und seinen sieben Parlamentskollegen folgten rund 100 LMPler, viele der ersten Stunde. In einer Grundsatzrede konstatierte der designierte Parteichef Jávor, dass Ungarn im Januar 2013 in einer tiefen Krise steckt. Eine Krise, auf die die Oppositionkräfte keine passende Antwort geben könnten, weil sie selbst in der Krise stecken. Im jetzigen Zustand sei man nicht in der Lage, die Wähler (vor allem die Unentschlossenen, Verzagten) davon zu überzeugen, eine sinnvolle Alternative für einen Machtwechsel darzustellen. Diese "Paralyse" der Opposition müsse nun "durchbrochen" werden, auch daher gründete man - was zunächst paradox - klingt, eine weitere Partei.

"Dialog für Ungarn" wird sich aller Voraussicht nach "Gemeinsam 2014" anschließen, ein Ansinnen an dem der Dialog in der LMP letztlich auch gescheitert war. Ziel ist es, dort im Bereich Mitte-Links, vor allem aber bei frustrierten Fidesz- und notorischen Nichtwählern auf Stimmenjagd zu gehen, ohne sich stimmentechnisch zu kannibalisieren. Daher wird es die Mitte-Links-Wahlallianz geben und Absprachen mit der MSZP, auch wenn die es - mit ihrem erblich scheinenden Führungsanspruch - der neuen Bewegung nicht gerade leicht macht. Die MSZP glaubt, mit einer reinen Anti-Kampagne ihre Wähler am besten mobilisieren zu können. Hauptsache, Orbán ist weg. Das wird, bei allem Frust, nicht genügen, wie auch aktuelle Umfragen bestätigen. So kann und wird sich "Gemeinsam 2014", zumal mit dem Ökonomen und Ex-Premier Bajnai an der Spitze, als Partei der inhaltlichen Alternative empfehlen.

Jávors politische Grundsätze kongruieren schon sehr mit den Äußerungen des "Gemeinsam 2014"-Trios Bajnai (Heimat und Fortschritt), Kónya (Szolidaritás) und Juhász (Milla). Die Politik der Zukunft müsse Ungerechtigkeiten und soziale Spaltung beenden und endlich langfristige soziale, ökonomische und ökologische Programme bieten. "Adäquate Arbeit, von der man leben kann", "echte Jobs, keine statistischen Tricksereien" brauchen die Menschen. Dazu brauchte es aber eine Wissensgesellschaft, keinen Untertanenstaat. Die öffentlichen Bürden, also die Steuerlast müssen anders verteilt werden, man habe dafür auch schon die Pläne ausgearbeitet. Jávor wird gut daran tun, sie mit "Gemeinsam 2014" abzustimmen.

Nun wolle man jedoch schnell eine arbeitsfähige Struktur schaffen, zwei Co-Vorsitzende, ein Mann und eine Frau, dazu weitere fünf sollen das Präsidum bilden. Die über die LMP erlangten Mandate werde man wahrscheinlich nicht zurückgeben, die abtrünnigen LMP-Stadtverordneten stellten das schon definitv fest, sie wollen eine neue Fraktion gründen.

 

Dass Jávors Truppe "Gemeinsam 2014" verstärkt und die LMP nach den nächsten Wahlen womöglich von der Bildfläche verschwindet, ist nur ein kleiner Seitenstrang der unendlichen Geschichte der zersplitterten Linken in Ungarn, aber ein Hinweis darauf, dass die Einsicht in die Notwendigkeit einer neuen Einheit reift. Denn nach wie vor dominiert mit der MSZP eine Funktionärspartei alter Prägung die Opposition, die in Attitüde und Regierungsstil nur die andere Seite der Medaille repräsentiert, deren ein die hegemonisierte Rechte das Landes darstellt. Beide betrachten das Land abwechselnd als ihre Beute und nur eine starke Kraft der Mitte, eine echte Bürgerbewegung, kann dieses in Ungar besonders ausgeprägte Dilemma des politischen Bipolarismus vielleicht irgendwann durchbrechen, wozu es aber Zeit und noch mehr Geist und Willen braucht.

red.

 

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