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(c) Pester Lloyd / 08 - 2013   POLITIK 22.02.2013

 

Todesstoß für den Off-Shore-Ritter

Regierung von Ungarn will Nationalbankchef vor Gericht bringen

Nationalbankpräsident András Simor, dessen Amtszeit Ende Februar ausläuft, sieht sich mit einem polizeilichen Ermittlungsverfahren wegen Amtsmissbrauchs, Verstoß gegen das Nationalbankgesetz etc. konfrontiert. Dass die Zentralbank ab März unbeschränkt in Regierungshand fällt, genügt nicht, am letzten im Amt befindlichen Widersacher Orbáns muss vollständige Rache geübt werden.

Die zentrale polizeiliche Ermittlungsbehörde hat auf Anweisung des Generalstaatsanwaltes (von Fidesz eingesetzt) ein Untersuchungsverfahren eingeleitet. Sich auf einen Bericht des ungarischen Rechnungshofes stütztend (Chef von Fidesz eingesetzt) wird Simor vorgeworfen, vertrauliche Geschäftsdaten der in Ungarn tätigen Banken "illegal" an den Internationalen Währungsfonds (IWF) weitergegeben zu haben, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft im Hauptabendprogramm des Staatsfernsehens verkündete. Simor hatte diese Vorwürfe schon vor einer Woche als "unwahre Behauptungen" zurückgewiesen, das Informationshandling wäre strikt nach den gesetzlichen Normen verlaufen.

Simors Amtszeit läuft Ende Februar aus, ihn durch einen partei- und regierungstreuen Mann zu ersetzen, um sodann ungestört von Mahnungen und Gegenstimmen
die angekündigte "kreative Finanzmarktpolitik" umzusetzen, einschließlich des Zugriffs auf die Devisenreserven, genügt der ungarischen Regierung offenbar nicht. Am letzten im Amt befindlichen Widersacher Orbáns will man Rache üben, in dem man ihn komplett demontiert und gleichzeitig die "Finanzhaie" vom IWF als gesetzlose Akteure hinstellt, womit der neuerliche Gesprächsabbruch wieder als Tat im "Befreiungskampf" Ungarns von Fremdmächten dargestellt werden kann.

Bereits seit 2010 wird Simor von Fidesz als "Off-Shore"-Ritter geführt, da er Geschäfte und Guthaben auf Zypern betrieb. Diese löste Simor erst auf öffentlichen Druck auf, wollte aber in seinem Engagement in einem EU-Land keine Verfehlung sehen. Rechtlich mochte das stimmen, moralisch war es natürlich verheerend, dass ausgerechnet der oberste Finanzwächter des Landes Gelder steuerschonend auf Inseln parkt, während der Durchschnittsungar unter einer immer stärkeren Steuerlast ächzte, ohne Chance ihr zu entkommen.

 

Doch Simor stand auf der anderen Seite für eine von der Regierung unabhängige Geldmarktpolitik und richtete Zinsentscheidungen und die Anwendung von anderen Instrumenten seines Institutes vorwiegend an der Wirkung auf die Währungs- und Preisstabilität aus. Die Regierungsspartei übernahm sodann über die Entsendung von externen Mitgliedern die Mehrheit im Währungsrat, die dafür sorgte, dass der Leitzins - gegen den Rat Simors - Monat für Monat gesenkt wurde, mit der Begründung, man wolle so Wachstum und Kreditvergabe ankurbeln und Forintkurs und Inflation müsste man nicht so eng sehen.

Die Unabhängigkeit der Zentralbank war und ist auch Thema von Vertragsverletzungsvefahren der EU.
Gerüchteweise wird Nationalwirtschaftsminister Matolcsy Simor nachfolgen. Die Märkte “freuen” sich schon darauf, gerade erst wieder tadelte er Simor, die Nationalbank habe “keine Visionen”...

red.

 

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