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(c) Pester Lloyd / 31 - 2013   WIRTSCHAFT 31.07.2013

 

Die Erste will nicht die Letzte sein

Konziliant und lamoryant: Ungarn bleibt Sorgenkind der Erste Bank Gruppe

Bei der Betrachtung der Geschäftslage der Erste Bank in Ungarn, werden die Spuren des mit exzessiven Forex-Kreditverlockungen geführten Verteilungskampfes der letzten Dekade sichtbar. Die Erste beklagt sich über eine extrem hohe Steuerbelastung in Orbáns Ungarn und glaubt weiterhin für kommendes Wachstum unverzichtbar zu sein. Dabei ist das gesellschaftlich wie ökonomisch destruktive Potential von Banken mindestens so hoch und gefährlich wie das der Politik.

Erste-CEO Andreas Treichl kann sich seine Aussichten in Ungarn an fünf nicht verbrannten Fingern abzählen. Hier bei der Pressekonferenz in Wien am Dienstag. Foto: Erste Group.

Die Erste Bank hat Anfang der Woche ihre Halbjahresergebnisse vorgelegt und weist einen Reingewinn von 301 Mio. EUR aus, die Gewinnerwartungen der Gruppe für das zweite Quartal wurden darin mit 125 Mio. EUR Gewinn nach Steuern etwas unterboten. Ungarn bleibt das größte Sorgenkind der Ostaktivitäten, wohingegen die Töchter in Tschechien und der Slowakei stabil Gewinne einfahren und sogar Rumänien bald wieder schwarze Zahlen schreiben wird. Die Erste meint, Ungarn braucht die Banken für ein stabiles Wachstum. kann und wird es aber sobald nicht beweisen....

Fast die gesamte Steuerlast ins erste Halbjahr geladen

Die Erste musste im ersten Halbjahr in Ungarn einen Großteil der Jahressteuerlast schlucken: neben den nochmals gestiegenen Risikorücklagen (lies: Abschreibungen) für den immer noch steigenden Anteil an "non-performing", also faulen Krediten, die jetzt immer häufiger im Firmenkundensegment zum tragen kommen, blutete man vor allem wegen der neu eingeführten Finanztransaktionssteuer, die im Laufe des Berechnungszeitraumes bereits verdoppelt wurde. Hinzu kam noch eine Einmalzahlung, weil das staatliche Steuerziel aus dieser Steuer verfehlt wurde. Sodann musste eine Abschlagszahlung auf die gesamte 2013 fällige Banken"sonder"steuer getätigt werden, weitere Verluste brachte das Forex-Kreditumtauschmodell.

Alle diese Posten summierten sich auf rund 80 Mio. EUR, außerdem reduzierten sich die Nettozinseinahmen im ersten Halbjahr 2013 um fast 40 Mio. EUR bzw. 22,4% auf 136,6 Mio. EUR, was in erster Linie auf die gesunkenen Zinsen aus Staatsanleihen zurückzuführen ist. Interessanterweise konnte man die Einnahmen aus "Kommissionen und Gebühren" gleichzeitig um stattliche 23,4% auf 55,9 Mio. EUR steigern, was bedeutet, dass man die Kundschaft an den gestiegenen Abgabenbelastungen durchaus kräftig teilhaben lässt, freilich ohne sie zur Gänze zu kompensieren. Das Kosten-Umsatz-Verhältnis verbesserte sich von 43,6% im Vorjahr auf 38,2%.

Erste ist die meisbelastete Bank der Welt?

Erste CEO Andreas Treichl zeigte sich auf einer Pressekonferent enttäuscht, dass es (auch die ungarischen) "Politiker offenbar so wollen", dass sein Institut die "höchstbesteuerte Bank der Welt ist" und "in absoluten Zahlen" in der Region mehr Steuern zahlt als Deutsche Bank und Goldman Sachs. Treichl hat auch keine Hoffnung, dass sich das in näherer Zukunft ändern könnte. Man sei ja bereit, Bankensteuern etc. zu zahlen, "aber nicht in einer Höhe, die uns die Wettbewerbsfähigkeit nimmt".

Immerhin sei der Ton der ungarischen Regierung bei Verhandlungen über kommende Maßnahmen in den letzten Monaten "konzilianter" geworden. Denn auch in Budapest habe man gemerkt, dass "Wachstum ohne Banken nicht möglich" ist, das stimme ihn "hoffnungsvoll". Wachstum aber sei es, was Ungarn am dringendsten brauche, nun, da der Haushalt einigermaßen stabil, die Zinsen niedrig und das Defizitverfahren beendet ist.

Staatskontrolle über Banken nur Polittheater?

Angesprochen auf
kolportierte Pläne zum gesetzlichen Zwangsumtausch von Forex- in Forintkredite in Ungarn und Kroatien, sagte Treichl, dass "die erzwungene Konvertierung nicht für die Banken, sondern für den Staatshaushalt ein massives Problem darstellt", daher werde der Enthusiasmus zu dieser Idee bald verfliegen, sagte der Bankchef, vielleicht etwas leicht daher, immerhin stellte der Fidesz-Fraktionsschef Ausfälle von bis zu 3 Mrd. EUR in den Raum.

Treichl mochte sich verständlicherweise nicht darauf festlegen, wann die Erste denn in Ungarn wieder schwarze Zahlen schreiben könnte. Sollte das im nächsten Jahr bereits der Fall sein, wäre er sehr überrascht, aber natürlich glücklich, planen tut man damit aber nicht. Auf die Frage, was Treichl von Orbáns Ankündigung halte,
wenigstens die Hälfte des Bankensektors in ungarische (lies: staatliche) Hand bzw. Kontrolle zu bekommen, sagte er, dass er ihn mit seinem Vater zusammenbringen könnte, der würde ihm schon was erzählen über verstaatlichte Banken. Die Erste fürchtet eigentlich nicht, in die Ecke gedrängt zu werden, Orbáns Aussprüche sind "doch eher politischer Natur."

Rumänien schafft 2013 den turnaround

Die Volkswirte der Ersten sehen für die gesamte Region Ostmitteleuropa eine "leichte Verbesserung der ökonomischen Performance" im zweiten Halbjahr 2013, dennoch wurde die Prognose für das Betriebsergebnis 5% niedriger angesetzt als im Vorjahr, da man kaum erwartet, die sinkenden Umsätze mit gleich starken Kostenreduktionen auffangen zu können. Die Bankensteuern, die man in Österreich, der Slowakei und Ungarn hinblättern muss (rund 260 Mio. EUR) werden das Nettoergebnis wiederum negativ beeinflussen.

Optimistisch sieht man die Entwicklung für Rumänien, die dortige Tochter BCR habe bei den non-performing loans den turnaround geschafft, was der Hauptgrund dafür ist, dass die Risikokosten (Kreditausfälle) der gesamten Gruppe um 10 bis 15% reduziert werden können und die rumänische Tochtergesellschaft vermutlich schon Ende des Jahres in die Profitzone zurückkehren lässt. Ungarn ist übrigens die einzige Tochter, die im ersten Halbjahr ein negatives Ergebnis (-99 Mio. EUR) aufweist.

In Ungarn und Rumänien schossen die Kreditausfälle ins Kraut...

Die Kreditausfallraten in den einzelnen Ländern (korrekt: non performing loans, NPL) sprechen auch eine deutliche Sprache über den Zustand der dortigen Volkswirtschaften bzw. die Lage der Schuldner: während sich die NPL´s von Österreich, Tschechien und der Slowakei bei den Kunden der Erste Bank seit rund zwei Jahren recht stabil zwischen 5 und 5,6% bewegen, schossen sie in Ungarn mit 27,3% (immerhin 4 Prozentpunkte über dem Landesschnitt), in Rumänien mit fast 31% ins Kraut und sind seit fünf Jahren steigend. Das kommt davon, wenn man Leuten Kredite aufschwätzt, die in Wien nicht einmal einen Termin beim Bankberater bekämen, nur, um der Konkurrenz aus dem eigenen Lande ein paar Prozente Marktanteil streitg gemacht zu haben. (
Mehr zu den Folgen der massenhaften privaten Verschuldung)

Einschmelzung des Kreditvolumens ist erstes Geschäftsziel

Die Marschrute, die sich daraus ergibt, ist auch angesichts der politischen Unwägbarkeiten in Ungarn glasklar. So wie in Tschechien und der Slowakei ist es das erklärte Ziel, die bestehenden Kredite durch lokale Kundeneinlagen weitgehend zu decken und kein fremdfinanziertes Wachstum mehr anzustreben. Freiwerdendes Kapital aus Nettokreditrückzahlungen wird konsequent abgezogen. Die Dimensionen sind nicht so gigantisch, dass die Zielvorgaben nicht in ein paar Jahren zu bewältigen wären.

Während in Tschechien und der Slowakei das Einlage-Kreditverhältnis sehr gesund ausschaut und bei 26,7:19,1 bzw. 8,6:7,3 Mrd. EUR liegt und es in Österreich mit 65,1:65,3 praktisch ausgeglichen ist, sind in Ungarn mit 4,6 zu 5,9 Mrd. sowie in Rumänien mit 8,2 zu 11,4 und Kroatien mit 4,5 zu 6,6 Mrd. EUR die Spuren des übereifrigen Kampfes um Marktanteile, des Goldrausches der Jahre bis ungefähr 2008 doch noch sehr sichtbar. Andere Banken in Ungarn, auch ausländische, sind schon seit geraumer Zeit wieder in der Gewinnzone, die Erste will da nicht die Letzte sein.

Wer schadet der Wirtschaft mehr: Banken oder Staat?

Dass die Reparaturarbeiten daran vor allem eine prolongierte Kreditklemme für den kapitalmarktabhängigen Mittelstand bedeutet, dessen Vitalität allerdings so wichtig für die Konjunktur in Ungarn und anderen CEE-Ländern wäre, kann man sich an den fünf noch nicht verbrannten Fingern leicht abzählen. Die Erste hat, ebenso wie die Raiffeisen, bereits auch massiv Stellen abgebaut und Filialen geschlossen, die (öst.) Volksbanken schmissen gleich ganz hin und verschenkten sich mehr oder weniger an einen russischen Investor.

 

Ob Premier Orbán - sei er nun plötzlich noch so "konziliant" - unter diesen Umständen die Erste wirklich als hilfreichen Partner für ein Wirtschaftswachstum in Größenordnungen gewinnen können wird und will, bleibt sehr zweifelhaft, denn die dahingehende kanonische Lehrmeinung Treichls, dass es ohne Banken kein Wachstum geben könne, kann ja auch eher politischer Natur gewesen sein. Die Frage, ob Banken oder Staaten wichtiger für die Wirtschaft sind, bleibt unentschieden. In Österreich gibt es kaum eine Trennung zwischen beiden und in Ungarn haben beide bisher eher ihre destruktiven Kräfte in Ökonomie und Gesellschaft unter Beweis gestellt. Die Banken haben hier viele Existenzen zerstört, die Politik raubte ihnen dazu noch die Perspektive.

cs.sz., red., m.s.

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