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(c) Pester Lloyd / 38 - 2013   WIRTSCHAFT / POLITIK 20.09.2013

 

Stromschlag

Ungarn will Energieversorgern gesetzlich untersagen, Gewinne zu machen

Freitagmorgen erklärte Ministerpräsident Viktor Orbán im Rundfunk, dass das Parlament spätestens im Frühjahr 2014, noch vor den Wahlen, über ein Gestz abstimmen soll, das Versorgungsdienstleistungen im Energie- und Kommunalbereich für private Endabnehmer zu einem non-proft-Bereich erklären soll. Während Orbán sich im Taumel seines "Befreiungskrieges" suhlt, schwant Ökonomen schon eine teure Renaissance des Realsozialismus`.

Hough, ich habe gesprochen. Premier Orbán am Freitag im Kossuth Rádió, seinem nationalen Befreiungssender...

Erst vor wenigen Tagen bremsten Fidesz-Funktionäre noch: non-profit sei zwar angedacht, aber ein Gesetzentwurf längst noch nicht spruchreif. Fraktionschef Rogán gab sich vernünftig: Enerigeversorger sollten schon Gewinne machen, aber nur wo viel, wie nötig und sozial verträglich. Die eigenen Leute unterschätzten ihren Boss - wiedereinmal. In der Sendung "180 Minuten" auf Kossuth Rádío, auch bekannt als "Freitagspredigt", konnte er nicht mehr an sich halten: Orbáns Machtwort bedeutet, dass Strom-, Gas-, Fernheizungsversorger, aber auch (wie teilweise schon gängig) Müllabfuhr, Wasser- und Abwasserdienstleister etc. keine Gewinne mehr machen dürfen. Er begründete das mit den bekannten Formeln, wie: niemand solle von den Grundbedürfnissen der Menschen profitieren (was ist dann mit dem Lebensmittelhandel, Mieten, den Benzinpreisen auf Rekordniveau, Gewinngarantien für die Fidesz-Tabakläden?). Und es müsse verhindert werden, dass ausländische Multis weiter Milliarden ins Ausland brächten.

Details blieb der Premier weitgehend schuldig, jedoch ist davon auszugehen, dass den Versorgern eine maximale Handelsspanne auf den Großhandelspreis zugestanden werden muss, damit Investitionen und Kosten auch nur annähernd gedeckt werden können. Experten halten den Vorstoß Orbáns für volkswirtschaftlich waghalsig, schon jetzt müssen Defizite kommunaler Dienstanbieter (z.B. Müllabfuhr) durch die Preisdeckelung aus Steuermitteln nachfinanziert werden, was die Preissenkungen über den Umweg des Staatsshaushaltes letztlich wieder aufhebt, weil die Steuerlast über Kurz oder Lang dem gestiegenen Nachfinanzierungsbedarf anzupassen ist. Zudem kosteten die kürzlichen Zukäufe der Regierung im Energiesektor bereits Summen, die durch Budgetreserven allein nicht mehr finanzierbar sind.
Hier mehr dazu.

Auch stellt sich die Frage, wie sich die Großhandelspreise entwickeln werden? Die Antwort: sie müssen zwingend steigen, da die Energieprovider ihre Gewinnausfälle im Einzelhandel kompensieren werden müssen. Zwar könnte diese Gesetzgebung dazu führen, dass Staat und Kommunen viele Provider ganz zum Aufgeben bringt und deren Unternehmen billig erwerben, langfristig werden dem Bereich jedoch Investitionen, Know how und Innovation entzogen, eine "realsozialistische" Entwicklung wäre unausweichlich und würde kostenseitig am Ende auf die Bürger zurückfallen. E.ON, RWE und Co. haben schon jetzt ihre Investitionen, auch dringend nötige, auf das absolute Minimun reduziert. Wie die EU auf eine derartige Wettbewerbsbeschränkung reagieren wird, dürfte ebenfalls auf der Hand liegen.

Nach Ansicht von unabhängigen Beobachtern hat Orbán den Mittelweg einer vernünftigen Regulierung der durchaus zur Profitmaximierung neigenden Branche verpasst und schlägt in ein nicht nachhaltig realisierbares Konzept um. Ein Vorgehen, das zur Blaupause seiner Regierungszeit geworden ist: ein Problem wurde richtig erkannt, die Lösung aber aus Kontrollbesessenheit, wahltaktischem Kalkül oder schlicht Größenwahn derart radikalisiert, dass sie letztlich nur ein neues Problem schafft.

 

Orbán hat sich festgelegt: die Senkung der Wohnnebenkosten ist die zentrale Botschaft im Wahlkampf, sei sie auch noch so wenig durchdacht.  Im Radiointerview macht er weitere Ankündigungen über Sozialmaßnahmen für den kommenden Winter (Budget für Feuerholzspenden auf 2 Mrd. HUF verdoppelt), weitere Senkungen im Versorgungsbereich (Kohlepreise), die Rückverstaatlichung weiterer 6-7 Versorgungsfirmen (Wasserwerke etc.), die Absenkung der Energiekosten für Unternehmen “auf US-Niveau” und unser Mr. 100.000 Volt kündigte an, seine "beispiellosen" Energiepreissenkungen, gegen "mächtige Gegner", die sich in der kommenden Zeit wieder "gegen unser Land" vereinen werden, zu verteidigen. Das mögen die Leute, das wollen sie hören.

Zum Thema:

"Wertlose Lüge"
Linke Opposition in Ungarn hält Energiepreissenkungen der Regierung für Taschenspielertrick
http://www.pesterlloyd.net/html/1336energiepreisluege.html

Fidesz-Fraktionsklausur: 11,1% Energiepreissenkung und Ultimatum an die Banken
http://www.pesterlloyd.net/html/1336klausur11prozent.html

Teurer Kurzschluss?
Energiepreissenkungen in Ungarn zwischen Populismus und wirtschaftlichem Risiko
http://www.pesterlloyd.net/html/1314teurerkurzschluss.html

Staatsmonopoly
Ungarn sucht dringend Finanziers für Staatsschulden und Orbáns Kaufrausch
http://www.pesterlloyd.net/html/1338staatsmonopoly.html

Schmerzensgeld
Wollte sich Ungarn über E.ON von deutscher Kritik freikaufen?
http://www.pesterlloyd.net/html/1338eonfreikauf.html

Ungarn muss für E.ON-Übernahme neuen Kredit aufnehmen
http://www.pesterlloyd.net/html/1335mvmkaufteon.html

red.

 

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