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(c) Pester Lloyd / 38 - 2013   WIRTSCHAFT 19.09.2013

 

Staatsmonopoly

Ungarn sucht dringend Finanziers für Staatsschulden und Orbáns Kaufrausch

Das ungarische Staatsschuldenamt ÁKK will bzw. muss noch in diesem Jahr - also bevor die Fed den Geldhahn zudrehen könnte - Schuldverschreibungen von bis zu 5 Milliarden US-Dollar bei in den USA tätigen Anlegern platzieren, dazu eine Euromilliarde in Anleihen platzieren, um seinen Finanzierungsbedarf für Devisenschulden zu decken. Doch Experten mutmaßen, dass Orbán mit dem teuren Geld auch seine Kriegskasse für weitere Übernahmen im Finanz- und Energiesektor aufstocken will. Ein sehr riskantes Hobby.

Vielleicht sollte die Schuldenagentur ÁKK ihrem Premier lieber solches Spielgeld drucken als echte Scheine in die Hand zu geben...

Derzeit durchläuft der entsprechende Antrag bei der zuständigen US-Behörde das Genehmigungsverfahren der für eine oder mehrere Emissionen berechtigt. Finanzstaatssekretär Gábor Orbán räumte ein, dass man das Geld noch "vor Ende des Jahres" brauche, um die durch die vorzeitige Rückzahlung des IWF-Kredites zusammengeschmolzenen Deviseneserven aufzustocken und fällige Anleihen umzuschulden. Die Finanzreserve des Staates (nicht zu verwechseln mit der Devisenreserve er Nationalbank) ist Ende August auf umgerechnet rund 3,1 Mrd. EUR zusammengeschrumpft, den niedrigsten Stand seit fünf Jahren.

Dummerweise ist das am freien Markt aufgenommene Geld deutlich teurer als der IWF-Hilfskredit, den man aus politisch-propagandistischen Gründen früher zurückzahlte, was den Bürger im Endeffekt bares Geld kostet. Aus dem Finanzministerium ist auch die Ausgabe einer weiteren Euro-Anleihe für dieses Jahr vorgesehen, mit den Details hält man sich aber noch bedeckt, spricht nur von "taktischen Gründen", Ende Januar 2014 laufen Anleihen über 1 Mrd. EUR aus, außerdem fährt die US-Regierung die freigiebige Geldausgabe allmählich zurück, was Schwellenländer vor Probleme bringen wird, daher die Eile in Budapest. Zwar hat der Fed-Chef soeben eine Fortsetzung der Politik der lockeren Hand zugesagt, doch ewig kann auch er so nicht weitermachen. Gerade erst hatten sich nochmal Russland und Rumänien in Washington eingedeckt, da will man nicht nachstehen.

Durchschnittliche Verzinsung von ungarischen 10-Jahres-Staatsanleihen, lt. ÁKK

Die Zinsspannen, die - nach einem dramatischen Hoch von bis zu 12% Anfang 2012 - bis Mitte des Jahres Marken von unter 5% erreichten und damit die niedrigsten seit Jahren waren, haben sich bei den letzten Begebungen wieder erhöht und erreichten bei 10-Jahres-Anleihen seit Sommer dauerhaft Werte von über 6% p.a.. Allein die Ankündigung der neuen Schuldscheine ließ die Zinsen für 10-Jahres-Papiere von aktuell 6.02 auf 6,17% ansteigen, im Quartal stieg der Zinssatz somit um 1,6 Prozentpunke, was Ungarn zum "Outperformer" in Ostmitteleuropa macht. Im Februar 2013 hatte Ungarn zuletzt eine 3,25 Mrd. USD schwere Anleihe ausgegeben. Sollte man die nun angekündigten 5 Mrd. USD ausschöpfen, würde Ungarn neben der Türkei und Russland zum drittgrößten staatlichen Nettoschuldner auf dem US-Markt.

 

Allerdings hegen Analysten den begründbaren Verdacht, dass die Aufnahme frischer Gelder über den reinen Umschuldungsbedarf des Schuldendienstes hinausgeht und Orbán sie auch für sein Staatsmonopoly nutzt, um u.a. weitere Aqusitionen auf dem Finanz- und Energiesektor zu finanzieren, wie u.a. die offenbar überzahlte Übernahme der E.ON-Gastöchter (870 Mio. EUR), der Kauf einer RWE-Tochter sowie die gerade erst angekündigte Übernahme eines großen Erdgaslagers der MOL für kolportierte 500 Mio. EUR. Bei diesen polit-strategischen Anschaffungen gibt es keinen ausrechenbaren "Return of Investment", zumal sich die Regierung durch ihre gesetzlichen Energiepreissenkungen selbst Umsätze und Steuereinnahmen reduziert, weshalb die Fremdfinanzierung hier zu einem hohen Nettoschuldenanstieg führen wird, der durch andere Budgetposten ausgeglichen werden muss.

Auch im Bankensektor, wo Orbán die Quote von "50% in ungarischer Hand" ausgab, wird es weitere Zukäufe geben, die sich nicht mal eben aus der Portokasse bezahlen lassen. Orbán träumt bereits laut davon, die Takarékbank ("durch eine einzige Anteilserhöhung") ganz zu übernehmen und so den "nationalen" Anteil in der Bankwirtschaft mit einem Schlag zu verdoppeln. Die staatliche Magyar Posta hat ja gerade ihren Minderheitsanteil an der Takarék auf Regierungszuruf erhöht, just als die Bank per Gesetz (fast) alle Spargenossenschaften, samt 1,1 Millionen Mitgliedern und deren Aktiva geschluckt hatte. Auch die MKB könnte auf der Wunschliste der Staatsbanker stehen, vielleicht ist die in den roten Zahlen agierende BayernLB-Tochter bald billig zu haben, denn die Bayern müssen sie wegen der kassierten Staatshilfe in Deutschland bis 2015 abstoßen, eine EU-Maßgabe.

Normaler Vorgang in einem kranken System

Auch wenn die Umschuldung bzw. Refinanzierung von Staatsschulden einen ganz normaler Vorgang im völlig absurden, aber noch allgemein gängigen Schulden-Verhältnis zwischen Staaten und Finanzmärkten darstellt, steht der aktuell wieder hohe Finanzierungsbedarf (immerhin 6% des BIP allein im Forex-Sektor, 18% des BIP gesamt) doch in scharfem Kontrast zur populistischen Rhetorik der Orbán-Regierung, die, anlässlich des Rauswurfs des IWF aus dem Land, von einem "Ende der Kolonialisierung" sprach und betonte, dass Ungarn nun wieder auf "eigenen Beinen" stünde. Dies wäre aus gesamtgesllschaftlichen Überlegungen natürlich zu begrüßen, ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil: im Vergleich zu allen anderen - halbwegs vergleichbaren - Ländern der Region hat Ungarn die mit Abstand höchste Staatsschuldenquote, die Orbán durch seinen Schlingerkurs keinen Deut senken konnte, ja, die durch den Forintverfall kürzlich sogar ein neues Allzeithoch markierte.

Ein Wackler, ein nervöster Spekulant und Ungarn steht wieder in 2008

Orbán interpretiert das begrüßenwswerte Primat der Politik über die Finanzwirtschaft in der Form, dass er glaubt, er könne auch Geld ausgeben, wenn gar keines mehr da ist. Genau diese Einstellung führte u.a. Griechenland dorthin, wo es jetzt ist und eben zurück zum Primat der Finanzen über die Politik.

“Ungarn macht´s besser”, lautet die Regierungsparole.
Der Refinanzierungsbedarf der Staatsschulden mit fast 19% des BIP sagt etwas anderes.

Der Refinanzierungsbedarf (siehe Grafik) ist dadurch natürlich enorm, der Handlungsspielraum der Regierung ist entsprechend stark eingeschränkt und wird durch Steuergeschenke für Besserverdiener, offene Klientelpolitk, Missleitung von Ressourcen (EU-Millionen) die vielfältigen planwirtschaftliche Abenteuer, Prestigeobjekten und vor allem auch dem hochriskanten Spiel mit Forint und Leitzins immer enger. Umgerechnet rund 6,6 Milliarden EUR wirft die Zentralbank über ein Kreditprogramm in den Markt, auch die müssen irgendwo herkommen.

Ein Wackler in der Konjunktur der Weltmärkte und / oder Deutschlands, eine Spekulationsblase auf dem Währungsparkett oder sonst eine mittlere Panikattacke von Anlegern, ein kleiner Ausrutscher im Spitz auf Knopf gebauten Budget 2014 genügen nun wieder, um Ungarn wie 2008/09 an den finanziellen Abgrund zu stellen. Ex-Premier Bajnai, der von Fidesz so heftig bekämpfte Herausforderer, wandte sich damals hilfesuchend an den IWF und brachte das Land irgendwie durch, diese Tür hat Fidesz aber zugeschlagen und war mit deutlich mehr angetreten als mit einem "irgendwie".

cs.sz. / red.

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