THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

 

(c) Pester Lloyd / 41 - 2013   WIRTSCHAFT   11.10.2013

 

Die Flugsimulanten

Sólyom Airways in Ungarn crashte schon vor dem ersten Start

Noch war kein Ticket verkauft, keine einzige reguläre Maschine am Himmel, da kommt bereits das Aus für das als große Hoffnung verkaufte Projekt einer neuen "nationalen Airline" in Ungarn. “Sólyom Hungarian Airways” ist seit Donnerstag zahlungsunfähig, von dem "potenten Investor" aus dem Mittleren Osten fehlt jede Spur, das Management ist abgetaucht. Die Luftnummer kündigte sich zwar längst an, doch der Patriotismus verkleisterte vielen die Augen.

Am Donnerstag informierte der Eigentümer der Sóylom Holdinggesellschaft, zu der rund ein Dutzend Unternehmen gehören, die 73 Mitarbeiter, dass man ihnen die Gehälter für September nicht auszahlen kann, weil kein Geld in den Kassen ist. Vorstandschef József Vágó erläuterte zeitglich im öffentlichen Rundfunk, dass es "bis heute leider keinen Vertrag" mit den ominösen, nie konkret benannten Geldgebern aus dem Oman und Saudi-Arabien gebe. Nach dem Radiointerview erlitt Vágó angeblich einen Schwächeanfall und ließ sich ins Krankenhaus einliefern. Sein Vize trat zur gleichen Zeit zurück, Management und Kommunikationsabteilung sind seit dem untergetaucht.

Begrüßung der ersten Sólyom-Maschine auf dem Budapester Flughafen.
Die Überführung sollte die einzige Flugbewegung der Airline bleiben.

Die Luftnummer der mit gigantischen Ambitionen gestarteten Airline, kündigte sich in den letzten Wochen bereits an, als klar wurde, dass die Pläne, ab August Charterflüge und ab September den regulären Linienbetrieb auf zunächst sieben europäischen Strecken zu starten, wegen fehlender Genehmigungen der Luftfahrtbehörden nicht einzuhalten waren. Sólyom hatte bei einer Leasingfirma in Großbritannien bereits sechs Mittelstreckenflieger angemietet, die über 20 Jahre alten Modelle standen nach der medienwirskamen Landung eines in den Firmenfarben umgespritzten Airbus` in Budapest, nutzlos in den Hangars in England und Ungarn herum. Mit dem Aufkauf einer Segelflugfirma, die man von den Behörden upgraden lasse wollte, hoffte man, die Genehmigungen schneller zu erhalten.

Nun fragen sich die Medien, welchen Schuldenberg die Airline, die nie einen einzigen Flieger startete, hinterlassen wird. Die ausstehenden Löhne für September machen rund 120 Mio. Forint (rund 400.000.- EUR) aus, doch sind da noch die fortlaufenden Kosten für die geleasten Flugzeuge, für Büros, Subunternehmer sowie Vorverträge für weiteren Maschinen und Servicefirmen und daraus resultierende Ausstiegskosten und Konventionalstrafen. Ersten Schätzungen zu Folge könnten die Gläubiger insgesamt auf umgerechnet rund 30 Mio. Euro Forderungen sitzen bleiben.

Abgang des Managements: hier noch zu einem PR-Auftritt,
seit Donnerstag sind die meisten Gestalten verschollen

 

Vágó, ein ehemaliger Geheimdienstagent und Sicherheitschef des Budapester Airports und seine aus Schnaps- und Viehhandel stammenden Partner, hatten die Ziele der Sólyom damit umrissen, ein Nachfolger der im Februar des Vorjahres in die Insolvenz gegangenen Malév darzustellen. Man wollte im Premiumsegment mitmischen, binnen eines Jahres wenigstens 50 Flugzeuge in Betrieb haben, strebte über 3 Millionen Passagiere und Hunderte Millionen Euro Umsatz an. Dabei so, Vágó, habe er eine "neue Art von Geschäftsplan" entwickelt, der "Gewinn" verspräche, "sobald sich die Tür zum ersten Flug schließt".

Die regierungsnahe Presse feierte die Idee des "Falken" mit lesbarem Nationalstolz und fand wenig Widersprüchliches im Geschäftskonzept und Gebahren des Firmennetzes, auch wenn man die "Geldgeber" aus dem Mittleren Osten nicht kannte, es keinen Ticketverkauf gab, ständig Dokumente für die Genehmigungsprozedur fehlten und auch Zweifel an der fachlichen Expertise der maßgeblichen Protagonisten angebracht waren.

Einer der Manager galt wegen seiner Kontakte als eine Art Verbindungsperson zu Regierungskreisen und sollte, so die Mutmaßungen, zusehen, billig an Ressourcen aus der Malév-Konkursmasse zu gelangen und es liegt jetzt der Verdacht nahe, dass die Sólyom-Struktur praktisch nur auf Verdacht gegründet wurde, um bei Verhandlungen mit neuen "strategischen Partnern" der "Ostöffnung" eine Art Türöffner anbieten zu können. Wie tief die Verquickung von Regierungskreisen in das Projekt war, kann man nur ahnen, immerhin hatte Premier Orbán schon am Tag der Malév-Pleite trotzig darauf bestanden, dass “bald wieder eine nationale ungarische Airline” an den Himmeln der Welt kreuzen würde.

Branchenexperten und mit gesundem Misstrauen ausgestattete Beobachter zweifelten von Anfang an an der Seriosität des Projektes und hielten Vágó schlicht für größenwahnsinnig. Er hätte die Airline lieber Turul Air nennen sollen, nach dem ungarischen Sagenvogel, dessen Existenz auch nur in Mythen nachgewiesen ist. Ein Fachportal rechnete der Airline die Pleite binnen eines Jahres vor, ihnen allen wurde mangelnder Patriotismus und Neid vorgeworfen, tausende Facebook-Fans hielt man mit markigen Slogans bei Laune, doch die Zweifler behielten, wie so oft in Ungarn, Recht: das Einzige was Sólyom zu Stande brachte, war mit dem Airline-Logo verziertes Pflaumenmus in Supermarktregalen und - passenderweise - ein webbasierter Flugsimulator. Doch nicht einmal dieser funktionierte fehlerfrei. Ein Kommentator meinte trocken: Kacsa volt a Sóylom, - der Falke war eine Ente.

"Unternehmenschronik" Sólyom Airways

Neue ungarische Airline schon vor erstem Flug mit Verspätung - Sept. 2013
Sólyom verkauft erstmal Pflaumenmus statt Flugtickets - Sept. 2013
Sóylom-Geschäftsführung: ein Ex-Spion, ein Schnapshändler und ein Lammschlachter
Phantom der Lüfte - Aug. 2013
Wer ist der "Falke"? Neue Airline spricht weder über Hintermänner noch mit ihren Kunden
Solyom Airways kündigt 22 Ziele zum Start an, Tickets "in ein paar Wochen" - Juli 2013
Im Sturzflug zum Himmel?- Juli 2013
Ein Falke macht noch keinen Sommer: Ungarn und seine neue "nationale" Airline

red.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.