THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 03 - 2014 WIRTSCHAFT 15.01.2014

 

Rundumsorglospaket...

10 Milliarden Euro: Russland baut und finanziert Ungarn weitere Atomkraft

Der Deal hatte sich schon vor Monaten angekündigt, nun ist er unter Dach und Fach. Der staatliche, russiche Rosatom-Konzern wird exklusiver Partner für den Ausbau des ungarischen Atomkraftwerkes in Paks. Ungarn verschuldet sich dabei mit bis zu 10% des BIP in Moskau. Die Regierung meint, man erhöhe so die Energieunabhängigkeit, die Opposition protestiert: Orbán habe Ungarn an Russland verkauft...

Während Putin über Atomblöcke referiert, schickt Orbán einen gestischen Gruß in die Heimat...

Grundsätzlich beschlossen wurde der Ausbau des (in den Achtzigern von den Sowjets erbauten) AKW Paks noch von der Vorgängerregierung, doch der gigantische Umfang und der Ausschluss von jeglichen Mitbewerbern ist eindeutig Orbáns Handschrift. In der Vereinbarung, er und der russische Präsident Putin am Dienstag in Moskau unterzeichneten, ist die Errichtung von zwei neuen Blocks mit einer Gesamtleistung von bis zu 2 Gigawatt in Paks geplant, auch das Brennstoffmangagement, die Wartung sowie die Überholung für die Laufzeitverlängerung der alten Blocks bis 2037 fällt in die Zuständigkeit von Rosatom.

Putin freut sich, dass Ungarn mit dem Ausbau eine höhere "Unabhängigkeit von Energielieferungen" erreiche und man den Anteil der Atomkraft am insgesamt verbrauchten Strom von heute 40% erhöhen könne. Paks produziert heute allerdings schon über 45% und von einer geringeren Abhängigkeit kann keine Rede sein, verlagert sie sich nun noch stärker zum einst verhassten "großen Bruder", der heute als Gegenpart zur "Abhängigkeit von der EU" ein, bei der Regierung, gern gesehener "strategischer Partner" ist. Orbán schloss sich Putins Worten an und lobte den "Deal" als "professionell und exzellent".

 

Die Opposition in Ungarn begleitet die exklusiven Geheimverhandlungen der Regierung mit Moskau seit Monaten mit lautstarken Protesten und Forderungen nach Transparenz, Rücksichtnahme auf Erneuerbare Energien, Schaffung von Wettbewerb. Alles vergeblich, bis auf Absichtserklärungen rückte die Regierung bis heute kein wirklich wichtiges Dokument heraus. Die jetzt getroffene Vereinbarung will man aber "dem Parlament vorlegen", ließ Orbán wissen. Erst Montag wurde sein Kurztrip nach Moskau bekannt, praktisch über Nacht verpfändete der Premier das halbe Land.

Denn mit dem Ausbau von Paks wird ein Kredit verbunden sein, der bis zu 10% der ungarischen Jahreswirtschaftsleistung, BIP, betragen wird. Kreditgeber: der Kreml. "Knapp unter den Errichtungskosten" von projektierten 10 bis 12 Milliarden Dollar soll dieser liegen, sagte Rosatom-Chef Kirijenko heute in Moskau. Welche Finanzierungskosten Ungarn dabei zu tragen hat, wurde nicht bekannt, womöglich werden statt traditioneller Zinsen jahrzehntelange Gewinnbeteiligungen fällig. Auch sonstige Gefälligkeiten für "potentielle Investoren" sind bei solchen Anlässen keine Seltenheit. Staatssekretär Lázár sprach in Budapest von einer Kredit-Laufzeit von 30 Jahren und rund 3 Mrd. USD ungarischen Eigenmitteln. Das meiste davon muss über Steuererhöhungen finanziert werden, denn die Staatskasse ist bis zum Anschlag verplant. Andeutungen aus der Regierungspartei legen außerdem nahe, dass man versuchen wird, EU-Gelder zur Finanzierung mit heranzuziehen, über Umleitungen aus anderen Projekten. Brüssel sollte genau hinschauen. Einmal wenigstens!

Wie sicher ist Paks? Interne Stresstests machen Sorgen...

Putin warb damit, dass der Moskauer Geldregen "bis zu 1 Mrd. USD" Steuereinnahmen nach Ungarn brächte, wahrlich eine Milchmädchenrechnung von jener Sorte, wie sie der Kremlchef seit Jahren seinen Bürgern auftischt. Ungarn will er damit eine Art Rundumsorglospaket in eine strahlende Zukunft verkaufen. Offenbar haben die Magyaren auf der Anschmierskala zu den Russen aufgeschlossen.

Die Orbán-Regierung hatte bereits kurz nach ihrer Machtübernahme mit zukunftsfähigen
Energie-Mix-Strategien kurzen Prozess gemacht. Im Strom- und Gassektor soll über die MVM weitgehend ein Staatsmonopol hergestellt werden, die Kernkraft soll Ungarn zum "regionalen Player" und Nettostromexporteur machen, auch, so die wörtlich vorgebrachte Überlegung, da sich durch die deutsche Energiewende Marktlücken auftun. Von einem diversifizierten, technologisch zeitgemäßen und innovativen Energiemarkt entfernt sich Ungarn damit immer weiter, der Wind- und Solarfördermarkt sind praktisch zum erliegen gekommen oder werden in den einschlägigen Netzwerken verschoben.

Orbán will, in 3-5 Jahren, Energie "so billig machen wie in den USA", denn nur "die Nation, die über billige Energie verfügt" wird den "Verdrängungswettbewerb" der nächsten Jahre bestehen, formulierte es der Premier. Wie alles, definiert er auch diesen Sektor als Kriegszone. Der Sieg auf dem Schlachtfeld wird mit mehr Macht belohnt, den Preis dafür zahlen ohnehin "andere", nämlich das Volk.

Die liberal-grüne Partei LMP reagierte am Dienstag heftig auf den Deal, Vizeparteichefn Bernadett Szél kommentierte ihn mit "Orbán hat offenbar Ungarn an die Russen verkauft" und forderte eine sofortige Offenlegung aller Details der Vereinbarung. "In einem normalen Land" gäbe es eine politische Debatte über die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen einer derartigen Mammutinvestition. Die LMP startete eine Petition und kündigte Demonstrationen an, die Publizierung des Vertragswerkes werde man notfalls auch einklagen.

red.

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