THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 23 - 2014 BOULEVARD 06.06.2014

 

"Ungarische Chronik": Regierungstreue widmen Orbáns Erfolgen eigenes Monatsmagazin

Mitten hinein in den Origo-Skandal präsentierten die treuesten Regierungsanhänger, wie sie sich eine vorbildliche Presse in Ungarn vorstellen. Am Mittwoch stellten der "Friedensmarsch"-Organisator, Co-Chef der Fidesz-Kampfgruppe CÖF und Chefredakteur von Orbáns Lieblingslektüre "Magyar Demokrata", Gábor Bencsik sowie der durch seinen jüngsten "Schwulenlobby"-Sager besonders qualifizierte Regierungskommissar "für die Bewahrung der kulturen Werte des Ungarntums", Imre Kerényi, die erste Ausgabe des neuen Monatsmagazins "Magyar Krónika" vor.

Bencsik (Foto) versuchte nur wenig, die offene Regierungsnähe zu kaschieren, er sagte, dass man "die meisten Regierungsvorhaben tatkräftig unterstütze" und auch, wenn man nicht mit allem einverstanden sei und "eine Reihe von Fehlern gemacht worden sei", so sei man doch überzeugt, dass "dieser spirituelle und politische Kreis den Interessen meines Landes am meisten dient". Mit den Fehlern meinen Bencsik und Co. übrigens, dass Orbán in vielen Punkten nicht weit genug gegangen sei, - nur damit keine Missverständnisse aufkommen.

Geradezu nordkoreanische Ansprüche an die eigene Publizistik stellte dann "Produzent" Kerényi in den Raum, der sich wünscht, dass vor allem "erfreuliche Entwicklungen und Errungenschaften" im neuen Magazin Platz finden, Bencsik ergänzte, dass man das - offenbar zielgruppengerecht - durch "viele Bilder und so wenig wie möglich Text" erreichen wolle. Gleichzeitig sagte er, dass seine - immer wieder mit rechtsradikalen Inhalten aufwartenden - "Demokrata"-Redaktion der "physische und geistige Kern" der Redaktion der "Krónika" sein wird.

An der ersten Redaktionssitzung im Januar
nahm übrigens Premier Orbán persönlich teil, der - als Streiter für die Pressefreiheit ja europaweit ein Begriff - Kerényi damals öffentlich dafür rügte, dass dieser in einem Rundschreiben an 100 potentielle Autoren darum bat, "möglichst nur Positives zu berichten". Kerényi hätte wissen können, dass es dazu keines umständlichen Schreibens bedurft hätte...

Orbán wünschte sich auch, dass die Zeitschrift "seriös arbeitet" und "nicht von Steuergeldern", sondern von den "Geldbörsen befreundeter Unternehmer" finanziert wird. Die Kosten für die ersten drei Ausgaben von je 10.000 Exemplaren (geplant waren zunächst je 20.000) werden mit rund 30 Mio. Forint, also ca. 100.000 EUR angegeben und kommen direkt aus der Staatskasse. Praktischerweise ist der Chef des CÖF, ein ehemaliger Fidesz-Kassenwart, heute der Leiter des Regierungsamtes für die Vergabe von Steuermitteln für Nichtregierungsorganisationen. Er konnte sich sein Projekt also selbst genehmigen. Doch diese Summe ist marginal, im Vergleich allein zu den 300 Mio. Forint, die Kommissar Kerényi im Vorjahr für diverse Buchaufträge vergab oder die Abermillionen, die in Staatskunstprojekte von geradezu nordkoreanischer Qualität "investiert" wurden.

Ab 2018 soll sich das Magazin "selbst tragen", wobei hier vor allem regierungsnahe Unternehmen und Institutionen bzw. Firmen, die ihre Aussichten auf Gewinn von öffentlichen Ausschreibungen steigern wollen als potentielle Anzeigenkunden fungieren werden, wie das bei praktisch allen regierungsfreundlichen Medien der Fall ist.

Rund die Hälfte der Auflage wird kostenlos als "Lehrmaterial" an Schulen und Bibliotheken verteilt sowie - ein Teil der Auflage ist in englischer Sprache - über Botschaften auch ins Ausland. Als Aufmacher für die Nr.1 wurde die Renovierung des Burgbasars gewählt, weiterhin findet sich eine "Story" mit dem Titel "Ungarn hat gewählt" sowie eine Rezension eines Papstbuches im Heft. Das Editorial wählte die Abbildung eines Löwenzahns (der Blume) als Aufmacher. Findige Erstleser stellten sogleich eine Urheberrechtsverletzung fest, das Qualitätsblatt hatte das Foto einfach aus Google bzw. Flickr kopiert, ohne den Fotografen anzugeben. Zu den namhaften Autoren der ersten Ausgabe zählen - neben Bencsik und Kerényi - u.a.: Viktor Orbán, Superminister Zoltán Balog,
Friedensengel Zsolt Bayer, Unterstaatssekretär Pröhle, Ex-Kulturstaatssekretär und neuerdings Facebook-Jäger László L. Simon sowie das Who is Who der "Friedensmärschler".

Beim ersten Vorstellen im Januar demonstrierten noch rund 100 Demonstranten vor dem Verlagsgebäude. Sie skandierten "Lang lebe Viktor, lang lebe die Partei!" als Orbán vorfuhr. Am Mittwoch richtete die Opposition nur noch aus, dass sich Bencsik und sein CÖF nun endgültig "selbst zum Hofnarren gemacht" hätten.

red.

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