THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 34 - 2014   NACHRICHTEN   16.08.2014

 

Doppelte Wahrheit: Ungarn dementiert Lieferung von Panzern an die Ukraine

Bunte Landkarten, "eindeutige Fotos" und offizielle Ausschreibungsunterlagen im pdf-Format, fertig ist der Beweis: Ungarn beliefert das "faschistische Regime" in der Ukraine mit Panzern, bald auch mit Kampfflugzeugen. Warum die Regierung überhaupt auf diese Mini-Episode im täglichen Cyberwar per amtlichem Dementi eingeht, ist völlig unverständlich. Aber zuzutrauen ist heute allen Seiten sowieso Alles...

Angebliches Beweisfoto für ungarischen Panzertransport in die Ukraine...

UPDATE, 18.08.: Die aufgebrachten Gerüchte um eine Lieferung ungarischer Panzer über Dritte an die ukrainische Armee erhielten am Wochenende zusätzliche Brisanz als sie am Samstag u.a. von der staatlichen, russischen Nachrichtenagentur ITAR-TASS ungeprüft und unrelativiert übernommen worden waren (hier die engl. Version), ergänzt um die Behauptung, der Deal sei über einen “staatlich authorisierten Vermittler” zu Stande gekommen. Auf dieser Grundlage schaltete sich das russische Außenministerium ein und unterstellte der EU die "einseitige Aussetzung von Vereinbarungen zur Kontrolle von Waffenlieferungen", was angesichts der "Menschenrechtsverstöße in der Ostukraine zynisch" sei. Die miltärische Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine aus Russland hingegen stellte man quasi als Privatangelegenheit von Bürgern dar, eine offizielle Einmischung (durch Personal oder Material) gäbe es nicht.

Das Dementi der ungarischen Regierung, das übrigens nicht generell militärische Lieferungen an die Kriegspartei Ukraine ausschloss, genügte auch drei Oppositionsabgeordneten der MSZP nicht, die am Samstag eine Sondersitzung des parlamantarischen Komitees für Nationale Sicherheit und darin die Befragung von drei Ministern forderten. Die Regierungspartei lehnte diese mangels Relevanz ab.

Mit Vehemenz dementierte das ungarische Außenministerium am Freitag Meldungen von "Medien", wonach ungarische Truppentransporte, T-72 Panzer per Eisenbahn in die Ukraine geschafft hätten.

 

Ein englischsprachiges Portal mit dem vielsagenden Namen "Die Wahrheit in der Ukraine", das keine Zweifel über seine Parteinahme für "Neues Russland" und Co. aufkommen lässt, übernahm die Meldung "Hungary sells tanks in Ukraine" von einem ungarischen "Randgruppenmedium" mit dem Titel hidfo.net ("Brückenkopf", Untertitel: Die Stimme der Wahrheit in Ungarn und offenbar ein "Tochterunternehmen", beide ohne Impressum), wo mit bunten Google-Karten und - natürlich unverifizierbaren - Fotos Panzertransporte per Eisenbahn abgebildet wurden von Nyíregyháza in die Gernzstadt Záhony. Auch sonst kapriziert das "Medium" überwiegend auf die westlichen Faschisten, die - über die Ukraine - Russland angreifen.

Der Deal sei klar motiviert, meinen beide "Wahrheits"-Seiten, immerhin seien "die ungarischen Streitkräfte in einer Krise und brauchen verzweifelt Geld." Daher habe man 80 Panzer der russischen Baureihe T-72 über eine Ausschreibung an "private Firmen" im Lande verkauft und zwar so weit unter Marktwert, dass sich sogar die Ukraine den Aufkauf leisten konnte. Außerdem stehen "für die ukrainische Armee konfigurierte" MIG-29-Kampfflugzeuge und Helikopter zum Verkauf durch die Ungarn bereit. Die Webseite befindet, dass sich Ungarn durch die angeblichen Verkäufe "schuldig am Mord an Zivilisten im Donbas" mache.

Dementi der Regierung.

Tatsächlich gab und gibt es Verkäufe von Waffentechnik seitens des ungarischen Verteidigungsministeriums, diese sind aber innerhalb der NATO dokumentiert, auch die Tender-Dokumente des Ministeriums liegen vor, wonach tatsächlich in Summe 80 T72 an eine Firma Excalibur Defense Kft gingen, deren Eigentümer nach Tschechien verortet werden. Offizielle oder "private" Lieferungen in die Ukraine wurden bisher aber nicht bekannt, - können also weder bestätigt noch - zumindest von uns - ausgeschlossen werden, wie in diesem Konflikt bei beiden Seiten eigentlich gar nichts mehr ausgeschlossen werden kann und bei der ungarischen Regierung erst Recht nicht. Immerhin "marschierte" ein bewaffnetes ungarisches Sonderkommando von der TÉK bereits in der Ostukraine auf, was immer diese Aktion auch bedeuten sollte.

 

Das offizielle Ungarn erklärte die publizierten Fotos und Behauptungen zum Panzerrverkauf zu einer faktenbefreiten "Missinterpretation" und Lüge, es handelte sich lediglich um einen Transport von Standort zu Standort, man habe zu keinem Zeitpunkt die ungarischen Grenzen überquert. Die Aktion sei Teil der "Reform des militärischen Logistik-Systems" der Honvéd. Im Übrigen sei das Internetportal schon in der Vergangenheit durch haltlose Behauptungen aufgefallen. Dass man überhaupt keine militärischen Handelsbeziehungen zum Nachbarn pflege, behauptete das Ministerium jedoch nicht.

Warum das Ministerium sich dann aber genötigt sah, auf die Behauptung eines völlig irrelevanten und bis dato weitgehend unbekannten Webportals überhaupt zu reagieren, während man die haarsträubenden Lügen und Hetzen der Neonazis und Brachialnationalisten im eigenen Land täglich unkommentiert und -geahndet lässt, bleibt ein Geheimnis der Administration in Budapest, verspricht aber für die Zukunft eine Menge Arbeit für die Beamten im täglichen Cyberkrieg. Amtliche Ressourcen mit der Bekämpfung von Verschwörungstheorien zu binden, ist für die Armeen der Spinner und Psychopaten schon ein richtiger Sieg. Wer wüsste das besser als die PR-Strategen der Regierung Orbán.

Zum Thema:

Ungarn und die Sanktionspolitik von EU und Russland
http://www.pesterlloyd.net/html/1433orbansanktionen.html

Missverständnisse unter Nationalisten: Ungarn und die “Autonomie” der Karpato-Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/html/1420ukraineorbanawort.html

red.

 

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