THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 38 - 2014 NACHRICHTEN 14.09.2014

 

"Kunst soll nicht kritisch, Kunst soll schön sein...": Budapester Kunsthalle wird zum Nationalschrein demoliert

Am Donnerstag stellte der neue Direktor der bis dato renommierten Budapester Kunsthalle (Műcsarnok) am Heldenplatz sein neues Betriebskonzept der Presse bei einem Frühstück vor. Auch die Kunst muss in Orbáns neuem Ungarn ihre Rolle beim Kampf gegen die westlich-liberale Dekadenz leisten und "der Nation und Religion ehrerbietig" sein...

Was Ungarisch ist, wird nicht mehr - wie hier noch vor zwei Jahren gefragt und künstlerich interpretiert, sondern amtlich festgelegt. Basta.

György Szegő löste vor einem Jahr Gábor Gulyás ab, weil der - obwohl bereits in der Fidesz-Ära ernannt - die neue Grundbedingung an die Museen, wonach "Kunst der Nation dienen" und "Künstler national gesinnt sein" müssen, nicht ausreichend erfüllen mochte. Die Vorgabe dazu kommt von der als Aufsichtsbehörde und Verteiler staatlicher Subventionen fungierenden "Ungarischen Kunstakademie" des Großinquisitors, Rechtsextremisten und Antisemiten György Fekete, 82, der sich ihr Präsident nennt. Er ist Innenausstatter mit der Lizenz, jede wichtige Kulturinstitution national zu demolieren...

Szegő (Foto) präsentierte den nur noch mäßig schockierbaren Medien- und Fachvertretern eine Art Manifest: Danach soll "Kunst nicht aufregen, sondern sich auf ästhetische Aspekte fokussieren", Kunst ist auch nicht "zum kritisieren da", schon gar nicht, um "Religionen anzugreifen oder lächerlich zu machen", denn, "Es gibt keine Notwendigkeit, Spannungen zwischen Bekenntnissen aufzubauen".

Die Kunsthalle werde in Zukunft den "traditionellen Techniken" folgen, "vor allem der Malerei, denn die hat eine Tradition von 8.000 bis 10.000 Jahren". Die Zeit "der Vermischung der Medien" werde nun vorbei sein und die "Blase der westlichen, zeitgenössischen Kunst werde platzen." Dann wird Platz sein, so der neue Direktor, für "unsere regelmäßigen Kunstsalons", in der Tradition der Ausstellungsserien im 19. Jahrhundert.

 

Szegő sprach von der Notwendigkeit einer "inneren Reinigung" der Kunsthalle, die bisher vor allem als Kontrapunkt zu den zwar oft hockarätigen, aber wenig ambitionierten Schauen des gegenüberliegenden Museums der Schönen Künste fungierte und hochinteressante Werk- und Themenschauen fabrizierte, die das Haus über die Landesgrenzen hinaus bekannt machten.

Die Befassung junger Künstler mit dem nach 2010 naheliegenden Thema "Was ist Ungarisch" in einer viel beachteten Ausstellung, stieß jedoch so gar nicht auf den Gefallen der reaktionären Staatskunstcamarilla um Fekete, der die Kunsthalle der "Nationalblasphemie" zieh und damit ein weiteres Kapitel in der inhaltlichen Gleichschaltung des staatlich subventionierten Kulturbetriebes in Ungarn einleitete. Die Kunsthalle wurde kurzerhand unter Kuratel gestellt.

Anstatt der Auseinandersetzung der bildenden Künste mit dem Leben, den Herausforderungen der Zeit und auch der Historie, einem freien Spiel der Kreativität und Reflexionen des weiten Spektrums menschlichen Besußtseins, ob nun vordergründig sinnvoll oder ästhetisch, sprich, statt einem Hort der Gedanken- Tatenfreiheit, soll die Kunsthalle hinfort klare Funktionen erfüllen und sich an strenge Regeln halten, findet der neue Direktor.

Gyula Fekete, die schwarz-braune Eminenz in Orbáns Staatskultursystem

Szegő nutzte seinen Auftritt auch, um sich an seinen beiden Vorgängern abzuputzen und nannte sie "Teil einer kleinen Elite", denen "jede Art von Selbstreflexion" gefehlt habe. Doch die Zeit der elitären Abgehobenheiten sei nun vorbei, "unter meiner Führung werden wir populäre, ins Auge fallende Ausstellungen haben." Inquisitor Fekete neigte zu diesem Konzept gefällig das Haupt und verdoppelte die Direktsubvention der Akademie auf über 1,5 Mio. EUR für dieses Jahr. Gelder, die zur staatlichen Sockelfinanzierung hinzukommen und nach Hörigkeit verteilt werden. Fekete, die schwarze Seele des ungarischen Kulturbetriebes mahnte, dass die "Ehrerbietung an die Nation und die Religion" im Zentrum stehen solle.

Auch die Műcsarnok wird Teil des neuen, gigantischen Museumsquartiers, einer Art
Kulturhauptstadt Hungária

Zum letzten Mal?
"Das andere Ungarn" in der Kunsthalle

Mehr zum Thema in unserer Rubrik "
Museen, Galerien & Ausstellungen"

red.

 

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