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(c) Pester Lloyd / 05 - 2015   AKTUELL   02.02.2015

 

Merkel in Ungarn

Die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, besuchte am Montag für einige Stunden Ungarn. Wir berichteten auf dieser Seite fortlaufend über die Ereignisse.

+ + + Das Programm

 

Auf dem Programm stand, neben einem protokollarischen Treffen mit Staatspräsident Áder, ein ca. dreistündiges Gespräch mit Ministerpräsident Orbán zu bilateralen Beziehungen, Ukraine-Krise, Russland-Sanktionen, Energiefragen, Problemen speziell der dt. Investoren und - so zumindest die Hoffnung der Oppositions- und Protestbewegungen - zum Stand von Rechtsstaat und Demokratie in Ungarn. Weiterhin stattete Angela Merkel der jüdischen Gemeinde einen Besuch ab und diskutierte an der Deutschsprachigen Andrássy Universität mit Studierenden dort erhielt sie auch die Ehrendoktorwürde der Uni Szeged. Vorberichte und Hintergründe am Ende des Textes.

+ + + UPDATES + + +

+ + + Fazit: Unseren Kommentar zum Besuch lesen Sie hier.

+ + + 17.15 Uhr: Letzte Station des achtstündigen Besuchsprogrammes: ein Treffen mit Vertretern der jüdischen Gemeinden sowie Holocaustüberlebenden in und an der Synagoge, Gedenken an die Opfer des Holocaust

.+ + + Video-Aufzeichnung vom Besuch von Angela Merkel an der Deutschssprachigen Andrássy Universität in Budapest, Überreichung der Ehrendoktorwürde er Uni Szeged sowie Diskussion mit Studierenden

Broadcast live streaming video on Ustream

 

+ + + 15.29 Uhr: Merkel bei Staatspräsident János Áder

Feinabstimmungen auf der Pressekonferenz. Fällt Ihnen was auf? Wieder keine EU-Flagge, wie am Parlament, zwar ein Fake-Blau, aber kein EU-Symbol. Hat das deutsche Portokoll gepennt?

Orbán erneuert sein Bekenntnis gegen die liberale Demokratie

+ + + 14.06 Uhr: Stichwort “illiberale Demokratie” Merkel erklärt, dass wir auch "über die Demokratie und das Thema Medien" gesprochen haben, man die Diskussionen "darüber aber noch vertiefen" könne. Ihrer Ansicht nach liegen die Wurzeln der Demokratie in der Freiheit. Die CDU basiere auf den Grundlagen: sozial, liberal und konservativ. Mit dem Begriff "illiberale Demokratie" könne sie persönlich "in diesem Zusammenhang" nichts anfangen. Kritische Anspielungen, so fein, als müssten sie durch die DDR-Zensur... Zur Flüchtlingshetze Orbáns kam gar nichts.

Orbán dazu: Meine Position kann ich in einem Satz zusammenfassen und stehe dafür auch auf der internationalen Bühne ein: "Wir glauben, dass eine Demokratie nicht notwendigerweise liberal sein muss." (Wir sind gespannt, wie er das wieder nicht so gemeint haben wird...) Er fügte noch an, dass man dem Liberalismus und damit “einem System” ein “Privileg” einräumt, was ”wir nicht erlauben können.”

Mehr dazu: Orbán zündelt wieder - Rede in Rumänien: Das neue Ungarn wird "keine liberale Demokratie" mehr sein

+ + + 13.57 Uhr: Merkel betont, dass Deutschland die Ukraine nicht mit Waffen unterstützen werde, denn sie sei überzeugt, den Konflikt ohne Waffen, auf diplomatischem Wege lösen zu können. (Anm.: Heute wurde bekannt, dass die NATO in Ungarn einen Stützpunkt ihrer schnellen Eingreiftruppe einrichten wird.). Im übrigen sei die “Einheit Europas” ein “wichtiger Wert” und daher hoffe man auf weitere Gute Zusammenarbeit, Danke.

Zum Stichwort "Eurasien" wiederholt Orbán seine Position, dass er sich Optionen nach Ost wie West offen hält, denn ohne die Märkte dort sowie russische Energie, sei "Europas Zukunft zweifelhaft". Außerdem bräuchten "Ungarns Haushalte Gas", die "ausländischen Journalisten müssen unsere Situation verstehen", in diesem Jahr laufen die Verträge mit Russland aus, daher müssen wir neu verhandeln...

+ + + 13.51 Uhr: Pressestatments, Kurzzusammenschnitt:

Merkel: Freunde seit Fall des Eisernen Vorhangs, verbunden in demokratischen Strukturen (wirklich?) etc. etc. Die deutsche Wirtschaft freut sich, Teil des "Erfolges der ungarischen Ökonomie" zu sein. Weiterentwickeln etc, haben auch über die "Entwicklungen der Zivilgesellschaft" gesprochen, über "die Opposition und die Rolle der Medien". “Gesellschaftlicher Dialog ist wichtig.”

Sprachen über die "Herausforderungen in Europa", darüber, dass Ungarn Nachbar der Ukraine ist und wir sind "sehr dankbar über die Gaslieferungen in dei Ukraine" (wiederaufgenommen, vorher auf russ. Druck einstellt). Gemeinsam wollen wir an der Diversifizierung der Energiequellen arbeiten.

Orbán: Das Protokoll verlangt, dass ich zuerst spreche (er meint das diplomatische, denn nach den Hofetiketten spricht NUR noch er). "die ungarischen Menschen respektieren die Deutschen nicht nur, sie mögen sie auch." Die Kanzlerin ist jedoch nicht nur "Führer der Deutschen" (das ist bisschen grob übersetzt), sondern auch eine Sprecherin für Europäische Angelgenheiten. Wir sind zusammen einen langen Weg gegangen, damals als sie 2010 hier war, stand Ungarn am Rande des Bankrotts. Heute haben wir einen Beschäftigungsrekord, 6000 deutsche Unternehmen beschäftigen in Ungarn 300.000 Menschen und investieren 3 Mrd. EUR (er meint vermutlich, im letzten Jahr, Anm.)...

Hinsichtlich Ukraine, 3 Aspekte: 1. Ungarn ist Nachbar, 2. Gas kommt durch die Ukraine nach Ungarn, ohne das unsere Wirtschaft nicht funktioniert, 3. 200.000 "Ungarn leben auf dem Gebiet der Ukraine" (er meint ca. 150.000 Ukrainer mit ungarischen Wurzeln). Daher können wir nur "für den Frieden einstehen" und helfen, eine Lösung zu finden, dass ist die "felsenfeste ung. Position".
 

+ + + 13.21 Uhr: Vor dem Ex-Pat-Treff Beckett´s Pub beten ein paar Leute ein “Mutti unser...”

+ + + 13.21 Uhr: Derzeit besprechen sich die zwei Regierungschefs in Orbáns Amtssitz im Parlament. Im kommenden Jahren könnte er Merkel dann als Burgherr begrüßen...

+ + + 13.14 Uhr: Soll charmant wirken, kommt aber eher schmierig rüber. Wie auch immer. Orbáns Handkuss für “Madame Merkel” ist seit Jahren Standard.

+ + + 13.14 Uhr: Merkels Kolonne auf dem Weg zum Parlament, das Gebiet wurde weiträumig abgesperrt, eine lange angemeldete Demo der Bewegung “Jetzt wir!” in letzter Minute noch von der Anti-Terroreinheit TÉK verboten. Die Opposition beklagt sich, “Együtt” schreibt: da kann Merkel gleich live sehen, wie es mit der Demokratie bestellt ist...

+ + + 13.14 Uhr: Die deutsche und die ungarische Fahne am Budapester Parlament. Da wo die deutsche heute weht, ist sonst die “Székler”-Fahne installiert, die Flagge der ungarischen Separatistenbewegung in Rumänien. Die EU-Fahne hat man entsorgt, Parlamentspräsident Kövér ihre Neuflaggung verboten...

+ + + 11.40 Uhr: Ankunft. Das nennt man wohl “kleines Protokoll”. Außenminister Szijjártó, eben noch als Pizzabote in Washington unterwegs, begrüßt Angela Merkel (rechts im Anorak) auf dem Liszt-Airport in Budapest. Mit dabei, Soldat Schweijk und einer von der Hamburg-Mannheimer

+ + + 11:18 Uhr: In den Medien ist der Merkel-Besuch seit Wochen Thema Nr. 1, das News-Portal www.Hir24.hu, das zu den eher unabhängigeren zählt, tünchte sogar sein Logo in die deutschen Farben... Kein Wunder: seit Orbáns Amtsantritt hat sich kein namhafter Regierungschef der EU mehr blicken lassen, dafür Autokraten von Ankara, ü+ber Peking bis Baku. Am 17.2. kommt Putin, aber der ist ja ein lupenreiner Demokrat...

Das dem liberalen Lager zuzurechnende www.168ora.hu erklärt seinen Lesern, dass der Merkel-Besuch nicht nur in Ungarn, sondern auch von deutschen Medien genau beobachtet wird, die sich fragen, ob die Kanzerlin endlich “Klartext” spricht. Gerade auch angesichts der Haltung gegenüber dem neuen griechischen Premier, wird man ersehen können, ob die CDU-Chefin Doppelstandards bei der Forderung nach Einhaltung von EU-Regeln anwendet oder nicht... (Mehr dazu in: Wieviel Orbán steckt in Tsipras?)

Mehrere Medien aller drei Lager (also linksliberale, rechtsnationale und unabhängige) begleiten den Besuch mit News-Tickern im Internet. Die Öffentlichen-Rechtlichen haben weniger Arbeit, denn sie dürfen nur publizieren (kopieren), was die amtliche Nachrichtenagentur MTI ihnen liefert. Könnte auch ein Gesprächsthema sein...

+ + + 11:12 Uhr Demos im Vorfeld und am Besuchstag: Einige tausend Menschen demonstrierten am Sonntagnachmittag vor dem Parlament unter dem Motto: "Der Frühling kommt, Orbán geht!" für ein "europäisches Ungarn". Aufgerufen hatten zu der Demo, die speziell auf Merkels anstehenden Besuch abzielte, die verschiedenen neuen Protestbewegungen. Die Mobilisierung war - auch im Vergleich zu den früheren Demos gegen die Internetsteuer oder gegen Korruption und Amtsmissbrauch sowie Bildungs- und Sozialabbau - eher gering.

EU-Flaggen als Statement und Mahnung an den deutschen Gast... Foto: www.hvg.hu

Es dominierten EU-Flaggen, Redner stellten die Kleptokratie und Arroganz der Macht in den Mittelpunkt ihrer Ansprachen und foderten von Merkel eine klare Positionierung für die Grundwerte der EU und keine Aufwertung von Orbán. Immerhin, so stellte ein Redner fest, habe die Protestbewegung auch Merkel etwas gebracht: sie müsse nun auf ihrem Weg vom Airport in die Innenstadt keine Autobahnmaut zahlen... - Auch für den Besuchstag selbst sind einige Protesaktionen und Demos geplant, u.a. wieder am Parlament und auf der Kettenbrücke. Eine der Demos wurde vom Antiterrorzentrum (!), auch “Orbáns NSA” genannt, gerade verboten und “aus Sicherheitsgründen” kurzfristig an einen weiter entfernten Ort verlegt.

Anti-Orbán-Sprüche sieht man auch auf diesem Foto der “Magyar Nemzet”, allerdings keine einzige EU-Flagge - wie immer man das geschafft hat. Viel wichtiger war, links unten das DK-Parteisymbol drauf zu kriegen. Die Nemzet ist eigentlich regierungstreu und stramm rechts, allerdings ist ihr Besitzer, Oligarch und Ex-Fidesz-Finanzchef Simicska seit einiger Zeit im Clinch mit Orbán, was man auch der Berichterstattung subtil anmerkt.

 

+ + + Wie berichtet, hat die Regierungsseite ganz andere Erwartungen bzw. Interpretationsmuster beim Merkel-Besuch. Gergely Prőhle, früher einmal ung. Botschafter in Deutschland, heute als präpotenter Regierungspropagandist unterwegs, um dem vermeintlich uninformierten Europa das wahre Ungarn zu erklären, sieht in Merkels Besuch ein "wichtiges Signal" und stellt die Visite so dar, als würde Ungarn von Deutschland und Russland als Vermittler im von den kalten Kriegern wiederbelebten Ost-West-Konflikt angesehen werden. Prőhle fokussierte ansonsten auf die starken Wirtschaftsbeziehungen, andere Regierungssprecher, einschließlich Orbán selbst, "erwarten keine Kritik" zu "inneren Angelegenheiten". Die EVP-Fraktion im EU-Parlament hatte kürzlich vorexzerziert, wie man solche Debatten ins Leere laufen lässt.

+ + + Vorberichte und Hintergründe

Wie Papst und Quen zu gleicher Zeit: Medienhype zu Merkel-Besuch

"Seifenoper": Orbáns EVP-Kameraden boykottierten Anhörung zu Ungarn

Orbán, Zentrum Europas: Merkel am 2.2., Putin besucht am 17. Februar Ungarn

Mutti kommt! Was die Ungarn von Merkels Besuch erwarten dürfen...

Demos aus Anlass von Merkel-Besuch in Ungarn - Überblick

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