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(c) Pester Lloyd / 09 - 2015    WIRTSCHAFT      27.02.2015

 

Koalition der Abzocker: Was steckt hinter Buda-C(r)ash?

Wenn es stimmt, was die ungarische Nationalbank behauptet, wären die aktuellen Vorgänge um das Brokerhaus Buda-Cash der größte private Finanzskandal seit den Bankenpleiten der 90er und der Postabank-Affäre. Nach dem bisherigen, dürftigen Informationsstand und den Erfahrungen der letzten Jahre, könnte es sich aber auch um eine dreiste Enteignungsaktion der Regierung handeln. Womöglich liegt die "Wahrheit" in der Mitte: die übliche Symbiose von politischen und wirtschaftlichen Gaunern?
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Anfang der Woche entzog die Ungarische Nationalbank, MNB, der Buda-Cash Gruppe die Bankenlizenz und unterstellte den - in ein Dutzend Brokerfirmen und vier kleineren Banken weit verzweigten -Finanzdienstleister einem MNB-Kommissar. Gleichzeitig stürmte eine Einheit der Finanzpolizei die Geschäftsräume und beschlagnahmte Festplatten und Unterlagen.

In einer dürren Mitteilung informierte man zunächst nur über "Unregelmäßigkeiten in der Bilanzierung", später ergänzte der für die Finanzaufsicht zuständige Direktor László Windisch (die MNB hat sich auf politische Anweisung die ehemalige Finazaufsicht PSZÁF einverleibt), dass das Unternehmen angeblich über Jahre "Verluste bilanziell vertuscht" und so Kundengelder in einer Größenordnung von "bis zu 100 Mrd. Forint", also rund 325 Mio. EUR hinterzogen hätte. Das ganze soll sich in einem Zeitraum "von mehr als einer Dekade" abgespielt haben. Wenn man bedenkt, dass ungarische Privatanleger derzeit insgesamt (offiziell) Aktien im Wert von ca. 300 Mrd. HUF halten, eine gewaltige Summe
 

Die Folge: 120.000 Kunden der vier Banken, darunter 80 Gemeinden, dürfen derzeit von ihren Einlagen lediglich 60.000 Forint (190 EUR) pro Tag abheben. Die vier Banken sind ansonsten handlungsunfähig, die Broking-Aktivitäten von Buda-Cash und seinen Tochtergesellschaften an der Börse wurden auf den Währungshandel beschränkt, wobei nur alte Positionen aufgelöst, keine neuen gemacht werden dürfen. Mit Aktien darf derzeit überhaupt nicht gehandelt werden, es sei denn der MNB-Kommissar setzt seinen Kaiser Wilhelm unter die Order.

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Am Mittwoch und Donnerstag bildeten sich lange Schlangen vor den Filialen u.a. der dazugehörigen ÉRB-Bank in Eger sowie den Banken der DRB Gruppe, darunter auch die Tokaj és Vidéke in Miskolc und Umgebung. Die Polizei musste sichernd eingreifen. Viele Kunden fürchten einen Totalausfall ihrer Einlagen und Anlagen, darunter ein Lottogewinner, der nun an seine redlich gewonnenen 20 Mio. Forint nicht herankommt. Auch bei der Buda Cash Zentrale fuhren einige Limousinen vor, die Telefone liefen heiß, Manager tauchten ab, die Presse belagert das Gebäude. Auf der Webseite wurde lapidar mitgeteilt, dass der "Kundenservice momentan pausiert". Die Buda-Cash war immer auch ein beliebter Spielplatz ausländischer Zocker, Ex-Pats, die ihr Insider-Wissen versilberten oder Gelder, die im Westen der Steuer anheim gefallen wären, lieber in der Puszta vergruben.

09budacash2Mittlerweile hat die MNB das Innenministerium zu Hilfe geholt, eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll die "mutmaßlichen kriminellen Aktivitäten" untersuchen, die Polizei ermittelt wegen schwerer, organisierter Bilanzfälschung, Untreue, Betrugs und peripherer Delikte. Windisch sprach von "Missbrauch von Kundeneinlagen in Größenordnungen", Belege lieferte die staatliche Gewalt bisher keine.

Soweit die offizielle Version, eine Gaunergeschichte also, wie wir sie in Ungarn (und auch anderswo) eigentlich täglich erleben können und die, bis auf die Betroffenen, kaum jemanden aus den Socken werfen würde. Doch dem aufmerksamen Leser, zumal dem durch den Pester Lloyd in ungarischen Besonderheiten geschulten, dürften einige Dinge auffallen. Dass Finanzaufsicht und geprellte Kunden seit 10 Jahren zu derart umfassenden Betrugsvorgängen den Mund gehalten haben, wirft nicht wenige Fragen auf.

Die zentrale: Buda-Cash sorgte vor über einem Jahr durch die technische Übernahme der vier genossenschaftlich organisierten Banken dafür, dass diesen die gesetzliche Zwangsverstaatlichung mit anschließender Rückprivatisierung in Fidesz-nahe Bankerhände (
hier mehr über den wohl am wenigsten berichteten, aber neben MET wohl größten bisherigen Coup der “Familie”) rund um den Takarékbank-Skandal erspart geblieben ist. Eine Aktion, die bei den einschlägigen "Managern" der Regierungspartei gar nicht gut ankam, zumal man dem Management der Buda-Cash eine Nähe zu den sozial-liberalen Regierungsparteien nachsagt, die nicht unbegründet ist. Einer der Chefs wurde dazumal von Ex-Premier Bajnai zum Chef der Staatsbahnen MÁV gemacht.

Die Interpretation hinter vorgehaltener Hand: Die MNB hat, im politischen Auftrag, allfällige Unregelmäßigkeiten, ob nun tatsächliche oder konstruierte, zum Vorwand genommen, um einen weiteren Player vom Markt zu nehmen bzw. unter Aufsicht regierungsnaher Kreise zu stellen und so letztlich in das "neue System" zu integrieren. Die vier Banken verfügen über gesunde Aktiva und haben kaum Kreditausfälle, Buda-Cash generierte vor allem über instiutionelle Aktienhandelsaufträge viel Geld in Form von Provisionen und Gewinnanteilen. Das Motiv ist also gegeben, die Tatwaffe in Form der bei der MNB angesiedelten Finanzaufsicht war vorhanden, nur die Gelegenheit fehlte bisher noch.

Dass die MNB unter Orbán-Kuli Matolcsy sich nicht geniert, ganz offen Partei- und Oligarcheninteressen umzusetzen, ist belegt. Die Széchenyi-Bank, eine der Sparbüchsen und Transaktionsvehikel einschlägiger Kreise wurde in die Pleite gesetzt, die Einlagen spezieller Kunden blieben jedoch selbst unter MNB-Aufsicht zugänglich, das Limit für die täglichen Abhebungen wurden extra angehoben. Mit Steuergeldern und (öffentlichen) Mitteln aus dem nationalen "Einlagensicherungsfonds" wurden Übriggebliebenes gerettet, die Sanierung zahlt dann wieder der Bürger über zusätzliche Verluste der MNB.

Wie berichtet, verfügt die "unabhängige" MNB über ihre Gewinne nach Gutdünken von Matolcsy. Anstatt, wie allgemein vorgesehen, sie dem Staatshaushalt zu überweisen, steckte man umgerechnet rund 1 Mrd. EUR in acht neu gegründete "Bildungsstiftungen", in Luxus-Immobilien, auch über off-shore-Konstrukte und gerne überteuert, einschl, eines Schlosshotels für die Angestellten und diverse Kunstgegenstände.
Mehr dazu.

Auch die
Fusion und Sanierung der seit kurzem staatlichen MKB und Budapest Bank begleitet die MNB  durch öffentlich belastbare Bad Banks und eine Bad Immo-Tochter. Nachfragen über die Beaufsichtigung und die Statutengerechtigkeit dieser schwindelerregenden Transaktionen - auch seitens des Parlamantes - werden patzig mit Hinweis auf die "verfassungsseitig garantierte Unabhängigkeit" der MNB, die "ja auch die EU verlangt", abgebügelt, Medien, die darüber berichten reihenweise wegen "Verleumdung" verklagt, mit Hinweis darauf, dass solche Berichte geeignet sind, die "Glaubwürdigkeit von Verfassungsorganen zu beschädigen", was wiederum gegen die "nationale Sicherheit" gerichtet ist. Lies: angewandte Pressefreiheit und parlamentarische Kontrolle = versuchter Landesverrat...

Einer so eingestellen Organisation ist eine false flag-Aktion zur "Marktbereinigung" also ohne Weiteres zuzutrauen. Ebenso wenig unwahrscheinlich ist es jedoch, dass es sich bei den "Unregelmäßigkeiten" um ein Erbe sozialliberalen Wirtschaftens handelt und es kaum verwundern sollte, dass das Zerreißen der letzten "linken" Netzwerke einige geldwerte Geräusche verursacht.

Die Buda-Cash-Affäre fand gestern ersten Widerklang in der Politik. Die linksliberale Oppositionspartei "Dialog für Ungarn" (eine Abspaltung der Grünen, LMP) will von Matolcsy wissen, warum die "kriminellen Aktivitäten der Buda-Cash so lange unberichtet" geblieben seien. Die DK von Ex-Premier Gyurcsány hält die Regierung und die Nationalbank für "unfähig, den Buda-Cash-Fall" zu untersuchen und fordert - Obacht - "die sofortige Entschädigung der Kunden.

Die Regierungspartei Fidesz, nie um eine Antwort verlegen, auch wenn es praktisch immer die gleiche ist, richtete den Sozis über ihren Fraktionsvorsitzenden Antal Rogán (dem aktuell die Verschiebung von 200 bezirkseigenen Immobilien unter dem Marktwert an gewisse Kreise vorgeworfen wird) auf: "Der Fall ist nur ein weiterer sozialistischer Broker-Skandal" und verweist damit auf den Fall des von linker Seite protektionierten Attila Kulcsár und den bis heute nicht restlos aufgeklärten Postbankskandal.

Rogán beruft sich bei seinen Vorwürfen, die Sozis seien Schuld, auf eine 2009, also unter Bajnai gemachte Gesetzesänderung, die Vor-Ort-Prüfungen der Finanzaufsicht bei Investmentfirmen und Genossenschaftsbanken auf "eine pro fünf Jahre" beschränken soll. Daher fand die letzte Prüfung 2010, noch unter der Vorgängerregierung statt, erst jetzt hätte man erneuten Zugang gehabt. Was, fragen Sie jetzt natürlich, hat Fidesz, das binnen vier Jahren die gesamte Verfassung, das komplette BGB und das Strafrecht neu geschrieben und beschlossen hat, daran gehindert, diesen Passus aufzuheben? Fragen Sie das bitte Antal Rogán!

Die MSZP "drängt" Fidesz dazu, nun "eine Lösung für die in Nöte geratenen Kontoinhaber" zu finden und erwidert, dass im September 2010, also schon unter Fidesz-Aufsicht, der damalige Chef der Finanzaufsicht PSZÁF, Károly Szász, ein Bußgeld über 3 Mio. Forint (ein Banker-Mittagessen) verhängt habe, wegen "Nichteinhaltung von Regeln zur Übermittlung von Finanzdaten". Dass bei Buda-Cash nicht alles nach Vorschrift lief, war Fidesz also lange bekannt. Der MSZP-Mann weist jedoch noch auf ein weiteres pikantes Details hin. Ein Miteigner von Buda-Cash, namens Zoltán Pintér, besitzt einen Agrarbetrieb, den er 2001, im Rahmen einer Fidesz-Privatisierung erwarb und der als Fidesz-Mann gilt.

Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich beim Buda-Cash-Skandal also um einen weiteren "Betriebsunfall" der unausgesprochenen großen Koalition, der Symbiose von Gaunern aus dem linken wie dem rechten Lager mit der "Ökonomie" als Wirt handelt. Jetzt aber fühlt sich Fidesz durch die eigene Gesetzgebungsmacht und die absolute Hoheit in der Exekutive sichre genug, die Ernte allein einzufahren. Die Zeit war gekommen...

red. / cs.sz. / a.l. / m.s.

Da sich unter unseren Lesern auch Buda-Cash-Kunden befinden, sind wir für (gerne anonyme) Erfahrungsberichte und / oder Schadensmeldungen dankbar. online@pesterlloyd.net

 

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