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(c) Pester Lloyd / 41 - 2015   POLITIK    07.10.2015


Bürgerpräsident statt Parteisoldat: Längjähriger ungarischer Präsident Árpád Göncz gestorben

Der Tod von Árpád Göncz hat das Fehlens eines integren Wächters der Grundfesten und Grundgesetze einer demokratischen Republik Ungarn und den Kulturverlust unter Orbán schmerzlich in Erinnerung gerufen. Was Göncz repräsentierte ist zerstört, sowohl was die Republik als auch das Amt seines Präsidenten betrifft.

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Am Dienstag ist Árpád Göncz, Präsident der Ungarischen Republik von 1990 bis 2000, im Alter von 93 Jahren in Budapest gestorben. Der 1922 in Budapest Geborene schloss in der Endphase der Horthy-Ära sein Studium der Rechtswissenschaften ab. Dann wurde er zum Kriegsdienst eingezogen, desertierte jedoch, ging in den Widerstand.

Göncz saß nach dem Volksaufstand 1956 mehrere Jahre wegen Aufwiegelung und staatsfeindlicher Aktionen in Haft, ein langjähriges Berufsverbot kam hinzu. Zunächst schlug er sich als Hilfsarbeiter in mehreren Berufen durch, erst vor der politischen Wende konnte er zunehmend als Schriftsteller und Literaturübersetzer (u.a. Herr der RingeI) tätig werden. Ab Mitte der 80er Jahre kam er durch sein politisches und bürgerliches Engagement immer wieder mit dem Kádár-System in Konflikt.

Bereits 1988 gründete er mit anderen Weggefährten, darunter vielen Künstlern und Intellektuellen, die liberale Partei, Allianz der Freien Demokraten (SZDSZ), die sich 2010 von der politischen Bühne verabschiedet hat. Im Mai 1990 wurde Göncz im ersten frei gewählten Parlament Ungarns dessen erster Präsident, 1990 wählten ihn die beiden größten Fraktionen, also SZDSZ sowie das Demokratische Forum (MDF, ebenfalls nicht mehr existent) - auf Vorschlag des Konservativen József Antall - zum Präsidenten, 1995 wurde er wiedergewählt. Im Jahre 2000, nach zehn Amtsjahren, trat er in den Ruhestand.

Schon während seiner Amtszeit genoss Göncz einen Ruf als besonnener, ausgleichender Präsident von hohem Ethos, der sich nicht in Parteipolitik verwickeln lassen wollte, - auch wenn das nicht immer ganz gelang. Sein Ruf als Bürgerpräsident und "bester Präsident Ungarns" dürfte indes für lange Zeit ungefährdet bleiben. Hielten die Nachfolger Mádl und Sólyom immerhin noch die Würde des Amtes einigermaßen und gerade bei Letztgenanntem schon nur mit Einschränkungen aufrecht, wurde die Funktion des Staatspräsidenten seit 2010 bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Beide Präsidenten unter Orbán, sowohl der als Betrüger überführte Pál Schmitt als auch sein Nachfolger János Áder dienten dem Ministerpräsidenten lediglich als parteitreue Stempelkissen und legitimierten auch dessen gröbste Verstöße gegen Grundrechte, Rechtsstaat und Demokratie.

 

Der Tod von Árpád Göncz hat die Schmerzlichkeit des Fehlens eines integren Wächters der Grundfesten und Grundgesetze einer demokratischen Republik Ungarn in Erinnerung gerufen. Auch die noch unabhängigen Medien des Landes erinnern anlässlich des Ereignisses an diese Defizite. Was Göncz repräsentierte, ist zerstört, sowohl was die Republik als auch das Amt seines Präsidenten betrifft.

Erst
kürzlich manifestierte ein Vertreter der Regierungspartei Fidesz den Kulturverlust, den die Macht der Orbán-Partei für Ungarn bedeutet, in dem er forderte, man solle Schriftsteller wieder einsperren wie in einer Diktatur, damit sie produktiver werden - das habe damals bei Göncz ja auch gewirkt... Dass dieser Göncz ausgerechnet für die Verbreitung des Werkes von Imre Nagy "A magyar nép védelmében" / "Die Verteidigung des ungarischen Volkes" inhaftiert worden war, ist nicht nur ein Hinweis auf die Dummheit einzelner Politiker und auf den Zustand des Landes, im Jahre 6 der Orbánschen Zeitrechnung, sondern auch ein Auftrag an die verbliebenen Demokraten im Lande.

cs.sz.




 

 

 

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