(c) Pester Lloyd / 07 - 2011 WIRTSCHAFT
15.02.2011
Schuldendienst hemmt Aufschwung
Kommen Orbáns radikale Reformen in Ungarn ins Stocken?
Der ungarische Ministerpräsident, Viktor Orbán, hat zum Auftakt der Frühlingssitzungsperiode des ungarischen Parlamentes nicht die erwarteten,
konkreten Strukturreformen zur Gesundung von Ökonomie und Staatsfinanzen verkündet, sondern lediglich wieder ein pessimistisches Bild der wirtschaftlichen Lage
des Landes gezeichnet. Ob die Hamburgersteuer kommt und es eine allgemeine Straßennutzungsgebühr geben wird, darf also weiter spekuliert werden.
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Die Eröffnungsrede der Sitzungsperiode am Montag blieb, trotz vieler Zahlen, unkonkret
und war eine weitere der vielen, sich mittlerweile auffallend wiederholenden politischen Ansprachen. Die genannten Daten und Zahlen sind schon leidlich bekannt, belastbare
Hinweise darauf, wie die Regierung Orbán das strukturelle Defizit und die wahrscheinlichen Haushaltslöcher nach 2012 nachhaltig durch Wachstumsanreize und Umstrukturierungen
stopfen will, blieben jedoch wieder aus. Es gibt Anhaltspunkte, dass die Regierung Orbán mitunter selbst an der Erreichung ihrer hehren Ziele zweifeln könnte.
Wie schon bei seiner State-of-the-Nation Rede vorige Woche, ließ sich der Regierungschef
wieder an den Vorgängern aus, die Ungarn an "den Rand des Abgrunds" gebracht haben. Orbán lobte ausführlich die Arbeit seiner Regierung und zählte numerisch sämtliche
Beschlüsse, Gesetzesänderungen, internationale Verträge auf, die man auf den Weg gebracht habe (ca. 150).
Auch jetzt sei man aber noch in einer Krise, weshalb die Regierung eine Notreserve von
250 Milliarden Forint (bereits seit 7.2. bekannt), ca. 920 Mio EUR eingerichtet habe. Die
Mittel dazu sollen fast ausschließlich durch eine ab Ende des Monats in Kraft tretende Ausgabensperre bei den einzelnen Ressorts eingesammelt werden und dafür sorgen, dass
man bei "außerordentlichen" Ereignissen, nicht jedes Mal das Budget belasten müsse. Mehr Details, welche Ressorts für den Notfonds am meisten sparen müssen, finden Sie in diesem aktuellen Beitrag.
Weiter beunruhigt ihn das Anwachsen bzw. das anhaltend hohe Niveau der Arbeitslosigkeit.
Es ist aber aufgrund der derzeitigen Lage unmöglich 1000 Milliarden Forint in die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu investieren, wenn das Land 2.4000 Milliarden Forint zur Reduzierung
der öffentlichen Schulden benötigt. Schließlich "wollen wir nicht das Schicksal von Griechenland oder Irland teilen" und nie wieder mehr ausgeben als wie einnehmen, so der
Premier. Er zählte zählte auf, dass der Schuldendienst des Landes 2011 2.429 Mrd. Forint (8,93 Mrd. EUR) betragen wird, 2012 werden es 2.302 Mrd. Forint sein, 2013 schon 3.046
(11,2 Mrd. EUR) und 2014 nochmals 2.404 Mrd. Forint.
Die bisherigen Versuche der Vorgänger zur Bewältigung der Probleme sind nicht mehr
zeitgemäß und "erscheinen uns heute wie eine Steinaxt in einem Space Shuttle." Orbán übte weiter heftige Kritik an den Banken, die darin fortführen, den Menschen "mit allen
nur denkbaren Tricks" den Kauf von Häusern und sonstige Kredite aufzuschwatzen. Viele Bürger nahmen sogar Kredite auf, um ihre täglichen Rechnungen zu bezahlen. Seine Partei hatte bereits im Vorfeld angekündigt, ein eigenes Aufsichtsgremium "zum Schutz der
Bürger vor den Banken", unabhängig von der staatlichen Finanzaufsicht PSZÁF, einzurichten und das Moratorium für Zwangsräumungen zu verlängern. Orbáns Anmerkungen können
demnach als politische Feldbereitung für weitere Restriktionen gegen Finanzinstitute gelesen werden.
Die Lösung der Probleme liegt in "mehr Mut", so Orbán, der wiederum auf den "neuen Széchenyi Plan" verwies. Dieser Plan, der sich übrigens überwiegend aus EU-Geldern speist
und die Mittel des Strukturfonds und andere Quellen für den Mittelstand neu ordnen soll. müsse "zu den Menschen gebracht werden, er ist der Schlüssel, zur Schaffung von einer
Million Jobs, wiederholte Orbán das zentrale Wahlversprechen seiner Partei für die nächsten zehn Jahre.
Ob, wie medial vielfach spekuliert, eine Hamburgersteuer auf ungesunde Nahrungsmittel
kommt und es eine allgemeine Straßennutzungsgebühr geben wird (Stand derzeit, Ablösung der zeitlich begrenzten Vignetten durch eine Pauschale von 6 HUF / Kilometer auf
Autobahnen) darf weiter spekuliert werden.
Reformpaket für 15. März angekündigt
Die internationalen Finanzmärkte, aber auch Institutionen wie der IWF erwarten von
Ungarn eine nachhaltige und strukturelle Sanierung des Haushalts, bisher sehe man mehr oder weniger wirksame Einmaleffekte auf der Einnahmenseite, doch kaum Maßnahmen,
die eine langfristige Gesundung ermöglichen. Das Reformpaket mit Einsparpotentialen in Ministerien, beim öffentlichen Dienst und Vorschlägen zur Sanierung defizitätrer
Staatsbetriebe, ist nun vorerst auf den 15. März verlegt worden. Bereits vor einigen Tagen wurde bekannt, dass die grundlegende Sanierung der Sozialkassen erst in ca. einem halben
Jahr konkret werden soll, zuvor wollte man das alles bis zum Frühjahr schon zur Sprache gebracht haben.
Orbán wurde am Rande der Sitzung recht martialisch als er anmerkte, dass man die “das
ungarische Volk beleidigende Angriffe” bezüglich des Mediengesetzes “erfolgreich zurückgeschlagen habe”. Man lasse sich aus dem Ausland nicht seine Politik diktieren,
“Brüssel ist nicht Moskau” stellte der oberste Repräsentant der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft fest. Dieser aggressive Unterton, den wir von Orbán vor allem aus
dem Wahlkampf kennen, ist ein Zeichen von Nervosität und Hinweis auf einigen politischen Frust beim sonst so selbstzufriedenen Premier.
red.
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