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(c) Pester Lloyd / 11 - 2011  FEUILLETON 17.03.2011

 

Unerwünschte Patrioten

Juden in deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen

In Zeiten eines verhohlenen und offenen Antisemitismus in Ungarn und anderwärts, kommt ein solches Erinnerungs-Sachbuch wie das von Hauptmann Michael Berger erschienene gerade recht. Er untersucht in seiner neuesten Publikation „Eisernes Kreuz – Doppeladler - Davidstern“ die Rolle der Juden in deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen durch zwei Jahrhunderte, die einen beredten Blick auf das Heute öffnen.

Es werden hier nicht wiederholt die bekannten, aber ebenfalls vergessenen oder verdrängten Leistungen der Juden in der Geschichte der europäischen Wissenschaft, Kultur oder Politik gewürdigt, sondern ihr Engagement im Militärdienst der vergangenen zweihundert Jahre umfassend untersucht. In „Eisernes Kreuz – Doppeladler - Davidstern“ reflektiert (in Erweiterung eines vorherigen Bandes) der Autor nicht nur akribisch und dokumentenreich die Geschichte der jüdischen Soldaten in deutschen Armeen, sondern widmet auch ein umfangreiches Kapitel den „Jüdischen Soldaten in der k.u.k. Österreichisch-Ungarischen Armee“ von der Einführung der Militärpflicht bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, ohne dabei die Jahre danach – mitunter bis ins Heute – auszublenden.

Dabei wird deutlich, dass es zwischen der Behandlung der Juden und deren Aufstiegschancen in der preußischen Armee sowie der k.u.k-Armee einige markante Unterschiede gab, die sich auch aus der ethnischen Zusammensetzung dieser Armee aus dem Vielvölkerstaat ergaben. So wurden z.B. im Gegensatz zur deutschen Armee in der österreich-ungarischen die Verdienste der Juden hoch anerkannt, ja sogar geadelt. Offensichtlich war es der Armee des Habsburgreiches – zunächst – gelungen, die Integration zumindest der männlichen jüdischen Bevölkerung zu vollziehen. Das belegt Berger insbesondere an der Zusammensetzung des Offizierscorps.

Interessant auch das statistische Material, das der Historiker im Hinblick auf den Anstieg der Zahl der jüdischen Soldaten seit Einführung der Wehrpflicht im Jahre 1896 nicht nur für die österreichische Landwehr, sondern auch für den ungarischen Honvéd (Magyar Király Honvédség = Königlich-Ungarische Landwehr) zusammengetragen und analysiert hat.

An zahlreichen Fallbeispielen weißt der Autor nach (auf dem Foto mit Oberrabiner Leitman), dass sich Ungarn bei allen kriegerischen Auseinandersetzungen auf seine Juden verlassen konnte. Zahlreiche Auszeichnungen sowie Beförderungen in den Offiziers- und Generalsrang zeugen vom Engagement dieser Patrioten. Um so tragischer und unverständlicher dann der Umgang nach dem Ersten Weltkrieg und in der Zeit des Nationalsozialismus – bis heute. Deshalb hat Michael Berger sowohl der Verfolgung als auch dem Widerstand jüdischer Frontsoldaten ebenfalls gut recherchierte Kapitel gewidmet.

Von den ca. 300.000 jüdischen Soldaten in der k.u.k.-Armee ließen mehr als 30.000 ihr Leben auf dem „Feld der Ehre“ - was ihnen von den "echten" Ungarn weder in der Zwischenkriegszeit noch heute Dank und Anerkennung eingebracht, wie sie echten Patrioten eigentlich zustünde. Im Gegenteil, gerade heute müssen sich Künstler, Wissenschaftler, Autoren "nichtungarischen Herzens", wie die ungarischen Juden spitz-verächtlich auch genannt werden, als Fremdkörper der Nation beschimpfen lassen - längst nicht nur von radikalisierten Gruppen.

 

Etwasaufgesetzt wirken die Einlassungen des Autors zu den „Juden in der Bundeswehr“, die heute zum Teil im „Bund jüdischer Soldaten“ organisiert sind, dessen Gründungsvorsitzender der Autor ist. Ebenso etwas deplatziert das Grußwort seines „Arbeitgebers“, des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Verteidigung. Zumal der auch nichts Erhellenderes zum Thema beitragen kann, als was der Autor in seinem gescheiten Vorwort bereits formuliert hat. Dieser amtlichen Einlassungen hätte es nicht bedurft. Insgesamt aber ein sehr empfehlenswertes Geschichtsbuch über ein relativ unbekanntes Kapitel europäischer Militärgeschichte, das geeignet sein dürfte, auch im heutigen Ungarn so manche Gedächtnislücke auszufüllen...

G.B.S.

Michael Berger: „ Eisernes Kreuz – Doppeladler – Davidstern / Juden in deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen. Der Militärdienst jüdischer Soldaten durch zwei Jahrhunderte“, trafo verlag, Berlin 2010, 248 S., ISBN 3-89626-962-1

Über den Autor:

Michael Berger ist Historikeroffizier im Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr und Gründungsvorsitzender des Bundes jüdischer Soldaten (RjF). Der Autor hat zum Thema Jüdische Soldaten in Deutschen Armeen bereits mehrfach veröffentlicht: Monographien, einen Sammelband sowie Beiträge für Sammelbände als Autor und Mitherausgeber, bei trafo, Nomos, im Berliner Wissenschaftsverlag und bei Oldenbourg. Er ist Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift des RjF „Der Schild“.

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