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(c) Pester Lloyd / 36 - 2011  POLITIK 08.09.2011

 

Wochenüberblick

Nachrichten aus Ungarn -  POLITIK & Verschiedenes

 

Studenten, die ins Ausland gehen, sollen zahlen

Bildungsstaatssekretärin Rózsa Hoffmann, die Anfang der Woche einen kleinen Ausblick auf die kommende Schulreform gegeben hatte (siehe unten), wärmte wieder die Idee auf, Studenten, die nach ihrem Studienabschluss das Land wegen eines Jobs im Ausland verlassen wollen, die Kosten für die Ausbildung bezahlen zu lassen. Dazu wil Hoffmann alle neuen Studenten mit Studienbeginn einen Vertrag unterzeichnen lassen, der sie zu einer Rückzahlung "dessen, was der Staat ihnen gab" und zwar "binnen fünf Jahren". "Niemand hat die Absicht..." die Studenten von der Jobsuche im Ausland abzuhalten, meinte Hoffmann, doch die Regierung will die Kosten für die Ausbildung derjenigen zurück, die meinen, sofort mit ihrem Abschluss das Land verlassen zu müssen. Das Auditorium an der Uni Szeged, bei dem Hoffmann diese Pläne - nicht zum ersten Male - artikulierte, reagierte darauf mit höflich-schweigsamem Unverständnis. Die EU dürfte bei Umsetzung nicht so schweigsam bleiben.

 

Regierung macht Geld für Burgsanierung locker

Mit einer Großaktion will die ungarische Regierung die Renovierung und teilweise Rekonstruktion des Budaer Burgviertels und seiner unmittelbaren Umgebung, Weltkulturerbe der UNESCO, in Angriff nehmen. Die notwendigen Beschlüsse und finanziellen Mittel, sollen bereits in den kommenden Tage folgen. Neben der Renovierung verfallender Häuser, der Ausmerzung von Lückenbausünden, soll vor allem der Várkertbázár, eine Arkadenreihe am Fuße des Burgberges mit Blick über die Donau restauriert werden. Das Ensemble von Künstlerstudios und Geschäften im Stile der Neorenaissance stammt von Miklós Ybl, dem Architekten der Budapester Oper und wurde in den 80er Jahren des 19. Jh. errichtet, ist aber in den letzten Jahrzehnten völlig verfallen, auch, weil man sich nicht auf ein sinnvolles Nutzungskonzept einigen konnte.

 

Chef der Budapester Verkehrsbetriebe, BKV, wurde gefeuert >>>

Wahlkommission lässt LMP-Referendum zu >>>

 

Parlamentspräsident ist jetzt Ehrenvorsitzender einer Partei in Rumänien

Am Samstag hielt die von den ungarischen Nationalkonservativen installierte und protegierte Separatistenpartei der Rumänienungarn, "Ungarische Bürgerpartei" im Széklerland (MPP) einen Parteikongress im rumänischen Targu Mures ab, dessen Höhepunkt die Ernennung des ungarischen Parlamentspräsidenten László Kövér zum Ehrenpräsidenten war. Kövér (Foto: fidesz.hu) beeilte sich, sichtlich gerührt, zu sagen, dass er "diese Ehre nicht als ungarischer Offizieller, sondern als Privatperson, freier europäischer Bürger und Mitglied der ungarischen Nation" annimmt. Er sieht die Ernennung als "moralische Verpflichtung" als "eine Geste, die den Geist des nationalen Zusammenhalts" spiegele. Er erklärte, dass er alles dafür tun werde, dass die MPP zu einer "anständigen Oppositionskraft" wird.

Die MPP steht in direkter Konkurrenz zur gemäßgteren RMDSZ, die auch in der rumänischen Regierung vertreten ist und von den Machthabern in Budapest als nicht kompromisslos genug geschnitten wird. Die "Ehre" für Kövér war nurmehr der letzte Schritt der MPP zu einer Fidez-Blockpartei. 2012 gibt es in Rumänien Parlaments- und Kommunalwahlen, in den letzten Monaten hatten sich die Spannungen zwischen Bukarest und Budapest wieder verschärft. Der Orbán-Getreue László Kövér, aufgrund seiner Funktion eigentlich zur Überparteilichkeit angehalten, ist einer der ideologischen Einpeitscher des neuen Budapester Revisionismus. Hier eines von Dutzenden Beispielen.

 

EU wird neues Arbeitsrecht prüfen

Die EU-Kommission wird sich das neue ungarische Arbeitsrecht vornehmen und überprüfen, ob es mit dem Europäischen Gewerkschaftsrecht kompatibel ist. Das sagte der ungarische EU-Kommissar für Sozial- und Arbeitspolitik, der noch von der Vorgängerregierung nominierte Lászlo Andor (Foto: EU) nach Gesprächen mit Gewerkschaftsführern in Budapest. Letztere hegen an der Rechtmäßigkeit der zahlreichen Maßnahmen massive Zweifel. Am 12. September haben vier der sehcs großen Konföderationen zu einer ersten, gemeinsamen Demonstration vor dem Parlament aufgerufen. Sie richtet sich gegen Tendenzen der Entrechtung von Arbeitnehmern und des Angriffs auf die Rolle der Gewerkschaften als Interessensvertreter. Einen ausführlichen Bericht zum neuen Arbeitsrecht und zur Haltung der Gewerkschaften finden Sie hier.

 

Erste Details zur Schul- und Bildungsreform

Nach Aussagen von Bildungsstaatssekretärin Rózsa Hoffmann will der Staat nicht, wie es gerüchteweise hieß, massenaft Schulen aus den Händen der Gemeinden in eigene Trägerschaft übernehmen. Der Staat werde jedoch die professionelle Aufsicht, nicht aber die Tagesgeschäfte führen. Lehrer werden künftig direkt vom Staat bezahlt, der legt auch die Zahl der Planstellen pro Schule fest. Hoffmann versprach, das "kein noch so kleines Dorf ohne Schule für die ersten vier Klassen bleiben wird, wenn zumindest acht Schüler und ihre Eltern eine Schule im Ort wünschen."

Zudem bekämen Eltern das Recht eigene ethnische Minderheitenklassen gründen zu lassen, wenn sich zumindest acht Schüler dafür finden. Inwieweit die Gefahr ausgeräumt werden kann, dass ethnische Minderheitenklassen auch gegen den Willen der Eltern eingerichtet werden (was ja im Hinblick auf Roma gängige Praxis ist), darauf ging Hoffmann nicht ein. Allmählich sollen Ganztagsschulen eingeführt werden, Hoffmann will möglichst jeden Tag eine Sportstunde durchsetzen. Entlassungen von Lehrer wolle man vermeiden, aber die demographische Entwicklung erfordere einen Abbau an Lehrerstellen. Allein in diesem Jahr gäbe es 22.000 Schulanfänger weniger als im Vorjahr.

Die zuvor befürchteten massiven Arbeitszeitverlängerungen wird es nicht geben, stellte Hoffmann klar, es bleibt dabei, dass für Lehrer 32 Stunden pro Woche Anwesenheitspflicht in der Schule bestehe, es aber ein “neues System” zur Berechnung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden geben wird (hier sind die Gewerkschaften noch besonders skeptisch). Ab 2013 soll ein "neues Karrieremodell" u.a. 30-50% höhere Gehälter für Lehrer beinhalten, gekoppelt an ein staatliches "Fortbildungssystem". Sprich, wer sich staatlich "weiterbildet", wird finanziell belohnt.

Die auch unter den Regierungsparteien umstrittenen Fragen einer Hoschulreform vertiefte Hoffmann diesmal nicht, Premier Orbán hatte sich dazu persönlich geäußert. Auch zur Frage der Sinnhaftigkeit von Englischunterricht als erste Fremdsprache unterließ die “Neulateinerin” Hoffmann jede Bemerkung. Das staatliche Budget zur Finanzierung des Bildungswesens sei “in ausreichendem” Maße vorhanden.

 

Budapest verkauft Kinderschutzheime

Die Fidesz-dominierte Stadtversammlung hat Ende August beschlossen, acht stadteigene Immobilien zu verkaufen, um Geld in die klamme Stadtkasse zu bekommen. Die Liegenschaften wurden bis zur Auflösung der Nutzungsverträge als Kinderschutzeinrichtungen verwendet. Fünf der Häuser liegen im Nobelbezirk XII und werden von der Stadt als "Luxusimmobilien" bezeichnet, die Nutzflächen der Gebäude liegen zwischen 2.370 und 25.000 Quadratmeter, weiterhin stehen Wohnungen in verschiedenen Bezirken zum Verkauf. Die Stadt erhofft sich Einnahmen von umgerechnet rund 10,7 Mio. EUR. Diese werden für die Schuldentilgung, nicht wieder für den Kinder- und Jugendschutz verwendet.

 

Erdbeben unweit vom ungarischen Atomkraftwerk

Nur rund 10 Kilometer nördlich von Paks, dem Standort von Ungarns Atomkraftwerk, ereignete sich am Samstagmorgen ein kleineres Erdbeben. Das seismologische Insitut bei der Akademie der Wissenschaften registrierte 2,8 auf der Richterskala. Es wurden zunächst keine Beschädigungen gemeldet. Aus einer der IAEO und dieser Zeitung vorliegenden Studie geht hervor, dass hauseigene Ingenieure schon in den Neunziger Jahren massive Zweifel an der Standfestigkeit des AKW Paks, das fast die Hälfte des heimischen STrombedarfs deckt und jetzt massiv ausgebaut werden soll, hatten, zumal die für Erdbebenschäden maßgebliche Bodenbeschleunigung nicht ausreichend in die - veröffentlichten - Stresstests eingeflossen sind. Mehr über diese Studie exklusiv bei uns, in diesem Beitrag.

 

 

 


 

 

 

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