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(c) Pester Lloyd / 06 - 2012      POLITIK 07.02.2012

 

Vorbild Iran

Rechtsextreme in Ungarn suchen Heil im Nahen Osten

Erst Anfang dieses Jahres verbrannten Jobbik-Mitglieder auf offener Bühne die Europafahne . Der Austritt aus der Gemeinschaft ist ein erklärtes Ziel der rechtsextremen Partei. Neue Zielrichtung: Naher Osten. "Strategische Partnerschaften" mit dem Iran lassen sich auch besser mit der antisemitischen Ideologie der Partei verbinden, wie Márton Gyöngyösi, Abgeordneter der Jobbik im ungarischen Parlament und "hoffnungsvolle" neue Führerfigur der Partei kürzlich in einem Interview preisgab.

Márton Gyöngyösi, ein adretter junger Mann, der immer einen perfekt sitzenden Anzug trägt, am renommierten Trinity College in Dublin Wirtschafts- und Politikwissenschaft studierte, dementsprechend fließend Englisch spricht, versucht ein „Saubermann-Image“ zu pflegen und gilt als wichtigster Repräsentant seiner Partei, der vor allem die „verzerrte Berichterstattung“ in den westlichen Medien über die Jobbik in das richtige Licht rücken soll. Daher ist er auch "außenpolitischer Sprecher" der Partei. Dabei wird er nicht müde zu betonen, dass die Partei kein nationalistisches Profil auszeichnet, für ihn sei es vielmehr die Aufgabe einer jeden Partei, sich für nationalen Belange einzusetzen.

Márton Gyöngyösi, links mit seinem Parteichef Gábor Vona.

Und mit den Vorschlägen zur Lösung des „Roma-Problems“, sei die Partei sogar Vorreiter, da sich endlich jemand diesem Tabuthema annehmen würde und nur dadurch eine öffentliche Diskussion zu diesem Thema beginnen könnte… Die Liste der „verzerrten Berichterstattungen“, wie Gyöngyösi behauptet, ließe sich bis ins Unendliche fortsetzten; kurzum die Partei fühlt sich einfach missverstanden.

Den Blick gen Osten

Im Fokus der außenpolitischen Strategie der Jobbik, die zu einem wichtigen Anteil auch durch Gyöngyösi mitbestimmt wird, steht ein Anti-EU Kurs, der durch die Hinwendung zu „früheren“ Partnern wie Kasachstan, Iran und der Türkei kompensiert werden soll. Auch der Regierungspartei Fidesz ist dieser Kurs nicht fremd, noch letztes Jahr verhandelte eine Regierungsdelegation unter anderem im Iran über eine Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Diese Berührungspunkte sind fatal, da die Zielrichtungen beider Parteien so für die Wählerschaft immer mehr verschwimmen. Kalkül oder Zufall? Immerhin ist sich manchmal auch das Personal zum verwechseln ähnlich, denn die antisemitischen Hasstiraden von Orbán-Freund und Fidesz-Mitgründer Zsolt Bayer in der Magyar Hírlap ähneln den Jobbik-Sagern oft frappand.

Es ist wohl nicht verwunderlich, dass Gyöngyösi auch Vorsitzender des Parlamentsausschusses für ungarsich-iransiche Freundschaft ist und seine Finger, ganz im Sinne der Völkerverständigung, im Spiel hatte, als die Jobbik dominierte Stadt Tiszavasvári mit dem iranischen Ardabil eine Städtepartnerschaft einging (Enthüllung der passenden Tafel dazu auf dem Foto rechts, übrigens auch in Runenschrift). Diese scheint aber nur insoweit zu reichen, bis die persönlichen und parteipolitischen antisemitischen Grundeinstellung befriedigt werden. Auch beim Bürgermeister von Gyöngyöspata, ebenfalls Jobbik, steht ein Iran-Wimpel auf dem Schreibtisch.

Holocaust ist Vergangenheit

In einem Interview mit dem "Jewish Chronicle online" gab, der sich so „tolerant und weltoffen“ inszenierende Gyöngyösi unverhohlen seine antisemitischen Ansichten preis. Anlass dazu gab ihm die im letzten Jahr eingereichte Klage von Holocaust Überlebenden gegen die staatliche Eisenbahngesellschaft MÁV, wegen ihrer Beteiligung an den massenhaften Deportationen in das Vernichtungslager Auschwitz. Empört darüber stieß er die Drohung aus, „dass diese Geldsuchenden in Ungarn mit dem Feuer spielen.“ Doch viel mehr schien Gyöngyösi die Frage nach der Rolle Ungarns während des Holocausts und nach einer möglichen Entschuldigung gegenüber den Juden in Rage zu bringen. „Warum sollte ich mich für etwas entschuldigen, was bereits 70 Jahre vergangen ist. Stunde für Stunde werde ich daran erinnert. Wir müssen, um Gottes Willen, darüber hinwegkommen. Ich finde diese Frage empörend.“

Aber auch seine „Iranophilie“ konnte Gyöngyösi in dem Interview anbringen. Das Ziel Israel aus der Landkarte zu radieren, bewertet er positiv, denn schließlich habe er schon immer die „Position bedrohter Staaten unterstützt. Iran ist ein äußerst friedliches Land, das niemals einen Krieg angefangen hat, ganz im Gegensatz zu Israel, das Kriege aus allen möglichen Gründen an jeden Nachbarstaat erklärte.“ Und in der anti-israelischen Schiene verbleibend, fügt er zu diesem Thema hinzu, Israel wurde von „Terroristen“ gegründet und „funktioniert gegenwärtig als Nazisystem, basierend auf Rassenhass. Schauen Sie sich doch Liebermann an, er ist nicht anders als Goebbels. Er ist ein lupenreiner Nazi.“ Den Bogen wieder zu Ungarn spannend, fügt er abschließend hinzu: „Die Juden haben nicht das Recht darüber zu sprechen, was im Zweiten Weltkrieg geschehen ist.“

Jobbik, derzeit mit knapp 17% der Stimmen im Parlament, erreicht derzeit Umfragewerte zwischen 18 und 24%.

Antje Lehmann

Mehr zum neuen Antisemitismus in Ungarn in diesem Beitrag.

Interview zum “neuen Faschismus” in Osteuropa.

 

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