(c) Pester Lloyd / 12 - 2011 BUDAPEST
25.03.2011
KOMMENTARE
Späte Genugtuung für Batthyány
Budapest bereinigt Liste seiner Ehrenbürger
Dass die "Verbundenheit" und "Freundschaft" zwischen Österreich und Ungarn eine Legende war und ist, wissen Historiker und Pragmatiker beider Seiten seit langem,
doch die Legende wird, vor allem in Österreich, behutsam gepflegt, da beide womöglich sonst ihren letzten historischen Freund in der Region verlören.
Die Machthaber beider Seiten stützten sich aus Gründen
des Machterhalts, versuchten sich dabei aber gleichzeitig regelmäßig die Beine zu stellen, eine Freundschaft wäre etwas anderes gewesen und wird sie auch noch so oft
beschworen, mehr als Zweckgemeinschaften bestanden nie. Auch das sehnsuchtsvolle Gehabe Kaiserin und Königin Elisabeth (Sisi)in Richtung Ungarn war keine
Völkerfreundschaft, sondern eher die Flucht einer psychisch angeschlagenen und überforderten Frau, was immer die romantisierenden Fans bis in heutige Tagen da hineinträumen mögen.
Am 15. März widmet man sich in Ungarn alljährlich mit
einem eigenen Feiertag der Feindschaft zu den Nachbarn und gedenkt dem Befreiungskampf gegen Habsburg in den Jahren 1848 und 1849, der von ebendiesen blutigst
und mit unverzeihlicher russischer Unterstützung niedergeschlagen wurde. Die “Unabhängigkeit”, zumindest jene von äußeren Herrschern
ist eines der zentralen Schlagworte der neuen nationalkonservativen “Epoche”.
Nun bereinigte die Stadt Budapest, seit Oktober unter neuer, nationalkonservativer
Führung, auch ihre Liste mit Ehrenbürgern. So wurde auf der Stadtradtsversammlung am Donnerstag Josef Stalin gestrichen, was man wohl kaum großartig begründen muss, auch
wenn die Sozialisten anmerkten, formal wäre Stalin nie Ehrenbürger gewesen.
Doch besonders gründlich märzte(!!) man die
Antihelden der Konterrveolution aus, eine lange Liste von Handlangern wurde die Ehre, Bürger Budapests zu sein, posthum genommen, darunter: Baron Julius
Jacob von Haynau, der die Todesurteile gegen 13 Aufständische "die Märtyrer von Arad" (Abb. rechts) sowie den ersten frei bestimmte Ministerpräsidenten
Ungarns, Lajos Batthyány, durchführte. Ebenfalls gestrichen: Josip Jelacic Bužimski und Alfred Candidus Ferdinand zu Windisch-Grätz (Abb. oben), die beiden
Schlächter von Wien und Pest, die die bürgerliche Revolution in Wien wie den Aufstand der ungarischen Adeligen blutig niederschlugen.
Ebenfalls städtischerseits enteehrt, wurden Innenminister Alexander Bach und
Ministerpräsident Fürst Felix von Schwarzenberg, die nach dem Ende der Kämpfe bis weit in die Fünfziger Jahre dafür sorgten, dass jeder freiheitliche Umtrieb in Pest unterdrückt
blieb, Bach, das ist irgendwie besonders ironisch, war vor allem durch seine gnadenlose Pressezensur bekannt geworden. Zur Strafe müssen die Genannten nun ohne die
Ehrenbürgerwürde klarkommen und künftig für ihr Metroticket selber zahlen.
István Tarlós, der Oberbürgermeister von Budapest, verwendet - so als hätte Budapest kaum sonstige Sorgen -
viel Zeit und Aufwand auf Umbenennungen, Umwidmungen und Umschmückungen der ungarischen Hauptstadt. So verschaffte er Elvis Presley als Held der 1956er Revolution...
(!!!) einen eigenen Platz, wird Ronald Reagan als Besieger des Kommunismus zu neuen Ehren kommen, über die Verlegung des Sowjetdenkmals debattiert, der Roosevelt tér
(Platz) bald Széyhenyi tér heißen, dafür der Szabadság tér wiederum Roosevelt tér benannt. Wozu braucht Ungarn auch einen Freiheitsplatz, wenn es das Fidesz hat?!
red.
Mehr zum Thema:
Elvis auf den Heldenplatz: Ein Land wird umgeschmückt - März 2011 (mit weiteren Links zum Thema)
Debatte um Verlegung des Sowjetdenkmals in Budapest - März 2011
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