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(c) Pester Lloyd / 22 - 2012     POLITIK 31.05.2012

 

Blinde-Kuh-Politik

EU - Ungarn: Hauptsache die Zinsen können bezahlt werden

Die EU-Kommission bleibt bei ihrer Ambivalenz gegenüber der ungarischen Politik. Auf der einen Seite attestiert man der Regierung massive Defizite bei der strukturellen Gesundung von Haushalt und Wirtschaft, verwirft aber mit ein paar Zahlenspielereien das Defizitverfahren, dass man noch vor zwei Monaten mit großem Gepolter verschärft hatte. Der EU scheint nur wichtig, dass aus Ungarn nicht noch ein "failing state" hinsichtlich der Zinszahlungsfähigkeit wird und nimmt dabei den Ruin der Wirtschaft und der Bürger in Kauf.

Eine Hand wäscht die andere oder was?

EU-Kommissionspräsident Barroso wird die Aufhebung der Sperre der Kohäsionsfonds für Ungarn beim Rat der Regierungschefs beantragen. Das sagte er gestern nach der turnusmäßigen Kommissionssitzung. Man habe festgestellt, dass das Land "die notwendigen Maßnahmen ergriffen" habe. Man gehe davon aus, dass sowohl in diesem wie im nächsten Jahr das Defizit unter 3% des BIP betragen werde. Allerdings wolle man die "Haushaltsentwicklungen in Ungarn genau beobachten".

Barroso vermied es, von "nachhaltigen, strukturellen Maßnahmen" zu sprechen, die für eine Neubewertung ursprünglich notwendig gewesen wären. Der dieser Entscheidung zu Grunde gelegte neue Konvergenzplan "Széll Kálmán 2.0" enthält aber lediglich eine allgemeine Erhöhung der Steuerlasten, die Umbenennung der kritisierten Branchensondersteuern in ein "dauerhaftes Modell", inklusive einer teilweisen Umverteilung der Steuerlast von der Wirtschaft auf die Bevölkerung.
Die Steuern im Detail. Mehr zum Széll Plan 2.0.

War das der Job der Kommission? Der Haushalt im grünen Bereich, Land und Wirtschaft am Boden, Demokratie und Rechtsstaat sind unwichtiger als die Maastricht-Kriterien, der Fiskalpakt und stehen somit unter der Zinszahlungsfähigkeit eines Landes? Die Entscheidung, Ungarn im exzessiven Defizitverfahren unbestraft davonkommen zu lassen, kann daher nur eine politische gewesen sein, denn von strukturellen Maßnahmen im eigentlichen Sinne enthält Széll 2.0 nichts. Offenbar funktioniert die konservative Allianz der dominierenden Regierungen in der EU nach wie vor, die Verschärfung des Defizitsverfahrens im März war also doch nur ein Schauspiel für die Öffentlichkeit.

Die Widersprüche in der sprunghaft veränderten Beurteilung Ungarns kommen auch im aktuellen EU-Länderbericht zu Ungarn zur Sprache, der ebenfalls gestern erschienen ist und der spricht von "ernsthaften Herausfoderungen" sowie einem "gemischten Bild" bei der Umsetzung der Ratsempfehlungen. Zuvor bestand vor allem Haushaltskommissar Rehn jedoch noch auf einer "vollständigen" Umsetzung,
zeitweise hatte es den Anschein, die EU wolle tatsächlich durchgreifen, um Ungarn und damit auch ähnlich gelagerten Ländern eine Lektion zu erteilen, wie man nur durch konsequentes Handeln Krisen überwindet.

Die EU erkennt nun zwar, dass der "zwingende Druck" zur Einhaltung der Budgetregeln, den Spielraum des Landes für Wachstumsimpulse und Investitionen verringert. Wie man diesen Spielraum erhöhen könnte, dazu liefert man jedoch keine Idee. Dennoch erwartet man hier von der Regierung "mehr Initiative". Die Kommission sieht Ungarns BIP 2012 um 0,3% schrumpfen, im Jahr 2013 hingegen ein Wachstum von 1%. Diese Daten sind besser als jene der OECD und anderer Volkswirtschaftler, die von einem BIP-Minus von bis zu 1 bis 1,5% Prozent ausgehen.

Premier Orbán machte Anfang der Woche auch klar, dass er "kein Geld für Wachstum" habe und lediglich die Einhaltung der Schuldenobergrenze für ihn Priorität habe. Das ist ein klarer Kurswechsel, denn zwei Jahre lang sprach er immer wieder davon, dass für ihn Vorgaben aus Brüssel nur dann bindende Wirkung haben, wenn sie dem "nationalen Interesse" nicht widersprechen. Er werde nicht auf Kosten des Wachstums der Wirtschaft sparen, denn: Ungarn müsse wieder auf den eigenen Beinen stehen. Dabei hat Orbán die Mittel gehabt, bevor er sie via Flat Tax dem Mittelstand und der Oberschicht zum Geschenk machte, als Anzahlung für dauerhafte politische Treue.

 

Der von der Kommission als "ausreichend" gepriesene Konvergenzplan, "mit seinen neuen, konkreten Maßnahmen" wird "die Binnennachfrage weiter drücken", stellt dieselbe Kommission in ihrem Bericht fest. Vor allem die "Finanztransaktionssteuer wird den größten negativen Einfluss" auf die Wirtschaft haben. Dies ist aber ausgerechnet jene Steuer, die die Bürger von den neuen Steuern am wenigsten treffen wird. Die neue Telefonsteuer, so die Kommission wird "einen substantiellen negativen Einfluss auf den privaten Konsum" ausüben. "Über den Vorhersagezeitraum hinaus wird die Inflation die Prognosen der Nationalbank übersteigen." Inflation meint: gut für die Staatsschulden, schlecht für die Ärmsten.

Der Bericht erklärt die budgetären wie die wirtschaftspolitischen Maßnahmen insgesamt für ungenügend, dennoch empfiehlt Barroso die Aufhebung der Sanktionen. Ungarn profitiert damit von den gigantischen Sorgen auf den EU-Großbaustellen Griechenland und Spanien, die EU will das kleinere Sorgenkind Ungarn offenbar einfach vom Hals haben, koste es die Bürger und die Demokratie auch noch so viel. Denn die Drohung des Mittelentzuges war das einzige wirksame Druckmittel, das die EU gegen den nationalökonomisch verantwortungslosen, sozial ungerechten und demokratiegefährdenden Kurs Orbáns noch in der Hand hatte.

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 red.

 

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