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(c) Pester Lloyd / 42 - 2012   BUDAPEST 17.10.2012

 

Schwerwiegende Tafelrunde

Bis sich die Tische biegen: das Mittelalterrestaurant "Sir Lancelot" in Budapest

Wo beginnt das Mittelalter wo hört es auf? Die Frage, die Historiker immer noch beschäftigt, ist in Budapest längst beantwortet: das Mittelalter beginnt, nein, nicht im Parlament, sondern in der Podmaniczky utca 14, nur wenige Meter vom Westbahnhof entfernt, in Sir Lancelots Ritterrestaurant. Hier können sich die Gäste in Klischees und Bergen von Essen wälzen. Ein Besuch in der Mutter der Budapester Erlebnisgastronomie.

Eine Tür in Bleiglasoptik, die von zwei steinernen Schildwachen und einem burgähnlichen Portal gesäumt wird, führt den Besucher in ein Lokal, das eine Atmosphäre wie am Hofe des Ritters Lancelot ausstrahlen soll. Ein Gewölbe auf schweren Balken, mit langen Hoztafeln und Bänken, zahlreiche Fackeln und Kerzen, zinnerne Leuchter und Pokale, Fenster in Bleiglasoptik, Ritterrüstungen und Waffen an den Wänden. Zwischen den Bänken befinden sich kleine Steinbrunnen deren Sinn dem heutigen Menschen erst aufgeht, wenn das Essen von den Burgräuleins und Knappen serviert wird, nachdem der Gast ein Lätzchen umgehängt bekam.

Denn im Mittelalter war es zwar üblich, das Fleisch mit dem Messer zu zerteilen, die Suppe sogar mit einem Löffel zu essen oder zu schlüfen, für alles andere nahm man jedoch die Finger. Wehe dem Gast, der es wagt, nach einer Gabel zu fragen! Dieses Gerät erinnert an den Dreizack des Teufels und gilt deswegen für mittelalterlichen Menschen als sündig. - Die Brunnen dienen also dem Reinigen der Hände von Hohnigsaucen, Kräutern und viel, sehr viel Fett.

Auch auf andere neuzeitliche Sonderwünsche reagiert die freundliche Dienerschaft Sir Lancelots mit erfrischendem Unverständnis: „Ketchup? Was ist das?” Zum Glück ist eine derartige Nachbesserung der gereichten Speisen nicht nötig, denn das hier als mittelalterlich adaptierte, aber doch eher neuzeitliche Essen, ist einfach, aber schmackhaft und sehr, sehr deftig.

Zur Wahl stehen zahlreiche Platten, z.B. „König Arthus” oder „Lady Melanie”, voll mit Steaks, Rippen, Braten, Stelzen und Unmengen wild gesottener Kartoffeln als Beilagen, die der Gast wahlweise für eine oder für bis zu sechs Personen bestellen kann. Teller gibt es keine. Die riesige Platte wird in die Mitte des Tisches gestellt, bis der sich biegt, von wo aus sich jeder direkt bedient, man sollte sich also überlegen, mit wem man die Tafel teilt. Suppe wird in einem ausgehöhlten Brot serviert.

Für Bier und Wein, die in irdenen Krügen ausgeschenkt werden, stehen Holzbecher und Tonkrüge bereit. Ein Schnaps nach dem Mahl ist für eine erfolgreiche und schmerzarme Verdauung unumgänglich. Ihren Höhepunkt erreicht die Stimmung im Sir Lancelot gegen 21 Uhr. Dann verwandeln sich Kellner in Troubadure und begleiten das Essen mit Flöten und Harfenklängen, Gaukler treiben derbe Scherze, Bauchtänzerinnen und Feuerschlucker zeigen ihr Können, während verfeindete Ritter sich atemberaubende Schwertkämpfe zwischen den essenden Gästen liefern. Wer das nicht verpassen möchte, sollte auf alle Fälle vorher reservieren, denn hier wird es immer sehr voll.

Im Gegensatz zu den Speisen sind die Preise für durchschnittliche Budapester Verhältnisse mittlerweile sehr gesalzen. Eine Person zahlt 5.290 HUF (22€), eine Platte für zwei Personen kostet 12490 HUF (46 €) und für die größte Platte (6 Personen) muss man insgesamt 34900 HUF (125€) berappen. Getränke sind hier noch nicht eingerechnet, wohl aber 10% Serviceaufgeld, das bereits mit auf der Rechnung steht. Dabei muss man allerdings sagen, dass die Platten wirklich riesig sind, (die Platte für Zwei würde locker für sechs Personen reichen) und die gesamte Atmosphäre, besonders die Show am Abend, diese Ausgabe lohnen.

 

Ob die Küche sich wirklich originär an mittelalterliche Rezepte anlehnt, steht weder im Mttelpunkt der Ambitionen des Restaurants noch seiner Besucher, es geht um das schlichte Event, und das ist stimmig. Das Lancelot hat sich in der schnellatmigen Budapester Gastroszene über lange Jahre stabil gehalten, ein Niveauabfall vor einigen Jahren wurde wieder behoben. Das Konzept, das so originell heute nicht mehr ist und leider von den unsäglichen XXXL-Konzepten beerbt wurde, hat dennoch Bestand, weil es breite Kreise anzieht und doch auch etwas Niveau behält. Nachahmer gibt es auch in Ungarn, z.B. das Sir Vincent in Györszentiván oder in Törökbálint, wo sogar ein ganzes Hotel auf die Lancelot-Schien gesetzt wurde. Das Lancelot in Budapest ist sozusagen selbst schon wieder Retro und in jedem Falle einen Besuch wert, aber vielleicht doch eher für Gruppen ab 4 Personen aufwärts statt für ein gemütliches Dinner zu zweit geeignet.

Eva Gärtner

Sir Lancelot Lovagi Étterem
Podmaniczky utca 14
1065 Budapest
www.sirlancelot.hu
M3 bis Nyugati pályaudvar
Täglich von 12h-01h

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