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(c) Pester Lloyd / 50 - 2012   RUMÄNIEN 10.12.2012

 

Klarer Wahlsieg - unklare Zukunft

Pontas Regierungsbündnis gewinnt die Wahlen in Rumänien - wie geht es weiter?

Das Regierungsbündnis von Premier Victor Ponta (USL, aus Sozialdemokraten PSD und Nationalliberalen PNL) hat die Parlamentswahlen in Rumänien klar gewonnen. Nach bisherigem Stand der Auszählung (Montag, 9:00 Uhr, mehr als 15.000 von ca. 18.000 Wahllokalen ausgezählt) erreichte die USL ein Ergbnise von rund 58,3% der Stimmen, das Mitte-Rechts-Bündnis von Staatspräsident Traian Basescu, "Gerechtes Rumänien", ARD, kam danach auf nur 16,7% der Stimmen.

Ebenfalls bemerkenswert ist noch das Ergebnis der rechtspopulistisch-nationalistische "Volkspartei" des Medienzaren Diaconescu, die aus dem Stand rund 13,3% der Stimmen erlangen konnte. Die Ungarnpartei schaffte mit 5,3% knapp die Hürde. Auch im Senat hat Ponta mit über 60% eine konfortable Mehrheit. Anders als in Ungarn, wo der Fidesz-Partei Orbáns 2010 knapp 54% der Stimmen genügten, um zwei Drittel der Mandate zu erlangen, braucht die USL für eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament jedoch einen weiteren Bündnispartner.

Premier Ponta feierte noch in der Nacht mit Anhängern seinen Wahlsieg.

Nach Angaben der Ponta-Partei verhandele man dazu bereits mit der UDMR (RMDSZ), der Partei der Rumänienungarn, die mit knapp über 5,3% der landesweiten Stimmen den Einzug ins Parlament nur noch gerade so schaffte. Sie verlor mehr als ein Drittel ihrer Sitze und zahlte bei den jetzigen Wahlen den Preis sowohl für ihre Treue als Mehrheitsbeschaffer der Regierung Boc als auch für die Einmischungsversuche seitens der ungarischen Regierung, die in erster Linie die "Ungarische Siebenbürger Volkspartei", eine Gruppe von separatistischen Hardlinern, fördert, die jedoch den Einzug ins Parlament klar verpasste. Auch die direkte Wahlempfehlung Orbáns zu Gunsten Basescus bei dessen Absetzungsreferendum hat Spuren in der Wählerschaft hinterlassen. Hier mehr Aktuelles zur Rolle der Rumänienungarn und der ungarischen Einmischung.

Während sich die USL nun der Legitimität ihrer Regierungsmehrheit durch Wahlen rühmt, befürchten viele Beobachter einen weiteren Demokratie- und Rechtsstaatsabbau im Lande. So wird bereits kolportiert, dass die Ponta-Regierung die Möglichkeit schaffen will, Entscheidungen des Verfassungsgerichtes durch eine 2/3-Mehrheit im Parlament aufzuheben. Damit ginge man noch einen Schritt direkter gegen die obersten Verfassungsrichter vor als im Nachbarland Ungarn, wo die Regierungsparteien Entscheidungen ihres Verfassungsgerichtes gewöhnlich indirekt, durch Umformulierungen der betroffenen Gesetze oder Umschreibungen der Verfassung selbst aushebeln.

Auch eine Zurückdrängung der in den letzten Jahren intensivierten Antikorruptionsbekämpfung wird befürchtet, da führende Parteigrößen der USL bereits verkündeten, dass die "stalinistische" Art der Antikorruptionsbehörde, "Geschäftsleute von Investitionen" abhalte. Kürzlich wurden sowohl für die Anti-Korruptions-Taskforce als auch für die Generalstaatsanwaltschaft neue Chefs bestellt. Hier mehr dazu.

Einige USL-Funktionäre befürworten auch einen erneuten Versuch der Absetzung von Präsident Basescu, worin sich die Partei jedoch nicht einig zu sein scheint, andere möchten die Sache lieber der Zeit überlassen, Mitte 2014 läuft Basescus Mandat aus. Premier Ponta jedenfalls sprach euphorisch davon, dass das Wahlergebnis einen "Bürgerkrieg beendet" habe, Wahlverlierer Basescu deutete an, dass er darüber nachdenkt, die Vereidigung des Premiers zu verweigern, weitere Spannungen in Rumänien sind also vorprogrammiert.

Präsident Basescu mit seiner Gattin bei der Stimmabgabe

Während viele Stimmen im Kampf zwischen den beiden Lagern einen Kampf zwischen "proeuropäischen" Kräften (Basescu), der vor allem die Mainstream-Linie der Haushaltskonsolidierung zur Schuldenbedienung (EU, IWF, internationaler Finanzmarkt) fährt, ohne große Rücksicht auf die Bevölkerung und einer pseudosozialistischen Linie der Ponta-Regierung sehen, die u.a. die Gehälter im aufgeblähten Verwaltungsapparat wieder angehoben hat, obwohl sich das Land das nicht leisten kann, schätzen Insider wie auch die öffentliche Meinung die Kontrahenten mehr als Vertreter zweier Interessensgruppen ein, die das Land als Beute betrachten, wobei die Mehrheit des Volkes in jedem Falle auf der Strecke bleiben muss, wie auch jede Modernisierung und Europäisierung.

 

Die Parallelen der Machtzementierung sind in Rumänien und Ungarn, trotz unterschiedlicher ideologischer Ausrichtungen der Machthaber, augenscheinlich. Mehr in: Kannibalen der Demokratie. Doch während die konservativ dominierten Regierungen Europas im Falle Ungarns stets mit dem Argument beschwichtigen, dass man das Ergebnis einer demokratischen Wahl zu akzeptieren hätte, kamen die Warnrufe zur Gefährdung der Demokratie hinsichtlich Rumänien ungebremst und schnell, wiewohl die strukturelle Umgestaltung und Machtkonzentration in Ungarn breits viel weiter fortgeschritten ist und auch unter Basescu eine Reihe von anditdemokratischen Maßnahmen zu verzeichnen waren.

Zwar haben die linken bzw. sozialdemokratischen Parteien und viele Medien nicht an Kritik am Orbán-Regime gespart, doch konnten sie sich politisch in der EU nicht durchsetzen, was zum einen am eingeengten Handlungsspielraum und fehlenden Durchgriffsrechten von Kommission und Parlament bei Fragen von Grundrechten und Rechtsstaatsfundamenten liegt, vor allem aber am Übergewicht des Rates der Regierungschefs innerhalb der EU. Das ist ein Hinweis darauf, dass es den maßgeblichen Politikern in Europa weniger um den tatsächlichen Stand von Demokratie und Rechtsstaat als um die Verteidigung ihrer jeweiligen Schwesterparteien geht. Es zeigt, dass die EU selbst nicht in der Lage ist, Demokratie- und Rechtsstaatsabbau bei ihren Mitgliedern zu unterbinden, weil die Mitglieder genau diese Kontrollfunktion verhindern.

Aus Bukarest: cs.sz. / red.

 

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