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(c) Pester Lloyd / 36 - 2013   POLITIK 03.09.2013

 

Unsere Wahrheit

Ungarn huldigt wieder Hitlerverbündetem Horthy

Am Sonntag begingen offizielle Vertreter der ungarischen Staatsführung den 20. Jahrestag der Umbettung der Überreste des einstigen Machthabers und Hitlerverbündeten, Miklós Horthy, aus dem portugieisischen Estoril nach Ungarn. Der Vertreter der Regierungspartei forderte dabei "Genugtuung" und eine gründliche Auslöschung der "sozialistischen" Epoche und zeichnete weiter am historisch zurüchtgebogenen Heldenbild des mit Nazis paktierenden Ständestaatlers, unter dem Zigtausende Ungarn gewaltsame Tode starben.

In Kenderes, Horthys Geburtsort unweit von Szolnok, versammelte der Vizepräsident des Ungarischen Parlamentes, Sándor Lezsák, Mitglieder verschiedener Veteranenverbände der Armee, allen voran der (ehemaligen) Marine, Familienangehörige sowie einige hundert Fans, darunter auch einige unmissverständlich mit dem Habitus der "Gardisten" und anderer offen rechtsextremistischer Organisationen (MTI: verschiedene NGO´s) ausgestatteten sowie herangefahrenen Gästen aus "Oberungarn" (Begriff für die früheren ungarischen Teile der heutigen Slowakei, revanchsitisch besetzt) und Siebenbürgen, zu einer Zeremonie.

Hinter einem mit Blumenbouquets und Kränzen umschmückten Porträt des "Reichsverwesers" hielt der Parlamentsvize, der als Ex-MDFler über ein Ticket des Fidesz ins Parlament gekommen war und dort heute die Regierungspartei vertritt, eine Rede. Zentraler Satz: die Umbettung von Horthys Überresten vor 20 Jahren war "eine Genugtuung, doch haben wir noch nicht ausreichend Genugtuung erfahren, denn die gehirnwaschenden, gifitigen vier sozialistisch-kommunistischen Dekaden, sind noch nicht vollständig ausgelöscht...". Die "historischen Kriminellen sind an den Ort ihrer Verbrechen zurückgekehrt, um die Spuren ihrer Taten zu vertuschen in Archiven und anderen Quellen, unsere Pflicht sei es daher, die nationale Erinnerung wach zu halten..."

Daher kündigte Lezsák an, dass man sich um die Gründung eines "wissenschaftlichen, historischen Institutes" bemüht, das die "wahre Geschichte" der "Horthy-Ära" aufarbeiten soll, denn: Schüler, Studenten und junge Historiker haben "ein Recht darauf, die Wahrheit über die Regierungszeit, die mit diesem Namen verbunden ist, zu erfahren". Die Bürgermeisterin von Kenderes ergänzte, "wie stolz die Einwohner unserer kleinen Stadt auf dieses historische Erbe" sind und man sich dessen würdig zeigen werde. Über einhunderttausend Menschen "aus aller Welt" hätten die "Krypta des Herrschergeschlechts" bereits besucht.

MTI berichtet weiter von den "warmen Worten", in denen István Horthy Junior, Enkel von Miklós, von seiner im Frühjahr verstorbenen Mutter berichtete, Witwe des 1942 an der Ostfront gefallenen Kampfpiloten und ältesten Sohns Miklós´, István, dessen kritische Äußerungen zur Judenvernichtung nicht nur ihn, sondern die ganze Familie von jedem verbrecherischen Geschehen freisprechen sollen und der erst kürzlich eine - wiederum offiziell gefeierte - Statue erhielt.

Tausende starben unter Horthys Verantwortung gewaltsame Tode

Miklós Horthy (1868-1957) errichtete nach der Niederschlaung der bolschewistischen Räterepublik mit Hilfe von rumänischen Hilfstruppen ein autokratisches Regime. Er schloss mit Hitler, den er mehrmals traf, einen Pakt und stellte diesem bereits ab 1941 mehrere ungarische Divisionen für den Russlandfeldzug zur Verfügung, die am Don 1943 unter riesigen Verlusten untergingen, was in Ungarn noch heute (nicht nur vom rechten Lager) als Heldentat verehrt wird. Dort starben auch tausende unter Horthy Regierungsverantwortung deportierte Juden und Andersdenkende bereits bei der Errichtung des "Ostwalls", Menschen sowohl aus dem Kernland wie auch aus den besetzten Gebieten.

Als Gegenleistung für die loyale Hilfestellungen erlaubte ihm Hitler den Einmarsch in die unter Trianon verlorenen Gebiete in der Slowakei, Rumänien und Serbien (Wiener Schiedssprüche 1940), wo Horthy Terrorregimes errichten ließ und zahlreiche Massaker. wiederum mit deutscher Mithilfe, stattfanden. Unter seinem auoritären, jedoch in punkto Repressionen nicht mit Hitlerdeutschland gleichzusetzenden System, gab es schon in den zwanziger Jahren Judengesetze, die bis Ende der 30er Jahre auch zu Berufsverboten, Enteignungen und persönlicher Verfolgung reichten, die Verfolgung Andersdenkender nahm stetig zu, die faschistischen Pfeilkreuzler wuchsen unter Horthys Regmie heran, die den deutschen Nazis bei der Deportation Hunderttausender ungarischer Juden halfen, etliche selbst ermordeten.

Relativierungen und Reinwaschungen - im eigenen Interesse

Horthy wurde 1944 von den einmarschierenden Deutschen abgesetzt, er hatte seine Schuldigkeit getan. Später versuchte man sein Bestreben, Ungarn aus dem Weltkrieg herauszuhalten als “Schaukelpolitik” schön zu reden, dabei war der Pakt mit Hitler ein klares Bekenntnis. Seine “Freundschaft” mit einigen (ihm nützlichen) einfluss-reichen jüdischen Ungarn wurde als Beleg herangezogen, dass er gar kein Antisemit im nazistischen Sinne gewesen sei. Orbán besteht darauf, dass man Horthy "keineswegs" einen Diktator nennen könne und seine Verehrung "kommunale Angelegenheit" sei. Indes zeigen sich immer mehr Parallelen in der autokratisch, ständischen Organisation des Staatswesens unter Horthy mit den Bestrebungen der heute Regierenden. Auch Orbán brüstete sich bereits damit "die Linke endgültig zerschlagen zu haben", so wie Horthy 1919.

Zusammenhang zwischen Regierungspropaganda und rechtsextremen Auswüchsen

Die bemühte Reinwaschung Horthys und seiner Regentschaft ist also nicht nur im Abgrasen des rechts von Fidesz angesiedelten Politspektrums motiviert, sondern auch im Aufbau einer neuen historischen "Kontinuität", dem Neuaufbau der alten Legende von der Ungarn zustehenden Größe, physisch wie metaphorisch, die Orbán mit dem Glanz vergangener, vermeintlich großer Epochen Ungarns bescheinen soll. Welche Folgen dieser Ansatz und die damit einhergehende Athmophäre im Land zeitigt, zeigt u.a. die vorgestrige Premiere einer Rockoper, bei der sich, weil sie nicht "national" genug inszeniert wurde, Besucher vom Nazipöbel beschimpfen lassen mussten. Der Regisseur wurde tätlich angegriffen. Mehr dazu auf Pusztaranger. Es gibt derweil immernoch viele "moderate" Stimmen, die zwischen obiger Veranstaltung, den hier geschilderten Übergriffen oder der Duldung von Naziaufmärschen trotz gegenteiliger Gesetzeslage etc.  keinen Zusammenhang erkennen können oder wollen...

ehr zum neuen Horthy-Kult und Geschichtsrevisionismus in Ungarn sowie zu weiteren Links zwischen Regierungsparteien und Rechtsextremisten in Ungarn:

Sabotage am Rechtsstaat - Nazialltag in Ungarn: Uniformierte Aufmärsche, applaudierendes Publikum, kalkulierende Politik  http://www.pesterlloyd.net/html/1335nazigarden6.html

Schaukelpolitik 2.0 - Jüdischer Weltkongress in Budapest: Wie antisemitisch ist Ungarn? Wie nah die Regierung am rechten Rand?
http://www.pesterlloyd.net/html/1318vordemwjc.html

Horthy, die Juden, der Minister und sein Onkel
Eine Geschichtsstunde mit dem Wirtschaftsminister von Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/html/1307geschichtsstundematolcsy.html

Ungarischer Parlamentspräsident bei Ehrung eines Nazipolitikers in Rumänien
http://www.pesterlloyd.net/html/1222koeverro.html

Wieder ein Horthy-Denkmal in Ungarn: diesmal an einer Uni
http://www.pesterlloyd.net/html/1221horthytafel.html

Ungarische Gemeinde schafft Platz für Horthy
http://www.pesterlloyd.net/html/1217horthyplatz.html

Gömbölinis Rückkehr
"Erster ungarische Nationalsozialist" erhält alte Weihen zurück
http://www.pesterlloyd.net/2010_36/36gombolino/36gombolino.html

Denkmal für Hitler-Paktierer Horthy in Ungarn eingeweiht und "umgestaltet"
http://www.pesterlloyd.net/html/1220horthydenkmal.html

Weiße Westen, schwarze Schafe
Staatlicher Geschichtsrevisionismus in Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/2011_15/15revisionismus/15revisionismus.html

Proteste gegen Horthy-Renaissance in Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/html/1225demosonntag.html

red.

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