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(c) Pester Lloyd / 37 - 2013   POLITIK 12.09.2013

 

Verfassungsgemäße Verbannung

Ungarische Regierung kriminalisiert Obdachlose nun ungehindert und verfassungskonform

Die ungarische Regierung verfasst gerade ein Rahmengesetz, das es Kommunen erlaubt, Obdachlose den Aufenthalt "in bestimmten Zonen" zu untersagen und "obdachloses Verhalten" zu bestrafen. Bei dem Gesetz handelt es sich praktisch um die Durchführungsbestimmung eines neuen Verfassungsartikels, der im Rahmen der 4. Verfassungsänderungen beschlossen wurde und explizit ein vorheriges Urteil des Verfassungserichts außer Kraft setzte, das die pauschale Kriminalisierung von Obdachlosigkeit als gegen die Grundrechte gerichtet, untersagte.

Obdachlosigkeit als krimineller Akt. Wer ist der Täter? Er oder der Staat?

Das Gesetz sei "nicht zur Bestrafung derjenigen, die auf der Straße lebten, gerichtet", kommentierte ein Offizieller die erwartbare Kritik daran, sondern, es diene dazu, "dass Obdachlose nicht noch das Leben der Nicht-Obdachlosen erschweren." Diese kreative Intention lässt tief in die Menschenverachtung der nationalkonservativen Regierung blicken, führt aber praktisch nur die wählerwärebende Law-and-Order-Schiene seit 2010 fort, die vom VfG kurz aufgehalten wurde. Dessen Begründung war eigentlich eineindeutig, doch mit dem geschaffenen Primat der Regierungspartei über die Verfassung letztlich wirkungslos. Anstatt Gesetze zu schaffen, die Obdachlosigkeit, die ja nun auch (nicht nur) Ergebnis staatlichen Versagens ist, beenden oder mildern hilfen, sorgt man dafür, dass der Normalbürger mit dem Problem möglichst nicht mehr konfrontiert wird, sei dies auch durch weitere "Erschwernis" für die Schwächsten der Gesellschaft.

Das Gesetz "authorisiert Kommunen obdachloses Verhalten aus verschiedenen Teilen ihres Territoriums zu verbannen" und zwar "im Interesse der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und der Volksgesundheit sowie zum Schutz der kulturellen Werte". So beschreibt es Károly Kontrát, zuständiger Staatssekretär im Innenministerium. In Anlehnung eines aktuellen Spruchs seines Kollegen Illés möchte man ihm zurufen, er solle das Wort "Kultur" in diesem Zusammenhang doch besser nicht in den Mund nehmen. "Der Entwurf hat nicht die Absicht, Menschen zu bestrafen, sondern nur dazu aufzufordern, dass Jeder auf die rechtlichen Regeln achten muss."

Allerdings ermächtigt das Gesetz eben genau dazu: wer sich an Platzverbote, oder das Verbot "obdachlosen Benehmens" nicht hält, das übrigens von den Kommunen definiert wird und u.a. auch das "Verbot der Mitnahme von liegengelassenen Gegenständen" beinhalten kann, bekommt deftige Geldstrafen, Anzeigen, Arrest. Kontrát ergänzte noch, es gäbe "in Ungarn genug geheizte Unterkünfte für alle Obdachlosen des Landes." - Aus den Augen, aus dem Sinn, das ist die "Sozialpolitik" der Orbán-Regierung.

Für die oppositionelle Allianz "Gemeinsam 2014 / Dialog für Ungarn", ist der Entwurf eine "Kriegserklärung gegen Arme und Obdachlose" und gegen die frühere Entscheidung des Verfassungsgerichtes gerichtet, das in seiner Begründung damals sehr deutlich machte, dass man Obdachlose und die soziale Problematik nicht einfach durch exekutive Maßnahmen "verschwinden lassen" kann, Obdachlosikeit ist keine Straftat. Es sei offensichtlich, dass diese Regierung nicht bereit ist, eine Politik zu machen, die den Bedürftigen hilft und über würdige Hilfprogramme auch deren Willen zur Arbeit und Wiederintegration zu steigern. Daher müsse das die Opposition angehen, sobald ein Machtwechsel im Lande geschafft ist.

red.

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