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(c) Pester Lloyd / 12 - 2014 WIRTSCHAFT 17.03.2014
Verfassungsgericht in Ungarn verweigert Regierung Freibrief für Zwangsumtausch von Forex-Krediten
Das ungarische Verfassungsgericht hat am Montag festgestellt, dass es dem Parlament grundsätzlich freisteht, gesetzliche Rahmenbedingungen für Forex-Kredite bzw. an Fremdwährungswechselkurse gebundene Forintkredite zu verändern. Allerdings dürften die Modifikationen keine der Vertragsparteien maßgeblich benachteiligen und es müssen dringende, die gesamte Gesellschaft bzw. das "Staatsziel" betreffende Gründe vorliegen. Auch müsste nachgewiesen werden, dass die Benachteiligung einer der beiden Vertragspartner "unvorhersehbar" war.
Das ungarische Verfassungsgericht ist zur Hälfte mit von Orbán ernannten Richtern besetzt, die andere Hälfte stammt noch aus den Zeiten der vorherigen Regierungen. Entsprechend salomonisch fallen zur Zeit die meisten Urteile aus, häufig mit vielen abweichenden Meinungen. Spätestens im kommenden Herbst dürften Widerworte noch seltener werden, dann kippt das Verhältnis nämlich zu Gunsten der Regierungspartei.
Die Verfassungshüter setzten damit ein weiteres Statement der Gewaltenteilung und machten klar, dass die Politik durchaus einen Gestaltungsspielraum hat, aber von der Judikative weder einen Freibrief für einen pauschalen gesetzlichen Zwangsumtausch von Forex-Krediten zu Lasten der Banken erhält, noch die ordentlichen Gerichte von der Pflicht auf Einzelfallprüfungen befreit werden. Denn unvorhersehbar war ein Forintverfall nie, es kann aber geboten sein, die Verträge daraufhin zu prüfen, wie die Kunden über dieses Risiko aufgeklärt wurden.
Mit dem Richterspruch greifen die Verfassungsrichter das Grundsatzurteil der Kurie (Oberstes Gericht) vom Dezember 2013 auf, das ebenfalls die Einzelfallprüfung als Mittel der Wahl bekräftigte und auch Angaben zu Detailfragen machte. Die Regierung Orbán hatte sich als Idealfall eine pauschale Ungültigkeitserklärung gewünscht, Premier Orbán diese sogar gefordert, da er ein "anderslautendes Urteil nicht akzeptieren werde", wobei er wieder das "Gerechtigkeitsempfinden des Volkes" gegen das geschrieben Recht und "Fremdinteressen" ins Felde führte.
Eine Totalkonfrontation mit der EU (Vertragsrecht, Eigentumsschutz, Kapitalverkehr etc.) und den bereits vielfältig angezapften und dadurch verärgerten Banken und anderen Investoren, wird Orbán aufgrund seiner extrem angespannten Budget-Arithmetik zunächst lieber verhindern wollen. Fakt ist nämlich, dass die Bürger kaum aufamten könnten, wenn sie zwar ihre privaten Schulden reguliert bekommen (bezahlen müssen sie sie trotzdem), sich ihre Einkommenssituation durch eine erneute, hausgemachte Wirtschaftskrise aber wieder verschärft.
Finanzminister Varga reagierte auf das heutige Urteil mit den Worten, dass es das langfristige Ziel der Regierung - auch über die Wahl hinaus - bleibe, Fremdwährungskredite "auslaufen zu lassen", zuvor hieß es noch "so schnell wie möglich zu eliminieren". Diese Bemerkung kann dreierlei bedeuten: man wird aufgrund des Respekts vor den Urteilen moderat (unwahrscheinlich), hat das Urteil noch nicht verstanden (wahrscheinlich) oder Orbán hat noch nicht bei Varga angerufen (am wahrscheinlichsten).
Das Wichtigste zum Thema:
Die Kurie sprach... Forex-Kredite in Ungarn sind grundsätzlich rechtens. Fidesz mit Urteil unzufrieden. http://www.pesterlloyd.net/html/1351forexkurieurteil.html
Teures Zögern Kreditausfälle in Ungarn erreichen neues historisches Hoch http://www.pesterlloyd.net/portalwirtschaft/finanzmarkt/finanzmarkt.html
Selbsterfüllende Prophezeiung Absturz des Forint: Regierung macht auf cool und überhört Schmerzensschreie der Forex-Schuldner http://www.pesterlloyd.net/html/1405forintabsturz.html
Die Kurie und die Wechsler Ungarn ringt um rechtliche Neubewertung von Fremdwährungskrediten http://www.pesterlloyd.net/html/1348forexkuriewechselr.html
Finanzieller Amoklauf + ökonomische Irrfahrt Was tun gegen die Massenverschuldung der Bürger in Ungarn? http://www.pesterlloyd.net/html/1326finanzielleramoklauf.html
red
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