THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 13 - 2014   WIRTSCHAFT 28.03.2014

 

Luft in der Leitung, Sand in die Augen: Orbán eröffnet unfertige Gas-Pipeline zwischen Ungarn und der Slowakei

Premier Orbán und sein slowakischer Amtskollege Fico eröffneten am Donnerstag den ersten slowakisch-ungarischen Erdgas-Interconnector. Es ist nur ein Termin von etlichen im Eröffnungsreigen des Wahlkampfes. Das Projekt dient der Diversifizierung der Energieversorgung, ist aber bis heute nicht einsatzfähig und auch lieferseitig ein typisches Pantjomkinsches Dorf. Orbán kaschiert die gestiegene Abhängigkeit von Russland.

Orbán und Fico drehen am großen Rad...

Das neue Lego-Werk in Nyíreghyháza, ein Werksausbau von Knorr-Bremse, ungarische (!) Fabrikseröffnungen in Cegléd, Karcag, Mezötúr, die U-Bahn-Linie M4, der Burgbasar, der Seuso-Schatz, Wirtschaftsdelegationen in Saudi-Arabien und China. Dazu die “normalen” Wahlkampfauftritte, Medientermine. Orbán weiß mittlerweile, wie man Wahlen gewinnt, er wirft er sich an schwere Maschinen, lässt sich in Laborkittel stecken, fährt mit Testwagen umher, hubschraubert die ukrainische Grenze ab, kostet alles, was man ihm vor die Nase hält und schüttelt jede Hand, die nicht bei drei auf dem Baum ist.

Hauptsache Kameras sind dabei! Putin light sozusagen, denn Löschflugzeuge steuern und eigenhändig Tiger betäuben, gar die alte Heimat heim ins Reich holen, das kann Orbán noch nicht und auch seine Wagenkolonne besteht vorerst nur aus 20, nicht aus 120 Fahrzeugen. Das Volk - hier wie dort - nimmt die Show dankbar an, unbequeme Wahrheiten, komplexe Unwägbarkeiten blendet man aus, bunte Bildchen und aufbauende Parolen der großen Macher sind leichter verdaulich, der Alltag ist schließlich schon schwer genug.

Direkter Draht nach Moskau? Russisches Gas soll ja durch die Leitung nicht fließen. Wird es vorher eingebürgert?

Doch zum heutigen Thema: Nach dem Atomdeal mit Putin, den Orbán zu einer energiestrategischen Existenzfrage hochgepimpt hat, auch wenn er das Land die finanzielle Existenz kosten könnte, wurde gestern die verstärkte Energie-Kooperation in der Region behandelt. Zusammen mit seinem slowakischen Amtskollegen Robert Fico, ein Mann aus der 2. Liga der Populismus-Uni, eröffnete er eine 111 Kilometer lange Pipeline (davon 92 Kilomter auf ungarischem Territorium), die - unabhängig von den Systemen der russischen und westlichen Multis - die Lieferung von Erdgas zwischen den Ländern in beide Richtungen ermöglicht und vor allem in Krisenzeiten hilfreich wirken soll.

Der Bau wurde mit mindestens 30 Mio. EUR EU-Mitteln mitfinanziert, die Planung führt zurück auf die
Gaskrise vom Januar 2009 als der Streit zwischen der Ukraine und Russland um die Preise (und ein bisschen mehr) zu Lieferausfällen mitten im Winter führte. Euphorisch pries Orbán sein Engagement für mehr Energiesicherheit und lobte sich für den Erwerb strategischer Gaslager von der MOL und anderen Playern. Ungarn sei nun in der Lage, Gas an Unternehmen und Einwohner zu liefern "was immer in der Welt geschehe", zumal die Pipeline "nicht mit russischem Gas" gefüllt werde. Eine Bemerkung, über die Experten nur laut lachen können.

Die Opposition sprach natürlich von einem unverschämten PR-Stunt, denn die Leitung sei noch gar nicht betriebsbereit, die Zeremonie ein Fake fürs Wahlvolk. Orbán habe das Projekt, das bereits von den Vorgängern begonnen wurde, unnötigerweise verzögert, weil er sich lieber mit der Slowakei stritt als zu kooperieren. Kritik wird auch daran geübt, dass Orbán Teile der strategischen Gasreserve sozusagen in "Friedenszeiten" freigegeben habe, um den Effekt der politisch betriebenen Energiepreissenkungen zu beschleunigen. Damit setze er im Falle einer wirklichen, langanhaltenden Krise die Energieversorgung des Landes aufs Spiel. Und letztlich werde auch durch diese Leitung mehrheitlich russisches Gas fließen, wenn auch über Umwege, Orbán streue den Menschen hier nur Sand in die Augen. Premier Robert Fico meinte, die Leitung sei ab 1. Januar 2015 einsatzfähig.

 

Der neue Abschnitt wird Teil einer Nord-Süd-Verbindung von der Ostsee (Ostsee-Pipeline, also doch russisches Gas sowie Einspeisung aus skandinavischen Ländern ) bis zur Adria (Flüssiggas aus Kroatien und von künftig weiteren Anbietern, allerdings heute noch in marginalen Mengen) werden und die Diversifizierung der Lieferwege in Mittelosteuropa vorantreiben. Seit der Krim-Krise steht der vertraglich mit Gazprom bereits fixierte Bau der South Stream auf der Kippe, vom europäischen Konkurrenz-Projekt Nabucco hat man in den nächsten zehn Jahren ohnehin nichts zu erwarten, wenn - angesichts der Lage in den erhofften Zuliefererländern - überhaupt jemals. Der Großteil der Gaslieferungen für Ungarn kommt noch immer über die Ukraine aus Russland, daran wird sich so schnell auch nichts ändern.

cs.sz.

Orbán als Dreher bei Knorr-Bremse

als Grüß-August bei Lego

Und als Knöpfchendrücker bei Andritz

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