THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 14 - 2014   POLITIK 04.04.2014

 

Orbáns Amtsleiter bedauert Fehlen der Todesstrafe in Ungarn

War es ein taktischer Schachzug aus Panik vor den in Umfragen erstarkten Jobbik-Extremisten oder brach sich doch ein verinnerlichtes Menschen- und Weltbild in den jüngsten Äußerungen des Staatssekretärs János Lázár Bahn? - Auf einem “Straßenwahlforum” in einem Dorf im Komitat Csongrád verlautbarte er gestern, dass er es "bedauere, dass es nicht möglich ist, die Todesstrafe wieder einzuführen." Dies sei notwendig, da "die Gerichte keine Ahnung von der ungarischen Realität" hätten und nicht "nur der Wahrheit, sondern auch der Gerechtigkeit" dienen müssten.

Anlass für diese erneute Tirade gegen die Justiz war ein Berufungsverfahren gegen eine "echte" lebenslange Strafe für einen lokalen Dreifachmörder. Kurz gesagt: die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet ein ultimatives lebenslanges Wegsperren ohne jede Aussicht auf Freilassung als "inhumane Strafe", ein Gericht setzte diesen Grundsatz gegen ein anderes durch, mehr nicht.

Orbáns Flügeladjudant Lázár gestern auf seiner “Speaker´s Corner” in Földeák, einer 3.000-Einwohner-Gemeinde unweit “seines” Hódmezővásárhely. Im Hintergrund soll ees sich um eine Arbeiterstatue handeln, es könne aber auch ein Scharfrichter sein?!

Das - dies müsste der gelernte Anwalt Lázár eigentlich wissen - schließt allerdings die tatsächlich lebenslange Verwahrung bei entsprechender Gefährdungseinstufung während bzw. nach Ablauf der Haftstrafe nicht aus. Der humanistische Hintergrund liegt auf der Hand: dem Menschen wird allgemein die Fähigkeit zur Entwicklung und Veränderung zuerkannt, egal wie groß das Verbrechen war, das Schutzbedürfnis der Gesellschaft ist dennoch gegeben. Im konkreten Fall ging es auch nicht um eine baldige Freilassung, sondern lediglich um die Einhaltung von Rechtsnormen, denen man sich durch internationale Verträge unterworfen hat.

Doch Ungarn ist anders, denn dort “fordert eine überwiegende Mehrheit des Volkes für die schlimmsten Verbrechen die Wiederherstellung der Todesstrafe." so Lázár und genau dieses oft zitierte "Gerechtigkeitsempfinden des Volkes", das wiederum durch seine Partei vertreten wird, zählt für ihn mehr als international vereinbarte Rechtsgrundsätze oder gar die Urteile der heimischen Justiz. Auch Orbán hatte sich schon im Parlament aufgebaut und wörtlich gesagt, dass er "dieses Urteil nicht akzeptieren werde". Eine Aussage, die in normalen Ländern der Beginn eines Amtsenthebungsverfahrens wäre.

Lázár entschuldigte sich indirekt bei "seinem Volk" dafür, dass man nicht einmal im Fall des "Mordes an Kindern und alten Menschen" mehr die "gerechte Strafe" verhängen dürfe. Die Wiedereinführung der Todesstrafe ist eine zentrale Forderung der neonazistischen Partei Jobbik. Dies nur für Jene, die nach zwei Dutzend Beweisen immer noch eine ideologische und pragmatische Verbindung zwischen diesen beiden Parteien leugnen.

 

Lázár ist nicht irgendwer: der frühere Fidesz-Fraktionschef, heutige Leiter des Amtes des Ministerpräsidenten, Chef der NFÜ und damit oberster Kassenwart über die EU-Milliarden (und deren "richtige" Verwendung) und - fürs Privatvergnügen - Bürgermeister der 50.000-Einwohner-Stadt Hódmezővásárhely, gilt nicht ohne Grund als "His Master´s Voice", ist Teil des inneren Machtzirkels um Premier Orbán. Ihm verdankt das Land einen großen Teil der 500 neuen Gesetze der abgelaufenen Legislaturperiode, u.a. auch die Einschränkung der Befugnisse des Verfassungsgerichtes und das Tabakhandelsmonopol als Versorgungssystem für die Fidesz-Fußsoldaten.

Seine Familie ist seit Kurzem in den Kreis der Großbauern aufgestiegen,
Lázár besorgte den Familienbetrieben günstiges staatlichen Pachtland. Lázár sitzt im Vorzimmer Orbáns, ist sein Flügeladjutant. Man kann davon ausgehen, dass seine Äußerungen (Sie reichen von "Wer arm ist, ist selbst Schuld" bis "Die Juden (wörtlich: die Forderungen des jüdischen Dachverbandes Mazsihisz) spalten unser Land") nicht ohne Hintergedanken getätigt werden, denn schon oft wurde seine "Meinung" ein paar Wochen später Gesetz.

János Lázár ist übrigens für einen Ministerposten im Gespräch. Ressort: Justiz.

red.

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