THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 18 - 2014   WIRTSCHAFT 29.04.2014

 

Körner für den Geld-Hahn

Missbrauch von EU-Geldern: Ungarn speist Brüssel wieder mit ein paar Zahlen ab

Staatssekretär Lázár räumt auf: Bisher habe man 276 Unternehmen identifiziert, die EU-Förderungen in Off-Shore-Unternehmungen geleitet hätten und, weil dies nach ungarischem Gesetz verboten ist, nun die ausbezahlten Gelder zurückzahlen müssten. Freilich handelt es sich nur um einen winzigen Teil der in Frage stehenden "Beute". Während die EU-Controller von OLAF und in den Unterkommissionen immer mehr verzweifeln, handeln sich die EVP-Freunde weiter ihre Deals aus.

Insgesamt handelt es sich bei den aufgebrachten Unternehmen um in Frage gestellte Fördergelder in Summe von bis zu 65 Mio EUR (inkl. Zinsen) - wohlgemerkt für alle 276 Unternehmen, also im Schnitt um ca. 230.000 EUR pro Firma. Gegen weitere 2.000 Unternehmen gäbe es Verdachtsmomente, die Prüfungen dauerten noch an.

Diese Erfolgsmeldung im Zuge der konsequenten Korruptions- und Missbrauchsbekämpfung der Regierung, die - von EVP Chef Daul bestätigt - nur der Wahrheit dient, stammt aus dem Amt des Ministerpräsidenten, dessen Chef Lázár - praktischerweise - seit vorigem Sommer
alle EU-Geld-Vergaben selbst managt. Natürlich hat die Aktion mehrere Haken, kurz gesagt, es handelt sich um einen Show-Act, um der Kritik aus den Betrugsdezernaten der EU, die immer lauter die völlig fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit in Ungarn beklagt, zu entschärfen.

Fakt ist, dass schon eine kleine Handvoll Unternehmen mit Off-Shore-Hintergrund, bzw. Unternehmen, die nur zum Zwecke der Subventionsabschöpfung gegründet - und dann bald wieder stillgelegt - werden, 2013 allein auf die o.g. Summe kam. Einen dieser "Fälle", hinter denen freilich ein komplettes System steht,
wurde hier gründlich dokumentiert, die Beziehungen in der Regierungspartei nahestehende Kreise sind bewiesen. Und das war nur ein Beispiel von vielen.

Unnötig zu erwähnen, dass diese Unternehmen nicht auf der Liste der Sünder auftauchen und wenn, dann nur, wenn die Hintermänner Namenlos und die Gelder längst verteilt, also über alle Berge und auf allen Inseln sind. Das Amt des Ministerpräsidenten schränkt denn auch ein, dass womöglich "viele Unternehmen die Rückforderungen vor Gerichten anfechten werden". Im Unterschied zu ihren Vorgängern, in Sachen Geldabzweigung ein und dieselbe Schule, geht diese Regierungspartei jedoch noch weiter und unternimmt konsequenterweise Schritte, das Illegale zu legalisieren, wie hier genauer beschrieben ist. Man baut also für die Zukunft vor.

Es hat vier Jahre gebraucht, bis die geschäftsmäßige, organisierte Plünderung von EU-Mitteln, dieses "Schattenreich der Kleptokraten" in Brüssel allmählich sichtbares Unbehagen auslöst. Von den Betroffenen hätte man
schon vorher mehr erfahren können, wenn man gewollt hätte. Mittlerweile ist auch die EU auf den Gedanken gekommen, dass die sporadischen Beschwerden über mangelhaft aufbereitete Abrechnungen von EU-Projekten und Geldvergaben womöglich nur das Symptom eines größeren Raubzuges sein könnten. Doch die Mitarbeiter von OLAF (der Antikorruptions-Force der EU) können noch so viel mahnen (wie es gerade wieder geschah), warnen, dokumentieren - solange die - in diesem Falle - konservative Freunderlwirtschaft funktioniert, wird sich an den Zuständen nichts ändern. Es ist wieder diese lähmende Kluft zwischen Professionals auf der einen und den Statthaltern ihrer Regierungen auf der anderen Seite, die so vielen die EU zu Recht verleidet, was die Verursacher dieser Zustände dann wiederum heuchlerisch bedauern.

Lázár und Hahn in den Labyrinthen der EU-Behörden

Immerhin ist Regionalkommissar Hahn, der die weitaus meisten Gelder nach Ungarn vergibt (regioanle Strukturfonds), ein klassischer ÖVP-Mann, eine “europafreundliche” Partei, die sich nicht nur mit der offen europafeindlichen Fidesz ohne rot zu werden solidarisiert, sondern selbst "durch die Bank" (Österreicher wissen dieses Wortspiel sicher zu schätzen) Experten aufweist, die sich bestens mit der "Beförderung" von Förderungen und dem Anzapfen öffentlicher Quellen für den privatwirtschaftlichen Ge- und Missbrauch auskennen. Die österreichischen Gerichte haben - trotz weisungsbedingter Teilruhigstellung - bis heute alle Hände mit der Aufarbeitung der schwarz-blauen (braun ist in Österreich eben blau) Koalition der Jahrhundertwende zu tun, ganz davon abgesehen, dass im proporz-geübten Österreich, die Dinge, "die schon immer so waren", ohnehin auch unter Schwarz-Rot so - oder so ähnlich - weiterlaufen.

Als im Vorjahr die Quellen für Ungarn aufgrund ausufernder Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung kurz versiegten, organisierten Kommissar Hahn und Orbáns Flügeladjudant und EU-Kassenwart Lázár sehr schnell den passenden "Deal", um die Geldflüsse am Laufen zu halten, schließlich schneiden österreichische Bau- und andere Unternehmen stets gut bei den EU-finanzierten Aufträgen im Nachbarland mit (zuletzt u.a. beim Burgbasar), womit sich der Kreis schließt und Hahns Auftrag präzise beschrieben wäre. Nun liefert Lázár eben ein paar Statsitiken nach, die helfen sollen, den Schein zu wahren und den "Geld-Hahn" (ja, mit Namen macht man als Journalist keine Scherze, ist aber nicht so schlimm wie EU-Gelder klauen oder? Anm.) bei Laune zu halten, zumal das Off-Shore-Problem nur einen kleineren Seitenarm der Krake darstellt.

Doch selbst dem derart konditionierten Kommisar Hahn gehen die ungarischen Sonderwege nun schon langsam zu weit. Seine Sprecherin, Shirin Wheeler, informierte jetzt über einen Brief an die ungarische Regierung vom 16. April, in der "Bedenken" über die "Umgestaltung des Fördersystems und die Funktionsfähigkeit des Managements- und Kontrollsystems" aufwirft. Hier geht es vor allem um die "Reorganisation" der Nationalen Entwicklungsbehörde NFÜ, besser gesagt, ihre Kaltstellung durch Unterordnung. "Noch habe man keine Gelder gesperrt", doch selbst beim Fidesz rechnet man bald mit einer "temporären Einfrierung", betont aber, dass dadurch "kein Cent verloren" geht und zeigt sich "überzeugt", "alle Fragen befriedigend beantworten zu können". Warum soll auch nicht wieder funktionieren, was schon so oft funktionierte.

 

Ungarn hat in der jetzt anlaufenden 7jährigen Budgetperiode Zugang zu netto rund 24 Milliarden EUR oder umgerechnet: das gesamte, erhoffte Wirtschaftswachstum bis 2020 ruht allein auf den Schultern Brüssels, ist also von den Nettozahlern der Gemeinschaft finanziert. Oder noch deutlicher gesagt: ohne die EU-Milliarden gäbe es praktisch keine öffentlichen Investitionen in Ungarn, das Defizit würde jedes Jahr aus dem Ruder laufen, die Wirtschaft stünde, außerhalb der Werkbank-Multis, still - und auch die Österreicher bekämen weniger Auftragsbeteiligungen.

Mehr zu den "Beutenomaden und ihren Lehrmeistern" in Pathologisch verfilzt: Gripen und der Korruptionssumpf Österreich - Ungarn

red. / m.s.

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