THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 37 - 2014   WIRTSCHAFT   11.09.2014

 

"Parteiläden" erweitern Sortiment: Ungarn bekommt ein Alkoholhandelsmonopol

Trotz beharrlicher Leugnung seitens der Regierungspartei, wonach die Einrichtung von "Nationalen Schnapsläden" zur Umsetzung eines Handelsmonopols für alkoholische Getränke "nicht auf der Regierungsagenda" steht, sickern über einschlägige Kanäle Informationen darüber durch, dass es tatsächlich nur noch um die Frage geht, welche Getränkesorten von dem Handelsmonopol betroffen sein werden bzw., welche nicht.

Mehrere Marktteilnehmer bestätigten dieser Zeitung gegenüber, dass es bereits detaillierte Verhandlungen mit Regierungsstellen über die Modalitäten gibt. Von diesen Vorabsprachen wurden nach Medieninformationen einige im ausländischen Besitz befindliche Handelsketten ausgeschlossen.

Danach sieht es so aus, dass sich die "Weinlobby" und die Brauereien mit ihrem Drängen durchsetzen konnten, wonach nur Hochprozentiges, also alles über 25%, in den "Nemzeti Italboltok" unter Staatslizenz verkauft werden dürfte, die übrigens auf gleichem Wege vergeben werden sollen wie die
Tabakhandelslizenzen. Hinzu kommt, dass die Inhaber von Tabakhandelslizenzen, nachgewiesenermaßen überwiegend Fidesz-Günstlinge, die besten Chancen haben sollen, auch eine Alkoholverkaufslizenz zu erhalten. Im Gesetz soll diese Bevorzugung mit dem Begriff "Vertrauenswürdigkeit" umschrieben werden, wie man das bereits bei den Casino-Lizenzen handhabte, um diese ohne öffentliche Ausschreibung vergeben zu können.

Im Raum steht außerdem ein Verbot von Außer-Haus-Verkäufen von Alkoholika durch Restaurants und Bars ab einer bestimmten Uhrzeit. Auch liegt, laut der Wirtschaftszeitung "Napi Gazdaság", ein Vorschlag auf dem Tisch, der nur den Gastronomen den Ausschank alkoholischer Getränke gestatten soll, die auch "warme Mahlzeiten" anbieten. Wie man mit Catering-Unternehmen verfahren will, war bis dato noch offen, denn die Lieferung des Gewünschten im Rahmen einer "Feier" wäre dann eine lohnende Marktlücke. Auch die Frage der Lizensierung auf Open Air Festen (von Fußball, übers Schweineschlachten bis zum 20. August) ist ungeklärt.

 

Ob den staatlichen Schnapsverkäufern - genauso wie den lizensierten Tabakhändlern - eine gesetzliche Gewinngarantie eingeräumt werden wird, ist noch offen, das Monopol soll aber bereits Anfang 2015 starten. Alkoholverkaufsmonopole gibt es in Europa u.a. in Schweden, Finnland, Norwegen und Island. Die Argumente für eine Einführung eines Alkoholhandelsmonopols in Ungarn (Jugendschutz, Schwarzmarkt, Steuereinnahmen) wirken jedoch im Lichte der gesetzlich verankterten und vor der EU so brachialpatriotisch verteidigten steuerbefreiten Pálinkábernnerei (rund 50 Liter / Jahr / Haushalt) besonders absurd und machen deutlich, dass die Motivation dahinter eher in der Erschließung einer weiteren Versorgungsquelle für Parteikader und deren "Angehörige" besteht.

 

Das Tabakhandelsmonopol hat seit Sommer 2013 einen massiven Umsatzeinbruch bei den legalen Verkäufen um rund 1/3 und der Staatskasse damit entsprechend hohe Steuerausfälle eingebracht. Proportional dazu stieg der Kontroll- und Fahnungsaufwand von Zoll und Finanzpolizei, noch nie hatte man in Ungarn derart große Mengen von geschmuggelten Zigaretten und illegal besessenem Schnitttabak beschlagnahmt wie im ersten Halbjahr 2014. Hinzu kommt, dass Tausende Jobs im Handel verloren gingen. Außerdem nahm man die Aufregung um die verschobenen Lizenzvergaben gleich noch zum Anlass das Informationsfreiheitsgesetz empfindlich zu beschneiden. Mastermind dahinter war einmal mehr Kanzleramtschef Lázár. Im Falle des Alkoholmonopols kommt noch hinzu, dass durch den zu erwartenden Anstieg des Schwarzmarktes vor allem auch die Qualitätshersteller leiden werden und eine selektive Anbietersteuerung zusätzliche, markteinschränkende Tendenzen befördert.

Im Gespräch ist weiterhin, die "Nationalen Trafiken" durch die - ebenfalls exklusive - Aufstellung von Wettautomaten (
Pferderennen gehen schon) und den Verkauf von Lotterielosen zu noch lohnenderen Profitcentern für die lokale Fidesz-Prominenz und zu regelrechten Sucht- und Entertainementzentren für das gemeine Volk zu machen. Kommentatoren fordern bereits "Nationale Zeitungsläden" ohne Oppositionspresse und sogar "Nationalbordelle", damit auch der Verkehr kontrolliert und zielführend abgewickelt werden kann.

red.

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